Die Massengräber des IS
Fast vier Jahre war Rakka in Nordsyrien eine der wichtigsten Bastionen der Terrormiliz "Islamischer Staat". Massengräber sind Beweis für dessen tödliche Gräuel. Nun sollen die unbekannten Toten wieder Namen bekommen.
Grab an Grab
Um 10 Uhr morgens haben die 12 bis 15 Arbeiter schon die ersten Leichname aus der Erde gehoben. Noch an Ort und Stelle untersuchen sie unter Leitung des Forensikers Assad Mohammad die Körper nach Verletzungen, Kleidung, persönlichen Gegenständen oder speziellen Merkmalen. Alles kann für die Identifikation nützlich sein.
Penible Dokumentation
Die Details zu den exhumierten menschlichen Überresten werden in ein Buch eingetragen. Tausende tote Männer, Frauen und Kinder werden vermutlich dennoch für immer anonym bleiben. Seit Januar 2018 wurden in Rakka 4360 Leichen ausgegraben. Nur 750 konnten bislang identifiziert werden.
Das Feld der unbekannten Toten
Bisher ist al-Fukheikha das größte der 13 entdeckten Massengräber in Rakka. Nicht gemessen an der Fläche, aber an der Anzahl der dort verscharrten Toten. Geschätzt wurden hier 3000 Menschen verscharrt. Ein gutes halbes Jahr werden die Einsatzkräfte noch brauchen, um alle zu bergen.
Friedhof des Terrors
Erst Anfang des Jahres wurde die Stätte am ländlichen Rand von Rakka entdeckt, mehr als ein Jahr nach der Befreiung vom IS. Der nördliche Teil des Feldes ist ein Massengrab. Mehr als 1600 Leichen werden dort vermutet, gestorben bei Luftangriffen oder vom IS exekutiert. Der südliche Teil dagegen besteht hauptsächlich aus rund 900 individuellen Gräbern für IS-Kämpfer und deren Angehörige.
Das Grab eines Täters
Die Männer bergen die Überreste eines - wie sie vermuten - IS-Kämpfers afrikanischer Herkunft. Er war in einem anständigen Grab beerdigt. Auch dieser Tote wird untersucht und kommt in einen der hermetisch verschließbaren Leichensäcke. Verbrennungen weisen darauf hin, dass der Mann bei einem Luftangriff ums Leben kam.
Kindergrab
Ungefähr in einem halben Meter Tiefe finden die Arbeiter zwei identische Löcher. Sie dienten mutmaßlich tot geborenen Kindern oder Säuglingen der IS-Kämpfer als Ruhestätte. Einige Gräber enthalten nicht mehr als einen kleinen Haufen Knochen, sorgsam in weißes Tuch gehüllt.
Wiederherstellung
"Dies hier waren Felder, kein Trainingscamp und keine Grabstätte für den IS. Unser Job ist es, den Ort wieder in landwirtschaftlich nutzbare Fläche umzuwandeln", sagt Forensiker Assad Mohammed. "Das hier ist kein Friedhof."
Beten für die Toten
Die nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengende Arbeit fordert ihren Tribut. Regelmäßig machen die Männer eine Pause, um zu rauchen, Tee zu trinken und um das Mittagsgebet abzuhalten - auch für die Toten. Für die Arbeiter ist es nicht einfach nur ein Job, stundenlang Knochen und verwesende Körper auszugraben. Sie sind der Überzeugung, Rakka so ein Stück weit zur Normalität zu verhelfen.