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Politik

Karamba Diaby: "Der Ton ist rauer geworden"

Emmanuelle Chaze
12. Juni 2020

Der aus dem Senegal stammende SPD-Abgeordnete Karamba Diaby sieht in Deutschland Nachholbedarf im Kampf gegen Rassismus. Im DW-Interview berichtet er über eigene Erfahrungen, aber auch über die erlebte große Solidarität.

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Deutschland Karamba Diaby
Bild: picture-alliance/dpa/K.-D. Gabbert

Rassismus in Deutschland

DW: Die Proteste gegen die rassistischen Übergriffe in den USA werden hier in Deutschland sehr stark unterstützt. Wie erleben Sie das?

Diaby: Die Situation in den Vereinigten Staaten ist sehr, sehr beunruhigend. Man sieht ja, wie gespalten die amerikanische Gesellschaft ist. Insbesondere Präsident Trump zeigt wirklich keine Empathie, sondern seine Botschaften spalten die Gesellschaft. Was Deutschland betrifft, finde ich es gut, dass es Initiativen gibt, die auf die Straße gegangen sind. Dass Menschen in Deutschland aufgestanden sind und sagen: Die  Polizeigewalt, wie wir sie in Amerika wahrnehmen, die akzeptieren wir in der Form nicht. Allerdings darf das nicht nur Aufgabe der schwarzen Community sein, sich dieses Themas anzunehmen.

Was entgegnen Sie denjenigen, die sagen, ich sehe hier gar keine "Farben"?

Das hieße, etwas zu leugnen, was Realität ist. Ob es das Aussehen ist, religiöse und kulturelle Vielfalt, aber auch Diversität in Bezug auf Transsexualität oder ob es um Vegetarier geht: Wenn man das leugnet, dann ist man nicht bereit, sich mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen. Vielfalt ist nicht 'Friede, Freude, Eierkuchen.' Ob es um Generationen-Unterschiede zwischen Alt und Jung geht, Mann und Frau, zwischen Behinderten und Nicht- Behinderten, zwischen Menschen mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit - all das sind Zeichen der Diversität.

Deutschland | Anschlag mit Schüssen auf das Wahlbüro von Karamba Diaby
Wenige Tage nach dem Anschlag auf sein Wahlkreisbüro im Januar: Bundeskanzlerin Merkel geht im Bundestag demonstrativ auf Diaby zu. Bild: Reuters/A. Hilse

Ihr Büro hier in Halle wurde im Januar von Unbekannten beschossen, und sie bekommen regelmäßig Drohungen. Wie sicher fühlen Sie sich in Deutschland?

In den letzten Jahren ist der Ton sehr rau geworden. Und menschenfeindliche Einstellungen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das ist sehr beunruhigend. Ich muss aber trotzdem sagen, dass ich persönlich eine sehr, sehr große Welle der Solidarität erlebe - außerhalb der sozialen Medien. Das heißt: In mein Bürgerbüro kommen Bürgerinnen und Bürger, Hallenser Schulklassen haben Unterschriften gesammelt und sind zu mir gekommen. Diese Solidarität ist ungeheuer wichtig für mich und mein Team. Das stärkt unsere Arbeit.

Unternimmt die Regierung gerade genug, um Menschen mit Migrations-Hintergrund besser zu integrieren?

Ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Wenn man den Deutschen Bundestag sieht, sind wir bei acht Prozent und bei der Presse in Deutschland sind wir bei sechs Prozent. Im öffentlichen Dienst ist die Zahl auch unheimlich gering. Also ist es schon ein Armutszeugnis, dass ein Land mit über 70 Jahren Migrations-Erfahrung eine so geringe Repräsentanz hat. Einer der Gründe ist die Ausgrenzung, die viele erleben. Und ich würde mir wünschen, wenn wir in dieser Richtung noch mehr machen könnten.

Haben Sie das Gefühl, dass es nach dieser große Welle von Protesten, nicht nur weltweit sondern auch hier in Deutschland, zu dauerhaften Änderungen in der Gesellschaft kommt?

Das kann man nur hoffen. Ich denke schon, dass sich viele, auch wegen der Berichterstattung, Gedanken machen: Wie können wir das Zusammenleben gestalten? Das ist bitter notwendig. Ich wünsche mir, dass sich viele Organisationen beteiligen, aber auch, dass die gesamte Gesellschaft erkennt, dass das ein wichtiges Thema ist.

Karamba Diaby wurde im Senegal geboren und ist seit 2013 Bundestagsabgeordneter für die SPD. Der 58-jährige promovierte Chemiker wohnt in Halle.

Das Interview führte Emmanuelle Chaze.