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Deutschlands Europa darf nicht mehr kosten

Richard Fuchs8. Februar 2013

In Zeiten der Eurokrise will Berlin die Institutionen der Europäischen Union und der Währungsunion stärken - allerdings ohne Mehrkosten. Wie das gehen soll, darüber streiten Politiker schon auf nationaler Ebene.

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Eine Fanhe der Europäischen Union weht am Montag (12.12.2011) hinter einer Deutschlandfahne in Niederwartha. Foto: Arno Burgi dpa/lsn
Symbolbild Deutschland Europa FlaggeBild: picture-alliance/dpa

Mehr Europa bekommen, ohne mehr Geld auszugeben: Diesen Spagat will die deutsche Europapolitik bei den Verhandlungen um das Mehrjahresbudget der EU schaffen. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten am Donnerstag und Freitag (07./08.2.2013) in Brüssel treffen, dann sollen nach dem Willen der Bundesregierung alle Ausgaben der EU in den Jahren 2014 bis 2020 auf den Prüfstand. "Better Spending" heißt das im englischen Eurokraten-Jargon, was für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts anderes ist als ein Kassensturz für Europas rund eine Billion Euro schweren Haushalt.

Deutschland trägt bislang rund ein Fünftel zum Gesamtbudget der EU bei, was sich in der aktuellen Finanzperiode von 2007 bis 2013 auf rund 200 Milliarden Euro summiert. "Die Mittel sollen so eingesetzt werden, dass daraus wirklich eine wettbewerbsfähigere, leistungsstärkere EU wird", sagte Merkel bei einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti in Berlin. Auch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und mit Frankreichs Staatschef Francois Hollande sprach sie wenige Tage vor dem Gipfel, um für Deutschlands zentrale Forderung zu werben.

Eine Ausgabengrenze für Brüssel verankern

Italiens Regierungschef Monti und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel beschwören vor den EU-Budgetverhandlungen ihre Gemeinsamkeiten. Beim Gipfel in Brüssel kämpft dann jeder für sich Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Italiens Regierungschef Monti und Bundeskanzlerin Merkel beschwören vor den EU-Budgetverhandlungen ihre Gemeinsamkeiten, beim Gipfel in Brüssel kämpft dann jeder für sichBild: picture-alliance/dpa

Analog zur Schuldenbremse im Grundgesetz will die Kanzlerin dem EU-Gemeinschaftsbudget eine Ausgabenbremse verpassen. "Die Ausgaben der Europäischen Union sollen bei einem Prozent des EU-Sozialprodukts festgeschrieben werden", erklärt EU-Finanzanalyst Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim den deutschen Vorschlag. Der EU-Haushalt solle damit nur noch dann steigen, wenn Europas Wirtschaft und damit das Bruttonationaleinkommen wächst. Viele Nettozahlerländer wie Österreich, Finnland, Italien, die Niederlande und Schweden haben sich dieser deutschen Forderung nach strikter EU-Haushaltsdisziplin bereits angeschlossen. Vor allem die Nehmerländer wie Spanien, Portugal, Griechenland und weitere hatten sich dem wiederholt widersetzt.

Bereits im vergangenen November hatten die 27 Staats- und Regierungschefs darum gerungen, den sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zu verabschieden. Das Verfahren legt für die kommenden sieben Jahre die Obergrenzen für die EU-Ausgaben bei Landwirtschaft, Regionalförderung, Forschung, Inneres und Justiz sowie Außenpolitik fest. Nettozahler-Staaten, die wie Deutschland, Italien oder Frankreich mehr Geld an die EU abführen als sie durch EU-Fördergelder wieder zurückbekommen, lehnten damals den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Budgetentwurf als zu teuer ab. Dass aber jetzt beim zweiten Anlauf nur über das deutsche Spardiktat geredet werde, das ging dem französische Präsident François Hollande im Vorfeld des Europäischen Rates zu weit. Er warnte bei einem Auftritt vor dem Europäischen Parlament in Brüssel am Dienstag vor einer "Sparpolitik ohne Ende", die Europas Wachstum sogar schade.

Deutschland will Großbritannien Entgegenkommen, aber nicht um jeden Preis CARSTEN KOALL/AFP/GettyImages)
Deutschland will Großbritannien entgegenkommen, aber nicht um jeden PreisBild: CARSTEN KOALL/AFP/GettyImages

Mehr Neues fördern, ohne Altes aufzugeben?

Deutschland setzt darauf, dass neue Aufgaben der EU auch Akzentverschiebungen in der finanziellen Ausstattung einzelner Ausgabenposten erfordern. Mehr Geld soll nach Ansicht Berlins vor allem für europäische Energieinfrastruktur sowie Forschungsförderprojekte bereitgestellt werden. Die EU-Kommission schlägt für beides Förderungen im Umfang von 120 Milliarden Euro vor, was die Bundesregierung begrüßt. In der aktuellen Finanzperiode 2007 bis 2013 fließen noch rund 80 Prozent der EU-Ausgaben in direkte und indirekte Beihilfen für Landwirtschaft sowie in Regionalförderprojekte für Regionen in Randlage oder Grenznähe. Insgesamt sind im EU-Haushalt damit bislang rund 700 Milliarden Euro für sieben Jahre gebunden. Geld, das in anderen Politikbereichen fehlt. "Deutschland hat ein Interesse daran, die Agrarpolitik und die Regionalpolitik eher zurückzufahren, weil es sich diese Felder durch seine Beitragszahlungen selber finanzieren muss", erklärt EU-Finanzanalyst Friedrich Heinemann vom ZEW in Mannheim.

Braun-weiß gefleckte Kühe stehen am oberbayerischen Königssee (Foto: Peter Kneffel dpa/lby)
Ist am Ende die Kuh schuld?Bild: picture-alliance/dpa

Während Frankreich mit Nachdruck vor allem auf die Beibehaltung bestehender Landwirtschaftsförderung pocht, will Berlin davon Geld im Kampf gegen die europaweite Jugendarbeitslosigkeit einsetzen. Arbeitslosenraten unter Jugendlichen von 30, 40 oder bis zu 60 Prozent in Europa hatten die Kanzlerin dazu bewogen, beim Besuch des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am Montag in Berlin gemeinsame Änderungswünsche am Budget anzukündigen. Es wird erwartet, dass der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy einen neuen, mehrere Milliarden Euro schweren Etat zur Berufsförderung von Jugendlichen vorschlagen wird.

Zur Gegenfinanzierung dieser Ausgaben will die Bundesregierung spürbare Einsparungen auch bei der Regionalpolitik hinnehmen. Ein Ziel, das allerdings innerhalb Deutschlands umstritten ist, wie EU-Finanzanalyst Friedrich Heinemann sagt. Denn vor allem die Bundesländer gehörten bislang zu den größten Profiteuren dieser Regionalförderung, besonders die jetzt über Jahre auslaufende Höchstförderung der neuen Bundesländer im Osten. "Der Charme aus der Sicht der Bundesländer ist: Die Beitragszahlungen an die Europäische Union werden aus den Steuereinnahmen des Bundes abgeführt". Während die Bundesregierung auf Ausgabenbegrenzung pocht, setzen die Bundesländer deshalb weiter auf Geldrückflüsse aus Brüsseler Regional- und Strukturfonds. "Deutschland spricht da nicht mit einer Stimme", sagt Analyst Heinemann, der die deutsche Europapolitik dadurch auch für wenig glaubwürdig, ja sogar für "schizophren" hält.

Europäischer Kuhhandel mit Tradition

Spätestens am 1. Januar 2014 muss der Mehrjährige Finanzrahmen unter Dach und Fach sein. Dann läuft die aktuelle Finanzplanung der Jahre 2007 bis 2013 aus. Sollten die Staats- und Regierungschefs bis dahin zu keiner Einigung kommen, würden jährliche Budgetverhandlungen ohne vorher abgestimmte Ausgabenobergrenzen drohen. Das könnte den Politikbetrieb in Brüssel im Streit lahmlegen. Eine Vorstellung, vor der auch die aufs Spardiktat pochende Kanzlerin zurückschreckt, wie sie in ihrem wöchentlichen Video-Podcast sagte. "Es geht in einer Phase, in der in vielen europäischen Ländern das Wirtschaftswachstum zum Erliegen gekommen ist, darum, für die nächsten Jahre Planbarkeit bei den finanziellen Zuwendungen aus der Europäischen Union zu schaffen." Ob Deutschland allerdings mit seiner jetzt gewählten Strategie tatsächlich mehr Europa zum gleichen Preis bekommt, werden erst die Verhandlungen zeigen. Wie immer gilt dabei nämlich in Brüssel ein Satz: Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.