Neues Exilmuseum in Berlin geplant
14. August 2020Zwei Jahre nach der Gründung einer Stiftung nimmt das Exilmuseum in Deutschland Gestalt an. Am Freitag (14. August 2020) präsentierte die Berliner Stiftung mit dem Entwurf des Kopenhagener Büros Dorte Mandrup den Sieger des Architekturwettbewerbs. Das Museum, dessen Eröffnung für 2025 geplant ist, will die deutsche Exilgeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus abbilden.
"Aus einer Idee wird ein Ort", sagte der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck als Schirmherr des Museums. Die Schicksale der Exilanten gäben Anlass für Mitgefühl, aber auch für "Bewunderung der gelebten Entschlossenheit".
Viele Emigranten hätten durch ihre Flucht auch deutsche Kulturgeschichte gerettet, manche im Exil beachtliche Erfolge erzielt. Gauck zog auch Parallelen in die Gegenwart und sprach von den heutigen Flüchtlingen, die Schutz vor Verfolgung, Krieg und Hunger suchten. "Unsere Zeit ist auch geprägt von Millionen von Menschen, die nicht mehr in ihrer Heimat leben können."
"Parabel für Ankunft und Abschied"
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die Schirmherrin des ambitionierten Projektes, sagte auf der Pressekonferenz in Berlin, Bahnhöfe seien früher nicht nur funktional gewesen, sondern auch sehr schöne Gebäude: "Parabeln für Ankunft und Abschied".
Für ein deutsches Exilmuseum sei kein besserer Ort als der Anhalter Bahnhof in Berlin vorstellbar. Dessen bis heute erhaltene Portalruine sei ein Wahrzeichen für jene Menschen, die in der Nazizeit "aus dem Alltag gerissen wurden, weil sie Juden waren oder Demokraten, Sinti, Roma oder Homosexuelle".
Durch die Bücherverbrennungen 1933 und die nachfolgende Gleichschaltung von Kunst, Film und Literatur hätten die Nationalsozialisten versucht, die Erinnerung an die Moderne auszulöschen. "Wer im Exil war, gilt in Deutschland bis heute nicht als Opfer", sagte Müller. Sie selbst ist 1987 vor dem Geheimdienst Securitate aus Rumänien nach Deutschland geflohen.
Ein doppelt geschichtsträchtiger Ort
Der Anhalter Bahnhof im Stadtteil Kreuzberg war einer der wichtigsten Fernbahnhöfe Berlins im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Nach dem Erstarken der Nationalsozialisten und besonders nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Frühjahr 1933 verließen viele Exilanten die Stadt über den Anhalter Bahnhof. Ab 1942 diente der Bahnhof den Nazis zur Deportation von Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt.
1959 wurde die historische Bahnhofshalle gesprengt, obwohl sie unter Denkmalschutz stand. Das Gebäude sollte einem geplanten Neubau weichen, der nie zustande kam. Das Eingangsportal blieb nur aufgrund von Bürgerprotesten erhalten. Es soll jetzt in den Neubau des Exilmuseums eingebunden werden, der auf einer Brachfläche hinter dem Säulengang entstehen wird. Der daneben liegende Sportplatz soll ebenfalls bleiben - als Symbol der Einbindung des heutigen Stadtlebens.
Ein Museum auch für unbekannte Exilanten
Die Jury hatte sich aus neun eingereichten Beiträgen für den Architekturentwurf des Kopenhagener Büros von Dorte Mandrup entschieden. Er zieht ein konkaves Gebäude hinter der Ruine entlang und sieht eine Fläche von insgesamt 3.500 Quadratmetern vor.
Neben einer Dauer- und Sonderausstellungen ist ein "Raum des Ortes" geplant, der die Geschichte des Anhalter Bahnhofs aufgreifen wird. Darüber hinaus wird auch Platz für Kultur- und Freizeitangebote des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg entstehen.
Im Zentrum der geplanten Ausstellungen sollen weniger Objekte stehen, sondern multimedial aufbereitete Biografien. "Es gibt in der Exilgeschichte keine Nofretete, die man ausstellen kann", sagt Gründungsdirektor Christoph Stölzl, der viele Jahre das Deutsche Historische Museum in Berlin geleitet hat. Deshalb müssten die Lebensgeschichten auch aufbereitet werden. "Es wird eine packende Erzählung werden."
Verlust von kultureller Identität im Exil
Den berühmten deutschen Emigranten, wie Thomas Mann und Albert Einstein beispielsweise, die ihre Arbeit im Ausland fortsetzen konnten und teils große Erfolge in Architektur, Literatur oder auf dem Feld der Wissenschaft feiern konnten, steht eine deutlich größere Zahl an Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland gegenüber, die der Nachwelt keine bedeutsamen Werke hinterlassen haben und weitgehend namenlos geblieben sind.
Viele Emigranten durften in den Fluchtländern nicht arbeiten, insbesondere nicht in ihren eigentlichen Berufen. Dadurch büßten sie neben dem Verlust ihrer Heimat, von Freunden und Familie auch ihre kulturelle und berufliche Identität ein. Viele verarmten, wurden in der neuen Umgebung angefeindet. Manche nahmen sich das Leben, weil es ihnen nicht gelang, sich ein neues Leben im Exil aufzubauen.
Christoph Stölzl verwies auf die seit Jahrzehnten gut dokumentierte Exilforschung in Deutschland, rund 500.000 Namen seien in einer Datenbank mittlerweile erfasst. Er sei zuversichtlich, dass unter Umständen auch die Biografien von unbekannten Emigranten zusammengetragen werden könnten.
Privatinitiative für ein deutsches Exilmuseum
Der Plan für dieses Museum in Berlin geht auf eine Idee der Schriftstellerin Herta Müllers zurück, die sich bereits 2009 in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür eingesetzt hat. Die später eingerichtete Stiftung Exilmuseum Berlin ist eine reine Privatinitiative. Nach derzeitigem Stand muss der Bau überwiegend über Spenden finanziert werden. Die kalkulierten Baukosten liegen aktuell zwischen 25 und 30 Millionen Euro.
Zur Anschubfinanzierung hatte der Berliner Kunsthändler Bernd Schultz, der auch im Vorstand der Stiftung ist, im Herbst 2018 wertvolle Kunstwerke aus seinem Privatbesitz versteigern lassen. Der Erlös der Auktion betrug 6,3 Millionen Euro, finanzieller Grundstock für den Neubau. Das Grundstück ist im Besitz des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, der das Vorhaben auch unterstützt. Geplant ist, der Museumsstiftung das Grundstück per Erbbaurecht für zunächst 99 Jahre zu überlassen.