1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

60 Milliarden sind genug

kas23. November 2007

Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück lehnt die jüngsten Forderungen nach finanziellen Hilfen für Holocaust-Überlebende ab. In Israel müssen 180.000 Überlebende ohne staatliche Altersrente auskommen.

https://p.dw.com/p/CSD5
Finanzminister Peer Steinbrück in Jad Vaschem, Quelle: AP
Steinbrück besuchte in Jerusalem die Gedenkstätte Jad VaschemBild: AP

Die Bundesregierung will nicht erneut über Entschädigungszahlungen an Holocaust-Überlebende verhandeln. Das unterstrich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nach einem Treffen mit Holocaust-Überlebenden am Donnerstag (23.11.2007) bei Tel Aviv. Die Ansprüche seien im Luxemburger Wiedergutmachungsabkommen von 1952 abschließend geregelt. Die Bundesregierung werde aber versuchen, bedürftige Holocaust-Überlebende über die jüdische Dachorganisation Claims Conference zu unterstützen.

Bisher 60 Milliarden Euro

Noach Flug, Quelle: AP
Die Einstellung auf den deutschen Entschädigungsämtern sei nicht gerade freundlich, kritisiert Noach Flug (Archivbild)Bild: picture-alliance / schroewig

Der israelische Generalsekretär der Dachorganisation der Holocaust-Überlebenden, Noach Flug, hatte vor dem Treffen erklärt, er halte bisher von Deutschland geleistete Wiedergutmachung für unzureichend. Die rund 60 Milliarden Euro, die die Bundesrepublik seit dem Luxemburger Abkommen bezahlt habe, würden in keiner Relation zu dem Verbrechen stehen.

Laut Flug erhalten 10.000 in Israel lebende ehemalige Lagerinsassen keine Entschädigung, weil "sture Regelungen" nicht auf sie zuträfen. "Zum Beispiel muss man mindestens 18 Monate im Ghetto oder ein halbes Jahr im Konzentrationslager gewesen sein, um etwas zu bekommen. Das Ghetto Budapest bestand jedoch gar nicht so lang", sagte Flug der "Frankfurter Rundschau". Zwei Drittel der Überlebenden in Israel, an die 180.000 Menschen, müssten ohne israelische Altersrente auskommen, weil sie erst nach der Wende im Ostblock nach Israel einwanderten und dort nicht gearbeitet haben.

Vor zwei Wochen hatte der israelische Minister für Rentenangelegenheiten, Rafi Eitan, weitere Finanzhilfen von Deutschland gefordert. Der Minister erklärte, niemand habe bei der Unterzeichnung der Wiedergutmachungsverträge vor über fünf Jahrzehnten beispielsweise die hohen Lebenskosten und die um zehn Jahre höhere Lebenserwartung voraussehen können.

Druck auf die israelische Regierung

Holocaust-Überlebende in Jerusalem fordern mehr Hilfe vom israelischen Staat (August 2007, Quelle: AP)
Holocaust-Überlebende in Jerusalem fordern mehr Hilfe vom israelischen Staat (August 2007)Bild: AP

Bislang liege allerdings noch keine formelle Bitte Israels an Deutschland um weitere Zahlungen für die Holocaust-Überlebenden vor. Eine Sprecherin des israelischen Finanzministers Roni Bar-On, der am Donnerstag mit Steinbrück zusammengetroffen war, erklärte, es habe keine derartige Bitte Israels gegeben.

Kritiker der Forderungen an Deutschland in Israel erklärten, das Land sollte selbst in der Lage sein, für seine alten Menschen zu sorgen. Nach einem Protest von Holocaust-Überlebenden, die sich vom israelischen Staat vergessen fühlten, erhöhte die Regierung zu Beginn des Jahres ihre Zahlungen.