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Zweischneidiges Schwert

22. Juli 2009

Der Europa-Politiker Martin Schulz kritisiert die Sanktionen der EU gegen Honduras. Im Interview von DW-WORLD.DE fordert er ein stärkeres Engagement der lateinamerikanischen Nachbarstaaten.

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Martin Schulz (Foto: dpa)
SPD-Europapolitiker Martin SchulzBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Als erste Maßnahme gegen Honduras hat die EU die Fördergelder für das Land auf Eis gelegt. Jetzt gibt es außerdem Forderungen in der EU, das Assoziierungs-Abkommen zwischen der EU und Mittelamerika auszusetzen. Das würde den Handel stark beschränken. Was halten Sie davon?

Martin Schulz: So eine Forderung ist immer ein zweischneidiges Schwert, weil man mit Handelsbeschränkungen immer diejenigen trifft, die politisch den wenigsten Einfluss haben, nämlich die armen Leute in diesen Ländern. Insofern tue ich mich persönlich mit solchen Forderungen sehr schwer. Wenn sie helfen, politischen Druck auszuüben und eine kurzfristige Lösung damit erreicht wird, ist das vielleicht gerechtfertigt. Aber die langfristigen Auswirkungen von einem Handelsboykott muss man immer genau abwägen.

Wenn man dieses Assoziierungsabkommen aussetzen würde, beträfe das eine ganze Region in Lateinamerika. Wollen Sie damit erreichen, dass die Nachbarstaaten mehr Druck auf Honduras ausüben?

Diese Überlegung steckt dahinter, aber ich habe meine Zweifel, ob das zu erreichen ist. Ich glaube nicht, dass man den Konflikt in Honduras damit begrenzt oder löst, indem man Druck auf die Nachbarstaaten ausübt. Ich glaube, dass man den Versuch unternehmen muss, mit den Konfliktparteien im Land selbst zu reden - so verhärtet die Situation auch sein mag. Man muss dazu in Lateinamerika nach Gesprächspartnern suchen, die zu den Konfliktparteien die besten Kontakte haben.

Einer ist ja schon dabei: Oskar Arias, Costa Ricas Präsident, hat sich als Vermittler eingeschaltet. Aber offenbar wirkt das nicht. Denken Sie, es ist richtig, was Arias macht?

Arias mit Mitgliedern der Übergangsregierung (Foto: AP)
Costa Ricas Präsident Oscar Arias hat versucht, im Konflikt zu vermittelnBild: AP

Arias hat ja schon der Vergangenheit große Konflikte entschärft, er hat ja nicht umsonst den Friedensnobelpreis bekommen. Er hat signalisiert, dass die Fronten sehr verhärtet sind. Das heißt aber nicht, dass die Konflikte unauflösbar sind. Arias hat signalisiert, dass er es alleine nicht schafft. Jetzt müssen andere mit ran - und man muss sehr genau schauen, wer diese anderen sein könnten. Vielleicht der brasilianische Präsident Lula de Silva oder der mexikanische Präsident Calderon. Oder die Organisation der amerikanischen Staaten insgesamt. Ich glaube, dass da die unmittelbaren Nachbarn von Honduras gefordert sind.

Wenn die EU und auch die USA ihre Hilfsgelder aussetzen, dann trifft das vor allem die Bevölkerung. Es könnte zu Versorgungs-Engpässen kommen, zu steigenden Nahrungsmittelpreisen, zu Unruhen, vielleicht sogar zu einer Art Bürgerkrieg. Hat die Europäische Union über diese Folgen der Sanktionen nachgedacht?

Die Außenminister und die EU-Kommission, die in diesem Fall entschieden hat, müssen sich dieser Konsequenz bewusst sein: Nämlich, dass die Verschärfung der Versorgungslage der Bevölkerung den Konflikt eher anheizt als ihn zu reduzieren. Diese Frage muss man sich genau stellen. Wir aus der sozialdemokratischen Fraktion haben da große Bedenken. Ich glaube, dass man mit einem solchen Aussetzen zwar Druck auf die Regierung ausübt, aber das reicht ja nicht, wenn die Regierung nicht nachgibt. Es wurden noch nicht alle Dialogformen ausgeschöpft. Deswegen müssen jetzt die Nachbarstaaten in den Konflikt mit einbezogen werden. Das bringt mehr als den Druck aus Brüssel zu erhöhen.

Die Putschregierung aus Honduras zeigt sich ja bislang ziemlich unbeeindruckt: Weder die Sanktionen scheinen sie zu berühren, noch irgendwelche Vermittlungsvorschläge. Sie sagen jetzt, dass die Dialogformen noch nicht ausgeschöpft sind. Aber ist das denn alles, was die Internationale Staatengemeinschaft machen kann: Reden?!

Im Moment zeigt sich die Übergangsregierung unbeeindruckt, weil sie sich im Recht fühlt. Aber die EU und alle Nachbarländer halten diese Sichtweise für falsch, für nicht gerechtfertigt und haben sie verurteilt. Die Frage ist, wer kann denn diese Regierung, die sich auf das Militär stützt, am ehesten beeindrucken? Ich glaube, am ehesten diejenigen, die ihnen einen Ausweg zeigen. Denn mein Eindruck ist, dass die Übergangsregierung in Honduras schon sehr gut weiß, dass sie isoliert ist. Die haben ein Imponiergehabe nach außen, wissen aber sehr genau, dass sie keine Freunde haben. Die Frage ist: Wer baut die entscheidende Brücke, die es dem gestürzten Präsidenten und dem Übergangspräsidenten erlaubt, ohne Gesichtsverlust aus dieser Blockade raus zu kommen. Arias ist das im Moment noch nicht, und die Frage ist: Gibt es irgendeinen anderen?

Martin Schulz ist Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei im EU-Parlament.

Das Interview führte Marlies Schaum

Redaktion: Anna Kuhn-Osius