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Dialog der Religionen

Michael Hollenbach11. September 2002

Im Verhältnis der Religionen zueinander hat sich nach dem 9.11. viel geändert. In Deutschland hat sich nach den Terroranschlägen keine Dämonisierung des Islam bemerkbar gemacht, sondern eine Intensivierung des Dialogs.

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Betende MuslimeBild: AP

Das unabhängige Deutsch-Islamische Institut in Celle hat im vergangenen Jahr die deutschen Zeitungen analysiert, wie dort auf das Thema Islam eingegangen wurde. Nach dem 11. September verzeichnete es eine dramatische Zunahme an Artikeln zum Thema Muslime. Christian Hoffmann vom Deutsch-Islamischen Institut hat festgestellt, dass die meisten Berichte einen eher positiven Tenor hatten. "Wenn man die Gesamtschau nimmt und nicht immer nur die Artikel, die uns in den großen nationalen Zeitungen aufgefallen sind, dann kommt man zu einer anderen Gewichtung und stellt fest: Je näher die Journalisten am Ereignis dran sind, desto sachlicher und vernünftiger wird es."

Türöffner

Die Mitarbeiter des Instituts, das sich durch Spenden trägt, leisten aber nicht nur Medienanalysen, sondern treten bei vielen Veranstaltungen auf. Und auch da habe sich das Klima nach dem 11. September zunächst verändert, meint Christian Hoffmann, der zum Islam konvertierte. "Wir sind der Meinung, dass der 11. September, so furchtbar er war, ein Türöffner war. Es hat ja auch viele Äußerungen von Politikern gegeben, die klar gesagt haben - im Gegensatz damals zum ersten Golfkrieg -, das ist nicht der Islam und die Muslime sind nicht unsere Feinde. Im Hinterkopf wirkt das immer noch. Die Leute sind im Vergleich zu früher offener geworden, die Auseinandersetzung ist sachlicher, faktenorientierter."

Boom

Auch Martin Affolderbach, Islamreferent evangelischen Kirche in Deutschland, hat beobachtet, dass es nach den Terroranschlägen geradezu einen Boom an Veranstaltungen in Kirchengemeinden über den Islam gegeben hätte. Immer wieder sei es um die Frage gegangen, wie der Islam einzuschätzen sei und ob der Islam tendenziell militant sei. Das Problem sei, dass es nicht den Islam gäbe; allein in Deutschland existieren 2000 islamische Gruppen und Verbände. Da sei es nicht immer einfach, Dialogpartner zu finden, so Affolderbach. "Man kann in der Tat sagen, dass es sehr viele islamische Gruppen in Deutschland gibt, mit denen es sehr schwierig ist, ins Gespräch zu kommen oder die überhaupt kein Interesse haben, ins Gespräch zu kommen mit uns. Das hat unterschiedliche Ursachen, aber es gibt auch Moscheevereine, die von sich aus den Kontakt suchen".

Religionsunterricht

Allerdings schließen sich immer mehr islamische Gruppen und Verbände wie in Hamburg und Niedersachsen auf Landesebene zusammen, um gegenüber den Kultusministerien Ansprechpartner zu sein für einen möglichen islamischen Religionsunterricht. Und die Dachverbände wie der Islamrat und der Zentralrat der Muslime bemühten sich, stärker in die Offensive zu gehen und den Dialog über den Islam zu fördern, meint Martin Affolderbach. "Es gibt einige Dachverbände, die die gesellschaftliche Lage nach dem 11. September gespürt haben, dass sie sich selber auch in einem Rechtfertigungszwang empfanden. Von daher merkt man auch, dass diese Situation in den islamischen Verbänden zumindest teilweise zu einem Umdenken geführt hat, zu einer stärkeren Reflexion über ihre Rolle hier in Deutschland."

Funkstille

Hans-Christian Heydecke, Direktor des Deutsch-Islamischen Instituts in Celle, ist allerdings enttäuscht. Nach den vielen Diskussionen in den ersten Monaten nach dem 11. September sei das Interesse seit Februar 2002 wieder stark erlahmt. Für diesen Rückschritt macht Heydecke die katholische Kirche verantwortlich. "Dann kamen die Stellungnahmen von Kardinal Ratzinger, der sich wieder abgrenzte. Dann kam die Stellungnahme von Kardinal Lehmann, der sich ebenfalls negativ äußerte, und seit Monaten ist Funkstille."