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DFL-Chef Seifert: In der Krise ins Rampenlicht

Tobias Oelmaier | Herbert Schalling
26. Oktober 2020

Christian Seifert ist in 15 Jahren bei der DFL zum mächtigsten Mann im deutschen Profifußball aufgestiegen. In knapp zwei Jahren will er aufhören. Vielleicht auch, weil ihm Kommerzialisierung auf die Füße fällt?

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Fußball DFL Christian Seifert
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Diese Ankündigung ist ein Paukenschlag. Den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Deutschen Fußballliga (DFL) dürfte es nicht gefallen haben, als sie von Christian Seifert darüber informiert wurden, dass er seinen Vertrag als Geschäftsführer der DFL nicht über den Juni 2022 hinaus verlängern werde. Der deutsche Profifußball ohne seinen mächtigsten Mann, ohne seinen Krisenmanager? Es wird schwer, gleichwertigen Ersatz zu finden.

DFB-Präsident Fritz Keller drückte sein Bedauern über Seiferts Entscheidung aus und sprach von einem "unverzichtbaren, leidenschaftlichen, kenntnisreichen Streiter für den gesamten deutschen Fußball". BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sprach von einem "herben Verlust für die Bundesliga" und sieht in der Nachfolgefrage eine schwierige Aufgabe für den deutschen Fußball. "Einen Mann wie Christian Seifert, der so lange auf so hohem Niveau für den Fußball gearbeitet hat, 1:1 zu ersetzen, ist ein schwieriges Unterfangen", so Watzke. 

Hinter den Kulissen war Seifert schon kurz nach seinem Einstieg in die DFL im Jahr 2005 eine große Nummer. In seiner Zeit bei der DFL vervielfachten sich die Einnahmen aus der TV-Vermarktung der Bundesligen. Seifert gilt als der "Milliarden-Dealer". Dabei gelang es ihm zumeist, die unterschiedlichen Interessen der kleinen und großen Klubs zu berücksichtigen.

Das brachte Seifert einerseits Anerkennung in Form von Job-Angeboten aus der Premier League und von US-Sportkonzernen, andererseits aber auch harsche Kritik ein. Er treibe die Kommerzialisierung auf Kosten der Fan-Interessen voran, warfen ihm Teile der organisierten Anhänger vor. Diesen Kritikern schleuderte er dann schon mal Sätze wie diesen entgegen: "Der Profifußball hat großen wirtschaftlichen Erfolg und er muss aufhören, sich dafür zu rechtfertigen." Sätze, die manch einer als eine Form der Überheblichkeit interpretierte. 

"Der Milliarden-Dealer"

Mit dem Beginn der Corona-Krise stand der 51-Jährige dann plötzlich im Rampenlicht. Als am zweiten März-Wochenende die Pandemie auch den Fußball in die Knie zwang, begann sein Kampf gegen die Auswirkungen der Pandemie-Maßnahmen auf den bezahlten Fußball in Deutschland. Er tat alles dafür, die unterbrochene Saison noch zu retten. Mitgliederversammlungen mit allen 36 Profi-Vereinen der beiden Bundesligen, dazu Gespräche mit Politikern und Experten, viele Interviews für Zeitungen und Fernsehsender - Seifert, der Cheflobbyist des Profifußballs.

In der größten Krise wurde Christian Seifert zum Gesicht des deutschen Fußballs. Und er wurde auch im Ausland immer populärer. Schließlich war es die Bundesliga, die als erste internationale Topliga schon im Mai wieder den Spielbetrieb aufnahm. Am Konzept der DFL orientierten sich Sportverbände und Ligen auf der ganzen Welt. 

Karriere neben statt auf dem Fußballplatz 

Für manche erfüllt Christian Seifert das Klischee des smarten Geschäftsmanns. Stets tritt er mit Hemd, Jackett und Krawatte auf. Auf Fußball-Puristen wirkt er wie ein Fremdkörper im eher hemdsärmelig-kumpeligen Ball-Business. Aber davon sollte sich man nicht täuschen lassen: Seifert, der im süddeutschen Rastatt geboren wurde, kennt und liebt den Fußball. Seit Kindheitstagen ist er Fan von Borussia Mönchengladbach. Seifert stammt aus einer fußballbegeisterten Familie. Ein Großvater spielte in Freiburg, ein Onkel schaffte es als Profi bis in die zweite belgische Liga. Bei ihm selbst reichte es nicht zur großen Karriere auf dem grünen Rasen. "Man hat dann schon erkannt, dass der liebe Gott einem da Grenzen gesetzt hat", lautet seine Erkenntnis.

Sein Interesse an Physik und Technik ermögliche es ihm, "sehr stark in Prozessen und Strukturen zu denken", erklärte Seifert vor Jahren. Das helfe ihm, "in komplexen Situationen den Überblick zu bewahren". 

Der Profifußball muss sich ändern - nach Corona 

Der aktuell ausgebremste, wilde und schier unaufhaltsame Aufstieg des Profifußballs in immer höhere finanzielle Sphären hat Christian Seifert offenbar nachdenklich gemacht. In seinen Statements und Interviews zur Fortsetzung der Bundesliga hat er zuletzt manchen Satz eingestreut, der hellhörig machte. In einer Taskforce "Zukunft Profifußball" möchte er mit Experten ausloten, wie es mit dem Fußball weiter gehen soll. Die exorbitanten Geldflüsse sind intern, aber vor allem in der kritischen Öffentlichkeit schon lange ein Thema. Möglich, dass Seifert schon im Frühjahr genug hatte vom Big Business Profifußball, obwohl er doch maßgeblich an dessen Entwicklung beteiligt war und ist.

Sondersitzung des DFB-Präsidiums Christian Seifert
Galt auch gegenüber dem Verband als starke Figur: Christian SeifertBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Bereits vor einigen Wochen war er von seinem Amt im Präsidialausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten. Offiziell begründet hatte der 51-Jährige seinen Rückzug damit, dass ihm wegen der Corona-Problematik die Zeit fehle, die breit gefächerten DFB-Themen in ausreichendem Maße bearbeiten zu können. Tatsächlich aber könnte seine Entscheidung auch schon ein erster Schritt zur Vorbereitung seines Ausstiegs aus der Fußball-Welt gewesen sein. Wohin es für Christian Seifert geht, was er zu tun gedenkt, ist noch nicht bekannt. Sein neuer Arbeitgeber aber kann sich ganz sicher auf einen Mann, der seine Qualitäten immer wieder bewiesen hat, freuen.