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Deutscher Oscar-Kandidat: "Barbara"

Jochen Kürten31. August 2012

"German Films" schickt das Drama um eine DDR-Ärztin ins Rennen um den Oscar. Der Film von Regisseur Christian Petzold wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Dennoch ist der Film ein krasser Außenseiter.

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Nina Hoss als Barbara in einer Szene des Kinofilms "Barabara" (Foto: Hans Fromm/Verleih)
Bild: picture-alliance/dpa

Diese Entscheidung ist mutig. Dass "German Films", die Auslandsvertretung des deutschen Kinos, ausgerechnet den Film "Barbara" für das Rennen um den populärsten Filmpreis der Welt nominiert, ist zudem eine Überraschung. Acht deutsche Beiträge hatte "German Films" vorab in die engere Auswahl für die Oscarbeteiligung genommen, "Barbara" machte schließlich das Rennen. Eine Überraschung, weil es - aus amerikanischer Sicht - spektakulärere Werke unter den acht Filmen gegeben hätte. Mutig ist die Wahl, weil Deutschland sich nun mit einem Film bewirbt, der mit sehr subtilen stilistischen Mitteln eine Geschichte erzählt, und nicht mit dem Gestus einer großen, pompösen Geschichtslektion aufwartet.

Szene aus dem Film Barbara von Christian Petzold (Foto: Hans Fromm/Verleih)
Die junge Ärztin (Nina Hoss) im Gespräch mit dem Chefarzt (Ronald Zehrfeld)Bild: Piffl Medien

Noch ist aber natürlich nichts entschieden. Noch ist "Barbara" nicht im Oscar-Rennen. Die Auswahl von "German Films" bedeutet zunächst einmal nur dies: Die Oscar-Akademie wählt bis Januar 2013 unter all den Filmen, die die Kinonationen der Welt ins Oscar-Rennen schicken, fünf aus, die dann in die Spezialkategorie "Bester Ausländischer Film" eingeladen werden. Noch ist also nicht einmal sicher, ob Regisseur Christian Petzold und die Produzenten Florian Koerner von Gustorf und Michael Weber Ende Februar kommenden Jahres nach Hollywood reisen dürfen, um am Oscar-Abend teilzunehmen.

Christian Petzold schlägt Til Schweiger und Bully Herbig

Trotzdem ist die Entscheidung von "German Films" bemerkenswert, weil sie keine opportunistische ist. Man hat sich schlichtweg für den bemerkenswertesten deutschen Film unter den acht Kandidaten entschieden. Nicht das neueste Kinoepos von Deutschlands zugkräftigem Kinostar Til Schweiger, "Schutzengel", wurde ausgewählt. Auch nicht "Hotel Lux" mit dem deutschen Kassenstar Bully Herbig, eine filmische Farce um die Geschehnisse im berüchtigten Stalin-Gefängnis in Moskau. Weder hat man sich für die rasante gesellschaftskritische Studie "Kriegerin" über Rechtsradikalismus in Ostdeutschland entschieden, noch für "Hannah Arendt" von Margarethe von Trotta, die ja auch um das Thema Nationalsozialismus kreist.

Der deutsche Regisseur Christian Petzold (Foto: ddp images/AP Photo)
Christian PetzoldBild: AP

Alles, was die Verarbeitung deutscher Geschichte und insbesondere des Nationalsozialismus betrifft, kommt im Filmland USA traditionell gut an. Und gut an kommen natürlich beim Hollywood-geschulten Auswahlgremium auch Filme, die mit Stars und einem etwas reißerischem Stil arbeiten. "Barbara" passt in keins dieser Schemata. Zugegeben: Auch Petzolds Film beleuchtet ein Kapitel jüngerer deutscher Historie. Der Regisseur erzählt von einer Ärztin in der DDR, die aus Ost-Berlin in die Provinz strafversetzt wird, weil sie einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gestellt hat. "Der Film 'Barbara' überzeugt durch seine große formale Klarheit und eine starke Frauenfigur, die im Widerspruch zwischen individueller Freiheit und sozialer Verantwortung ihre persönliche Entscheidung trifft", begründete der Jury- Vorsitzende Stefan Schubert die Wahl.

Szene aus dem Film Barbara von Christian Petzold (Foto: Hans Fromm/Verleih)
Poetische Bilder und Szenen in der ostdeutschen Provinz: "Barbara"Bild: Christian Schulz

Petzold hat einen sehr genauen Blick auf die Psyche seiner Protagonisten geworfen, mit dem ihm eigenen ruhig-distanzierten filmischen Stil. Der Rhythmus der Szenen ist langsam, fast bedächtig, die Bilder wunderschön, aber unspektakulär, die Musik sehr behutsam und sensibel eingesetzt. Es wäre somit eine Sensation, wenn es "Barbara" in die Endauswahl unter die fünf nominierten nicht englischsprachigen Filme schaffen würde. "Wir freuen uns sehr über die Entscheidung, dass 'Barbara' als deutsche Oscar-Einreichung ins Rennen geht", erklären Regisseur und Produzenten nach der Jury-Entscheidung höflich. Die Freude ist sicherlich echt und glaubwürdig. Doch dürfte sich die Enttäuschung bei Christian Petzold bei einer Nichtberücksichtigung von "Barbara" in Grenzen halten. Hollywood und die Oscars und Christian Petzold und sein stiller Film "Barbara" - größere Gegensätze sind wohl kaum denkbar.