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Mit großem Gefolge nach Jerusalem

Bettina Marx23. Februar 2014

Bundeskanzlerin Angela Merkel reist mit 16 Ministern und Staatsministern nach Jerusalem zu den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. In einem wichtigen Bereich gibt es Meinungsverschiedenheiten.

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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem gemeinsamen Essen in Jerusalem Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa

Regierungssprecher Steffen Seibert war stolz, als er die Termine der Bundeskanzlerin für die letzte Woche im Februar vortrug: "So etwas gab es noch nie", sagte er in der Bundespressekonferenz. Die Bundeskanzlerin werde mit 16 Ministern und Staatsministern - fast dem ganzen Kabinett also - zu den fünften deutsch-israelischen Regierungskonsultationen nach Jerusalem reisen. Im Mittelpunkt der Gespräche stünden die Forschungszusammenarbeit und die Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. Daneben werde es auch ein bilaterales Besuchsprogramm der Bundeskanzlerin geben. So werde Merkel zunächst mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammentreffen und anschließend Staatspräsident Shimon Peres ihre Aufwartung machen. Er werde der deutschen Regierungschefin dann die höchste israelische Auszeichnung, die "Presidential Medal of Distinction", verleihen. Damit wolle er ihr besonderes Engagement für Israel und die deutsch-israelischen Beziehungen würdigen.

Israels Staatspräsident Shimon Peres im Europaparlament am 12.3.2013 Foto: REUTERS
Israels Staatspräsident Peres wird Merkel auszeichnenBild: Reuters

Beziehungen am Tiefpunkt?

Dabei ist es um diese Beziehungen gar nicht so gut bestellt. Die israelische Tageszeitung Haaretz schrieb kürzlich, sie seien so schlecht wie nie zuvor. Das Blatt stützte sich mit dieser Analyse auf das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das über tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berichtet hatte. Die beiden hätten sich am Telefon sogar angeschrien, hieß es.

In der Tat gibt es handfeste Differenzen zwischen beiden Regierungen. So lehnt die Bundesregierung die israelische Siedlungspolitik ab und betrachtet sie als Hindernis für den Frieden. Israel dagegen beharrt darauf, seine Siedlungstätigkeit in Ostjerusalem und dem besetzten Westjordanland voranzutreiben - zum Ärger der Europäer. Fast resigniert sagte Merkel nach den letzten Regierungskonsultationen im Dezember 2012 in Anwesenheit von Netanjahu: "Es sollten einseitige Maßnahmen vermieden werden. Das führt dann auch dazu, dass wir uns in der Frage der Siedlungen einig sind, dass wir uns nicht einig sind."

EU knüpft Fördergelder an Bedingungen

Der Streit um die Siedlungspolitik brachte im letzten Jahr auch die Beziehungen zwischen Israel und der EU in eine schwere Krise. Denn im Juli gab Brüssel die Richtlinien für das milliardenschwere Förderprogramm für die Forschung "Horizont 2020" bekannt. Sie legen fest, dass kein Cent dieser Gelder israelischen Projekten in den besetzten Gebieten zugute kommen darf. Erst im vergangenen November fanden beide Seiten nach langen Verhandlungen einen Kompromiss: Er erlaubt es Israel, an dem Programm teilzunehmen, ohne die Unrechtmäßigkeit der Siedlungen explizit anerkennen zu müssen. Gleichzeitig stellt er sicher, dass keine europäischen Fördergelder in israelische Forschungseinrichtungen in den besetzten Gebieten fließen.

Die Universität von Ariel im Westjordanland Foto: picture alliance
Die Universität Ariel im Westjordanland bekommt keine Fördergelder aus EuropaBild: picture-alliance/Hanann Isachar

Im Januar überraschte die Bundesregierung dann ihre israelischen Partner mit der Ankündigung, auch bei der bilateralen Forschungszusammenarbeit die europäischen Richtlinien zu beachten. Darüber hinaus sollen die Beschränkungen auch für die Förderung privater Unternehmen gelten. Auch sie sollen sich in Zukunft verpflichten, deutsche Fördergelder nur für Unternehmungen innerhalb der grünen Linie zu nutzen, also innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels.

Boykott gegen Israel gefürchtet

In Israel lösen solche Ansinnen Unruhe aus. Die Regierung in Jerusalem fürchtet sich vor einer internationalen Boykott-Bewegung, die den Staat Israel in Misskredit bringen und die Wirtschaft des Landes nachhaltig treffen könnte. Erste Anzeichen gibt es schon. So hat die größte Bank Dänemarks, Danske Bank, ihre Geschäftsbeziehungen zur israelischen Bank Hapoalim abgebrochen. Das Kreditinstitut finanziere den Siedlungsbau und verstoße damit gegen internationales Recht, hieß es zur Begründung. Aus dem gleichen Grund gab auch das norwegische Finanzministerium bekannt, dass es den staatlichen Rentenfonds angewiesen habe, zwei israelische Investoren auszuschließen, die an Siedlungsprojekten in Ostjerusalem beteiligt seien.

Israelische Siedlung im Westjordanland Foto:DPA
Stein des Anstoßes: Israelische Siedlungen im besetzten WestjordanlandBild: picture-alliance/dpa

Auch die palästinensische BDS-Kampagne kann auf zunehmende Erfolge verweisen. Sie propagiert Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel und israelische Einrichtungen und Produkte. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Siedlungen. Ihren Aufruf, Israel zu boykottieren, richtet sie auch an Wissenschaftler und Kulturschaffende. Prominente wie die kanadische Autorin Naomi Klein, die Schriftstellerin Alice Walker und der Musiker und Pink-Floyd-Gründer Roger Waters sind diesem Aufruf bereits gefolgt und haben Auftritte in Israel vermieden oder abgesagt.

Der deutsche EU-Parlamentspräsident sorgt für Unmut

Vielleicht war es die Angst vor internationaler Isolierung, die zu den heftigen Reaktionen in der Knesset auf die Rede von Martin Schulz am 12.02.2014 führte. Der deutsche Sozialdemokrat hatte die israelischen Parlamentarier auf die ungleiche Wasserverteilung zwischen Israelis und Palästinensern angesprochen und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Wirtschaftsminister Naftali Bennett warf Schulz vor, Lügen zu verbreiten und stürmte mit den Mitgliedern seiner Fraktion aus dem Saal. "Ich akzeptiere keine Lügen von Deutschen", erklärte Bennett und forderte eine Entschuldigung des Parlamentspräsidenten. Am Ende war es dann aber Bennett, der sich bei einem Besuch in Brüssel in der vergangenen Woche mit Schulz versöhnte.

EU-Parlamentspräsident Schulz bei seiner Rede in der Knesset Foto: AP
EU-Parlamentspräsident Schulz bei seiner Rede in der KnessetBild: picture-alliance/AP

Die Luft scheint also wieder rein zu sein zwischen israelischen und deutschen Politikern - gerade noch rechtzeitig vor den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. Die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Siedlungspolitik dürften jedoch auch bei diesem hochrangigen Treffen nicht beseitigt werden.