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Deutscher Filmpreis: Starker Jahrgang

Jochen Kürten
24. April 2020

Keine Gala, dafür eine TV-Show ohne Publikum - der höchstdotierte deutsche Kulturpreis muss sich bei seiner 70. Ausgabe in schwierigen Zeiten anpassen. Ein Blick auf die Favoriten - und eine verunsicherte Branche.

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Deutscher Filmpreis - Lola
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

"Es wird wieder Sehnsucht nach Kino geben", gibt sich Martin Moszkowicz, Chef der großen deutschen Filmproduktionsfirma "Constantin", in einem Interview optimistisch. "Es gab eine Zeit vor Corona, und es wird eine Zeit danach geben", so Ulrich Matthes, Präsident der Deutschen Filmakademie kurze Zeit später. Man spüre, selbst in ihrer Abwesenheit, die Energie, die ein Kino- oder Theaterbesuch den Menschen schenkt, fügte Matthes noch hinzu. 

Eine ganze Kultur-Branche liegt im Koma

Ist dies nun Zweckoptimismus oder eine realistische Einschätzung? Die Filmtheater sind derzeit geschlossen: keine Filme, keine Zuschauer, keine Einnahmen. Die Kino-Branche liegt derzeit, wie so viele andere auch, darnieder. Aber es ist ja noch schlimmer: Denn die Kinos, ob große Multiplex-Betriebe oder kleinere Arthaus-Spielstätten, sind nur ein Baustein in einer komplexen Kultursparte. Auch in Sachen Produktion passiert derzeit nicht viel. Überall in der Republik ruhen wegen der Corona-Krise die Dreharbeiten.

Verleihung Deutscher Filmpreis 2018 | Iris Berben & Edin Hasanovic (picture-alliance/dpa/G. Fischer) Edin Hasanovic und Iris Berben tanzend auf der Bühne
So gute Laune wie 2019 wird es beim Deutschen Filmpreis 2020 nicht geben: Moderatoren Edin Hasanovic und Iris Berben Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Hilfe wird von allen Seiten angekündigt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ein umfangreiches Hilfspaket für die Kultur und Zeit "danach" versprochen, von dem auch die Kinobranche profitieren soll. "Danach" heißt: Wenn der Alltag in Deutschland wieder Fuß fassen kann, wenn Kulturveranstaltungen wieder stattfinden können. Wann das sein wird, kann allerdings derzeit niemand sagen. Die Kinobranche gilt als besonders sensibel - weil sie von verschiedenen Komponenten abhängig ist.

Eine Normalität in der Film-Branche liegt noch in weiter Ferne

Das hat mehrere Gründe. Ein Kinobesuch heißt ja immer auch: Viele Menschen sitzen dichtgedrängt in einem dunklen Raum - derzeit wegen der Ansteckungsgefahr durch das Virus undenkbar. Und: Auch Dreharbeiten leben vor allem von Nähe und Intimität. Kaum denkbar, dass an einem Drehort, an dem Regisseure, Techniker und Schauspieler eng und intensiv zusammenarbeiten - mit dem so viel zitierten Sicherheitsabstand von 1,50 Meter -, in naher Zukunft arbeiten können.

Auch die vielen kleinen und großen Filmfestivals, die eine so wichtige Startrampe für neue Filme darstellen, finden derzeit nicht statt. Eine ganze Branche liegt also im Tiefschlaf.

Berlinale 2020 - Eröffnungsgala - Monika Gruetters (Getty Images/A. Rentz) Monika Grütters in Abendgaderobe bei der Berlinale
Engagiert sich für das deutsche Kino, hier im Februar bei der BerlinaleBild: Getty Images/A. Rentz

Wann wieder Normalität einkehren wird, kann derzeit niemand ernsthaft prognostizieren. Man darf gespannt sein, was Ulrich Matthes beim bevorstehenden Deutschen Filmpreis am 24. April sagen wird. Oder Monika Grütters. Sie werden sicherlich Mut machen - viel anderes bleibt ihnen auch kaum übrig. Sie werden dann, am Abend der Verleihung, in Fernseh-Kameras sprechen. Auf die festliche Gala, normalerweise ein Höhepunkt im deutschen Kinojahr, muss diesmal aus naheliegenden Gründen verzichtet werden.

Mit dem Deutschen Filmpreis sind Fördergelder verbunden

Doch den Deutschen Filmpreis wird es auch 2020 geben. Schließlich handelt es sich um den höchstdotierten deutschen Kulturpreis überhaupt. Er wird von den rund 2000 Mitgliedern der "Deutschen Filmakademie" vergeben - das Prozedere ähnelt dem des Oscar. Mit einem wichtigen Unterschied: In Deutschland fließt Geld. Fast drei Millionen Euro werden an die Nominierten und dann natürlich an die Sieger ausgeschüttet. Es ist mit der Auflage verbunden, in neue Projekte zu investieren.

Berlin: Schauspieler Ulrich Matthes, Präsident der Deutschen Filmakademie, kommt zur Verleihung des 69. Deutschen Filmpreises "Lola" und schreibt Autogramme (picture-alliance/dpa/B. Pedersen) Ulrich Matthes im Smoking beim Autogramme geben
Ulrich Matthes, Präsident der deutschen Filmakademie, gibt sich optimistischBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Bereits im März machten sich die Verantwortlichen der Filmakademie Gedanken, wie der Deutsche Filmpreis in diesem Jahr verliehen werden könnte. Ein kompletter Ausfall stand nie zur Debatte. Warum auch? Die Nominierungen stehen seit dem 11. März 2020 fest. Es galt nur noch, die Siegerkandidaten auszuwählen. Die werden nun bei einer live ausgetragenen Fernsehshow verkündet - natürlich ohne Zuschauer. 

Sehnsuchtsort Kino muss warten

Die "Sehnsucht nach Kino" ist, da darf man Martin Moszkowicz ohne Abstriche folgen, nach wie vor vorhanden - das sieht man, wenn man sich die Streamingzahlen der Filme anschaut, die gerade überall bei den verschiedenen Portalen angeboten werden. Es sind vor allem Filme, die fürs Kino produziert wurden. Und die nun auf kleinem Bildschirm konsumiert werden.

Das mag für eine Zeit lang in Ordnung sein. Doch auf Dauer wird die Sehnsucht nach einem realen Kinobesuch wachsen. Kino bietet ein unvergleichliches Gemeinschaftserlebnis. Und Kino hat einen unschlagbaren Vorteil: Filme werden auf großer Leinwand projiziert, ohne Toilettenpause, ohne Stopptaste, ohne ablenkende Gespräche, Kommentare und sonstige Unterhaltung - das setzt eine höhere Konzentration und eine ganz andere emotionale Reaktion beim Zuschauer frei.