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Alles außer Mohn

Peter Wozny21. Juni 2012

Die Taktik bestimmt immer noch der Bundestrainer, doch was auf den Teller kommt, darüber entscheidet Nationalelf-Koch Holger Stromberg. DW-Reporter Peter Wozny hat ihn in der Küche besucht.

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Koch Holger Stromberg (l.) und Spieler Thomas Müller probieren ein Gericht (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Holger Stromberg weiß, was Deutschlands Kicker mögen. Der Sterne-Koch bereitet seit 2007 die Mahlzeiten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu - und das nicht nur mit strengem Blick auf die Nährwerttabelle, sondern auch mit viel Liebe zum kulinarischen Detail. Im DW-Interview spricht er über Döner nach dem Spiel, Küchenkritiker Thomas Müller und eine ominöse Gaumen-Disko.

Deutsche Welle: Was kochen Sie gerade für die deutschen Spieler?

Holger Stromberg: Ein Wasabi-Mascarponerisotto mit gebeiztem Lachs und einer sogenannten Gaumen-Disko. Das ist eine Marinade aus roher Paprika und rohen Pepperoni, Agaven-Dicksaft und Weißwein-Essig. Alle Komponenten sind in diesem Essen vereinigt: Salzig, bitter, sauer, süß, fettig und das ist ganz wichtig bei einer Speise. Sie darf nicht langweilig werden. Denn wenn es langweilig in der Küche wird, wollen sie zurück zu ihren Frauen und dann sind wir hier raus.

Und was gibt es zum Nachtisch?

Einen Frucht-Smoothie mit Aprikose, Banane und Vanille. Den trinkt die Mannschaft momentan sehr viel. Auch wenn ich nach dem Spiel in der Kabine die Pasta zubereite, gibt es immer diesen Smoothie. Vanille, Ananas und Bananen kommen da hinein. Vanille ist gut zur Entspannung und trägt zum Wohlbefinden bei, weil es die körpereigenen Glückshormone fördert. Deshalb verwende ich für das Team viel Vanille.

Koch Holger Stromberg, posiert mit Pappfiguren fürs Foto (Foto: Marcus Brandt/dpa)
"23 Spieler, 23 Leibgerichte" - "Bundeskoch" Holger Stromberg fürchtet die Kritik von Thomas MüllerBild: picture-alliance/dpa

Gibt es ein Leibgericht der Nationalmannschaft?

23 Spieler, 23 Leibgerichte! Aber es gibt schon ein paar Gerichte, die sich als besonders beliebt herauskristallisieren, zum Beispiel Milchreis. Gestern hatten wir in Pankomehl gebackenen Fisch. Der ist total knusprig und ein absoluter Favorit der Spieler. Aber im Prinzip essen sie alles, von Rahmspinat mit Spiegelei bis hin zu gefüllten Paprikaschoten, Rinderfiletsteak oder Currywurst.

Und welche Getränke haben Sie immer im Angebot?

Ginkgotee und Kakao dürfen nie fehlen. Ginkgo fördert die Durchblutung vor allem im Kopf. Das macht wach und die Spieler brauchen keinen Kaffee mehr, der ja wieder nervös macht. Auch Kakao fördert das Denkvermögen. Ich spreche aber nicht von einem Kakao-Mischgetränk, in dem kaum Schokolade enthalten ist. Wir verwenden 100-prozentigen Kakao und mixen den dann mit Honig oder Agaven-Dicksaft. So bleiben die Spieler wach und in der Balance.

Dürfen die Spieler Sie nachts wecken, wenn sie Hunger bekommen?

Nein, das dürfen sie nicht. Aber ich habe Jogi Löw schon vorgeschlagen, nachts um vier noch eine Mahlzeit einzubauen. In so einem Turnier jagt eine Mahlzeit die nächste. Aber ein Motor mit hoher Verbrennung braucht eben auch Energie, sonst kann er nicht laufen. Und deswegen ist nicht nur die Qualität der Energie wichtig, sondern auch die Häufigkeit. Wir bauen hier ein Buffet ab und das Nächste sofort wieder auf.

Nach den Spielen gibt es den berühmten Mitternachtssnack. Woraus besteht der?

Da gibt es kleine Snacks belegt mit Hackfleisch oder Fetakäse. Dazu serviere ich eine Kartoffel-Steinpilzsuppe und zum Nachtisch noch ein Schokoladenfondant. Der geht hier immer. Bei diesen Essen setzt die Mannschaft sich in der Regel aber gar nicht mehr hin. Wenn sie nach den Spielen ins Hotel zurückkommt, ist es zwei Uhr morgens. Da schieben sich die Spieler schnell im Stehen ein paar Happen rein und sind auch schon auf ihren Zimmern verschwunden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich am Mittwoch (06.06.12) in Sopot bei Danzig im EM-Quartierzum der deutschen Mannschaft bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Spielern Mesut Özil (v.l.), Tim Wiese und Sami Khedira. (Foto: Guido Bergmann/Pool/dapd)
Hoher Besuch zum Dinner: Kanzlerin Merkel war zu Gast im Teamhotel in DanzigBild: dapd

Wie gut ist griechisches Essen für Sportler?

Unterschiedlich. Ein guter Fetakäse ist hervorragend. Er enthält viel Fett, und Fett ist einer der höchsten Energielieferanten. Eine Gyrosplatte würde ich am Tag vor einem Spiel aber nicht unbedingt machen.

Was für Esser sind unsere Nationalspieler?

Sie sind unglaublich dankbare Esser und extrem interessiert. Jede Veränderung am Essen merken sie sofort. Für einen Koch kann es nichts Schöneres geben. Ich muss auch nicht auf Kalorien achten. Das müssen die Spieler selbst tun, vor allem die Ersatzspieler. Die sind zwar auch jeden Tag im Trainingsablauf, doch ihnen fehlen diese 90 Minuten Höchstanstrengung.

Wer ist der Gourmet unter den Nationalspielern?

Ganz klar der Thomas Müller. Er ist mein größter Kritiker, positiv wie negativ. Er kocht selbst gerne und weiß genau, wie es geht. Wenn er Kritik übt, hat er fast immer recht.

Wie gut kennen sich die Spieler aus?

Wir machen etwa zwei Mal im Jahr Ernährungsschulungen mit ihnen. Da baue ich eine Kücheninsel auf und sie probieren, Qualität zu schmecken. Das ist wichtig, denn es kommt eben auf jedes kleine Detail an, das Salz, die Vanille, das Mehl alles hat seine Bestandteile. Und da gilt es, die richtige Qualität auszuwählen.

Wenn Sie mit der Mannschaft reisen, worauf müssen Sie achten?

Das ist nicht immer einfach: Andere Länder, andere Küche, andere Produkte. Also mein erster Schritt, zum Beispiel wenn ich in ein Hotel gehe, ist, dass ich checke, ob die Küche auch die richtigen Eier verwendet. Wir nutzen nur Eier von freilaufenden Hühnern. Denn was ins Huhn kommt, kommt ins Ei und was im Ei ist, kommt in deinen Motor und wenn das nicht gut ist, kann der Motor nicht laufen.

Der Koch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Holger Stromberg aufgenommen am Mittwoch (16.12.2009) in München (Oberbayern) während einer Präsentation der neuen offiziellen DFB-Armbanduhr für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Die "Große Ingenieur Chronograph Edition DFB" wird von der Firma IWC in Schaffhausen in der Schweiz hergestellt. Foto: Peter Kneffel dpa/lby
Virtuose am Holzlöffel: Stromberg kocht für den DFBBild: picture alliance / dpa

Gibt es No-Gos?

Bei mir gibt es keinen Mohn. Der enthält Halluzinogene, was bei Dopingproben zu Unregelmäßigkeiten führen kann. Ansonsten ist alles erlaubt. Nach den Spieltagen gibt es auch mal Köstlichkeiten wie Döner Kebab oder andere Dinge, die man nicht unbedingt vor dem Spiel servieren würde.

Was steht am Spieltag auf der Speisekarte?

Zum Spieltag hin wird es kulinarisch etwas flacher mit Rinderfilet, Kartoffelpüree, Nudelgerichten, dazu zwei Suppen, eine Kraftbrühe und eine Cremesuppe. Das sind Gewohnheiten, daran werde ich auch nichts verändern. Die Mannschaft geht da im Blindflug durch, nimmt sich vom Buffet und konzentriert sich auf das Spiel. An diesem Freitag habe ich aber noch eine kleine Besonderheit: Es gibt griechischen Salat. Der liegt nicht schwer im Magen und die Mannschaft liebt griechischen Salat.