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Die Angst hat Stadionverbot

Malte Rohwer-Kahlmann aus Köln
22. Dezember 2016

Der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin wirft erneut die Frage auf, wie sicher die Bundesliga ist. Beim Spiel in Köln, das unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, ist die besondere Lage spürbar.

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1. Bundesliga 16. Spieltag - 1. FC Köln vs. Bayer Leverkusen
Bild: picture-alliance/dpa/J. Güttler

Das Rheinenergie-Stadion ist am Mittwochabend hell erleuchtet. Ringsherum rote Schals, Gewusel, Fangesänge hier und da, der Geruch von Bier und Bratwurst. Es ist Derby-Tag im Rheinland, der 1. FC Köln empfängt Bayer 04 Leverkusen. Das Stadion ist ausverkauft, 50.000 Fans passen hinein. Etwa eine Stunde vor Anpfiff bewegen sie sich zu den Eingangstoren. Schlangen bilden sich, jeder wird sorgfältig abgetastet, das dauert. Plötzlich knallt es. Panik blitzt in den Augen der Leute auf, dann erleichtertes Lachen. Es war nur ein Silvesterböller.

Der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin hat die Deutschen getroffen. Er hat einmal mehr daran erinnert, dass wir angreifbar sind, jederzeit könnten die Terroristen wieder zuschlagen. Doch können wir deswegen in ständiger Angst leben? Zehntausende versammeln sich jedes Wochenende vor den Bundesligastadien. Es kommen große Menschenmassen zusammen, die ausgelassen feiern. So makaber es klingen mag - sie sind das perfekte Anschlagsziel. Deswegen wurden nach den Ereignissen in Berlin nun in vielen Städten die Sicherheitsvorkehrungen um die Bundesligaspiele verschärft. So auch in Köln. Mehr Polizisten als sonst sind im Einsatz, laufen Streife rund ums Stadion. Einige tragen sogar Maschinenpistolen, wie man sie sonst nur vom Flughafen kennt. Sie stehen in dunklen Ecken, etwas abseits des Treibens, so als wollten sie die Fußballfans nicht zusätzlich beunruhigen.

Alles wie immer, oder?

Am Bierstand vor der Südtribüne ist die Stimmung ausgelassen. Thomas Raab trinkt hier sein Kölsch, wie vor jedem Heimspiel der Kölner. Klar, meint der 59-Jährige, er habe heute auf dem Weg zum Stadion schon über die Vorfälle in Berlin geredet. Aber Angst hat er nicht. "So etwas kann uns das Fußballspiel doch nicht verderben", sagt er und nimmt einen Schluck aus dem Plastikbecher. Nicht weit entfernt steht Boris Ferres in voller Köln-Montur, auch er trinkt sein Bier. Und auch er macht sich keinen Kopf um einen möglichen Terroranschlag - jedenfalls nicht mehr als sonst. "Wenn ich im Bus oder in der U-Bahn sitze, kann genau dasselbe passieren", sagt er. "Jetzt ist einmal was passiert und einen Tag später wird alles hochgeschaukelt." Die Fußballfans hier lassen sich also nicht einschüchtern.

Köln vs. Leverkusen unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen
Nach Berlin zeigt die Polizei zeigt beim Derby zwischen Köln und Leverkusen noch mehr Präsenz als sonst Bild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

Auch ins Stadion kommt die Angst nicht rein. Als wenige Minuten vor dem Spiel die Vereinshymne des 1. FC Köln erklingt, singen alle lautstark mit. Auf der Leinwand werden lachende Gesichter gezeigt, Arm in Arm, glänzende Augen. Als das Lied zu Ende ist, singt die Kölner Südtribüne weiter und der Gästeblock voller Leverkusener hält dagegen. Die Spieler kommen aufs Feld. Stadionatmosphäre, als wäre nichts weiter passiert. Doch dann kommt die Erinnerung, dass eben doch nicht alles normal ist. Alle Spieler tragen Trauerflor, vor dem Anpfiff wird für einige Momente geschwiegen und der Opfer gedacht. Die Zuschauer erheben sich und sind ruhig, bis auf ein paar Störenfriede. "Fresse", schallt es aus dem Kölner Fanblock. Und dann sind wirklich ALLE ruhig, für ein paar Momente, es folgt Applaus und die Fangesänge fangen wieder an.

Berlin ist immer mit dabei

Es wird ein unterhaltsames Spiel, das die Zuschauer mitreißt, am Ende steht es 1:1. Für die Vereine geht es jetzt in die Winterpause. Kölns Verteidiger Mergim Mavraj kommt in die Mixed Zone und stellt sich den Fragen der Journalisten. Es geht um das Spiel, die Aufstellung, Wechselgerüchte - das Standardrepertoire der Fußballfragen. Doch dann kommt eine Frage zu Berlin und der Sicherheit im Stadion. Mavrajs Blick wird ernst, er antwortet vorsichtig. "Intern haben wir natürlich geschockt darauf reagiert", sagt er. "Unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen, die ihre Leute verloren haben. Ich glaube das ist wichtiger, als ob wir uns in einem Stadion mit 60.000 Menschen sicher fühlen."

Die Zuschauer, Spieler, Funktionäre, die Sicherheitskräfte und Polizisten, Journalisten, das Stadionpersonal, sie alle fahren nach einem gelungenen Fußballabend wieder nach Hause - und sind bestimmt auch beim nächsten Spiel wieder dabei - allein schon aus Trotz.