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Weihnachtstheater

Oliver Cech28. November 2006

Alle Jahre wieder zur Vorweihnachtszeit haben Theaterstücke für Kinder Hochkonjunktur. Fast jedes Theater hat ein Stück zur Weihnacht auf dem Programm. Dabei mögen es die Deutschen gerne traditionell.

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Szene mit Hexe und Waldschrat aus einem russischen Weihnachtsmärchen
Unbekannte Stoffe sind eher selten: Szene aus einem russischen WeihnachtsmärchenBild: pa / dpa

Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist voll besetzt mit Kindern. Hans Christian Andersens Märchen von der "Schneekönigin" wird gespielt. Der Knabe Kay, geblendet von den Spiegelscherben des Teufels, verliert sein Herz an die eisige Herrscherin und wird ihr willenloser Diener. Seine Freundin Gerda bricht auf, um ihn aus dieser tödlichen Umarmung zu retten.

Gretel hat zwei linke Hände

Es sind die bekannten Märchenkonflikte, die das Kindertheater auch in dieser Vorweihnachtszeit vor seinem Publikum ausbreitet. Und es sind die bekannten Phantasiefiguren, die sich die Herzen der Kinder erobern. Obwohl sich so manche Figur nicht ganz so aufführt wie es im Buche steht ...

Gretel: "Mama hat gesagt, der Hänsel hat doch keine Augen im Kopf."
Hänsel: "Papa hat gesagt, die Gretel hat zwei linke Hände."
Gretel: "Der Hänsel raubt mir noch den letzten Nerv!"
Hänsel: "Die Gretel soll doch bleiben, wo der Pfeffer wächst!"
Gretel: "Mama und Papa haben gesagt, der Hänsel ist dumm wie Brot."

Gesucht wird das Vertraute

Szene aus Hänsel und Gretel
Klassiker wie "Hänsel und Gretel" sind nach wie vor gefragtBild: pa / dpa

Das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm von Hänsel und Gretel, die von ihren Eltern verstoßen werden und im Wald der bösen Hexe begegnen, ist irgendwie anders. Warum wollen die Eltern nicht, dass ihre Kinder aus dem Wald nach Hause kommen? Ganz einig werden sich Hänsel und Gretel da nicht in Heidrun Grotes Inszenierung für das Kölner Künstler Theater. Das Hausmärchen der Grimms hat Heidrun Grote kräftig gegen den Strich gebürstet. Statt des archetypischen Kampfes gegen das Böse, die Knusperhexe, werden die alltäglichen Zankereien der Geschwister in den Mittelpunkt der Aufführung gestellt.

So konsequente Modernisierungen bekannter Stoffe sind eher eine Seltenheit im deutschen Kindertheater der Vorweihnachtszeit. Denn welche Aufführung man besucht, entscheiden ja nicht die Kinder, sondern deren Eltern und Lehrer. Und gerade die Erwachsenen suchen in der Vorweihnachtszeit nicht das aufregend Neue, sondern das bereits Vertraute, meint Georg zum Kley, Leiter des Kölner Künstler Theaters: "Ich glaube, das ist eine tradierte Vorstellung. Man erinnert sich an früher, an die ganzen Geschichten, die auch im Fernsehen gekommen sind. Daran erinnert man sich gerne, und dann ist es eine Sache, die man mit den Kindern noch mal erleben möchte."

Sehnsucht nach dem Kinderglück

Die Sehnsucht der Erwachsenen nach dem Kinderglück der Weihnachtszeit ist so groß, dass sie ihren Nachwuchs in den beiden Vorweihnachtsmonaten um ein vielfaches häufiger ins Theater bringen als während des übrigen Jahres. Kindertheater ist ein Saisongeschäft:

Szene aus dem Weihnachtsmusical 'Der Lebkuchenmann'
Erfolgreich: das Weihnachtsmusical "Der Lebkuchenmann"Bild: pa / dpa

Sechs Mal so viele Aufführungen wie sonst, berichtet zum Kley, gibt seine ganz auf Kindertheater spezialisierte Bühne im November und Dezember. Dieses Saisontheater zur Weihnachtszeit bevorzugt auch einen ganz bestimmten weihnachtlichen Geruch, den Geruch nach erstem Schnee, nach Bienenwachs und Spekulatius. Einer der erfolgreichsten Protagonisten ist denn auch der "Lebkuchenmann". Als Musical der Vorweihnachtszeit seit 30 Jahren ein Welterfolg und nun gerade in Bonn angelaufen.

Kuckucksuhr und Mafia-Maus

Die heisere Kuckucksuhr und der frisch gebackene Lebkuchenmann im Kampf mit einer ausgehungerten Mafia-Maus und dem übellaunigen Zauberteebeutel: In der nächtlichen Küche ist mächtig was los, auch musikalisch. Gesungen wird im Kindertheater gerne, denn das Publikum will unterhalten werden. Wenn dieses Publikum sich langweilt, wird es laut, und das Geschehen auf der Bühne verkommt zur Nebensache.

Nur wenige Theater wagen es daher, wie das Schauspiel Dortmund mit Oskar Wildes "Sternenkind", leise poetische Töne anzuschlagen. Wenn es um Traumwelten geht, dann können auch sonst lebhafte Kinder plötzlich ganz still und andächtig werden. Etwa bei Peter Pan, der Flugkünstler aus Nimmerland, der im Theater Oberhausen gastiert. Er und seine "verlorenen Jungs" stammen aus einer Traumwelt, zu der Kinder einen privilegierten Zugang haben. Einer Welt, in der das harte Licht der Vernunft den Dämmerzuständen der Phantasie weichen muss. Kurz vor dem Einschlafen, im Übergang zwischen Wachen und Traum, zeigt das Leben ein fremdes, märchenhaftes Gesicht. Auch Erwachsene können es sehen - kurz vor Weihnachten, im Kindertheater.