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GesellschaftDeutschland

Deutschland fällt bei Lebenserwartung in Westeuropa zurück

22. Mai 2024

Die Deutschen leben im Schnitt kürzer als andere Westeuropäer. Seit dem Jahr 2000 wuchs der Abstand um ein ganzes Lebensjahr, wie eine aktuelle Studie ergab. Woran liegt das?

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Ein Seniorenpaar sitzt auf einer Bank im Grünen
Ein Seniorenpaar sitzt auf einer Bank im GrünenBild: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance

Deutschland gehört im westlichen Europa zu den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung und verliert weiter den Anschluss. Dies zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung. Darin wurden die Sterblichkeitstrends über mehrere Jahrzehnte untersucht.

Betrug der Rückstand Deutschlands auf die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt im restlichen Westeuropa im Jahr 2000 rund 0,7 Jahre, hat sich der Abstand bis 2022 auf 1,7 Jahre vergrößert. "Der Beginn der 2000er Jahre markiert einen Wendepunkt in der Dynamik der Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland", resümiert Mitautor Pavel Grigoriev vom BiB. Seitdem ist die Sterblichkeitslücke zwischen Deutschland und den anderen westeuropäischen Ländern relativ stetig angewachsen.

Schweizer haben beste Aussichten

Die höchste Lebenserwartung in den erfassten Ländern hätten die Schweizer mit 83,5 Jahren, sagte ein Sprecher des BiB dem Evangelischen Pressedienst. Spanien folge mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 83,2 Jahren, in Deutschland liege sie bei 80,5 Jahren.

Warum für viele Menschen ein gesundes Leben zu teuer ist

Wie aus der Untersuchung hervorgeht, konnte Ostdeutschland nach der deutschen Einheit im Jahr 1990 zunächst den Rückstand gegenüber Westdeutschland und Westeuropa erheblich verringern. Hierzu trugen auch massive finanzielle Investitionen in die Gesundheitsversorgung bei. Bis Anfang der 2000er Jahre hatte die Lebenserwartung der Frauen in Ostdeutschland zu Westdeutschland aufgeschlossen und auch gegenüber dem restlichen Westeuropa erheblich aufgeholt. Die Männer in Ostdeutschland konnten zunächst ebenfalls den Abstand reduzieren.

Allerdings ist bei ihnen im Gegensatz zu den Frauen bis heute ein Abstand von rund einem Jahr gegenüber Westdeutschland geblieben. Seit der Jahrtausendwende haben jedoch sowohl West- als auch Ostdeutschland gegenüber den anderen Ländern Westeuropas an Boden verloren.

Lediglich 2020, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie, gab es demnach bei beiden Geschlechtern eine kurzfristige Annäherung an den westeuropäischen Durchschnitt, weil in Deutschland zunächst deutlich weniger Menschen an COVID-19 starben.

Ein Corona-Patient auf einer Intensivstation in einer Klinik in Thüringen (Archivbild)
Ein Corona-Patient auf einer Intensivstation in einer Klinik in Thüringen (Archivbild)Bild: Bodo Schackow/dpa/picture alliance

Unterschiede zwischen Altersgruppen

Die Sterblichkeit unterscheidet sich allerdings in den einzelnen Altersgruppen. Während die Sterblichkeit von Menschen unter 50 Jahren in Deutschland im westeuropäischen Durchschnitt liegt, ist sie bei der Bevölkerung über 65 Jahre deutlich erhöht. Bei den Frauen weisen in Deutschland vor allem über 75-Jährige eine höhere Sterblichkeit auf als Gleichaltrige in den anderen Ländern. Dagegen tragen bei den Männern insbesondere die Altersgruppe zwischen 55 und 74 Jahren zur Lücke bei. 

"Hinsichtlich der Todesursachen erklärt sich der Rückstand insbesondere durch eine höhere Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen", schreibt das Forscherteam im "Bundesgesundheitsblatt". Handlungsbedarf in Bezug auf eine angestrebte Erhöhung der Lebenserwartung sehen die Forschenden in Deutschland denn auch vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Demnach weisen internationale Vergleiche auf einen Nachholbedarf bei der Prävention und der Früherkennung dieser Erkrankungen hin. Ähnliches gelte für die Tabak- und Alkoholprävention sowie gesunde Ernährung.

"Hier besteht noch einiges Potenzial, um uns für den momentanen Alterungsprozess der Gesellschaft besser aufzustellen", so BiB-Forschungsdirektor Sebastian Klüsener. In der Studie verglichen wurden die Daten von insgesamt 15 Staaten in Westeuropa, darunter die Schweiz, Österreich, Dänemark, Großbritannien und Finnland.

kle/pg (kna, afp, epd, dpa)