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Der Traum von Europa – ein Albtraum für Flüchtlinge in Griechenland

Alkyone Karamanolis 18. April 2008

UNO und Europäischer Flüchtlingsrat warnen: Griechenland sei kein sicheres Pflaster für Flüchtlinge. Sie leben dort in unzumutbaren Verhältnissen. Belgien und Norwegen schicken keine Flüchtlinge mehr dorthin zurück.

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ARCHIV - Rund 200 Flüchtlinge sitzen am Strand von Kato Zacro auf der griechischen Insel Kreta (Archivfotov om 06.12.2007). Sie waren von der Küstenwache von Bord eines kleinen Motorschiffs geholt worden. Menschenrechtler und Europa-Abgeordnete kritisieren seit Monaten unmenschliche Verhältnisse in griechischen Aufnahmelagern. Zudem wurde den Griechen vorgeworfen, mit gefährlichen Manövern wiederholt Flüchtlingsboote zum Kentern gebracht zu haben. Ausserdem untersuche das Land die Anträge von Asylsuchenden nicht gründlich genug und weise Flüchtlinge im Schnellverfahren aus. Foto: Stefanos Rapanis (zu dpa-Korr. "Griechenland wächst der Flüchtlingsstrom über den Kopf" vom 06.12.2007) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Flüchtlinge vor der griechischen Insel Kreta - schon 2007 wurde Griechenland für seine unmenschlichen Verhältnisse in den Aufnahmelagern kritisiert.Bild: picture-alliance/ dpa

Über das Mittelmeer kommen sie zu Tausenden nach Griechenland: asylsuchende Flüchtlinge. Dort müssen sie dann auch ihren Asylantrag stellen, so besagt es die Dublin-Verordnung der EU. Denn dort, wo ein Flüchtling zum ersten Mal EU-Boden betritt, muss er auch seinen Asylantrag stellen. Reisen die Asylbewerber aus Griechenland aus in ein anderes EU-Land, werden sie aus diesem dann wieder zurückgeschickt nach Griechenland. Doch innerhalb der EU regt sich Unmut über die Lebensumstände der Asylbewerber in Griechenland. Zu recht!

In Griechenland zerplatzen Träume

Adams ist einer der vielen Asylbewerber in Griechenland. Schon der Aufzug zu seiner Wohnung ist nicht sehr zuverlässig. Die Kabine des Fahrstuhls rumpelt, bleibt fast stecken, bis sie die Besucher dann doch gnädig in den dritten Stock transportiert.

"Das ist mein Zimmer", stellt Adams vor. Eine windige Spanplatte ist die Tür zu seinem Reich: Ein nacktes Zimmer ohne Heizung, Fenster, die nicht schließen, eine Art Küchenecke, dahinter ein Verschlag, der das Bad sein muss. Er bezahlt 170 Euro monatlich - eine absurde Miete, aber ein typischer Fall. Seit vier Jahren lebt er hier, erzählt der Sudanese später im Treff seiner Landsleute im Erdgeschoss.

Keine Rettung: Leben fast wie in der Vergangenheit

** FILE ** Four-year-old Perion, a Kurdish immigrant from Iraq, stands inside of a roomful of illegal immigrants in Metohi on the Greek island of Evia, some 155 km (96 miles), north of Athens in this file Oct. 5, 2003 photo. The U.N. refugee agency urged Greece Wednesday to boost funding for asylum seekers, citing serious overcrowding and other problems facing vulnerable groups of refugees like single mothers and unaccompanied children. (AP Photos/Petros Giannakouris, File)
Viele Flüchtlinge leben zusammengepfercht in kleinen Wohnungen - schon 2003 verlangte das UNO Flüchtlingshochkommissariat einen Verbesserung der Flüchtlingsunterkünfte in Griechenland. (Archivbild)Bild: AP

"Wir Flüchtlinge sind alle hier hinter dem Omonoiaplatz versammelt, aber diese Gegend ist kein Ort für Menschen, die sich integrieren wollen, und auch kein Ort für Menschen, die das Gesetz achten", erzählt Adams. Es gebe hier Drogenhandel, Prostitution und Verbrechen. Adams hat schon viel Leid gesehen. Er stammt aus der Bürgerkriegsprovinz Darfur im Sudan und war anderthalb Jahre lang inhaftiert. Als ihm die Flucht gelang, brach er nach Europa auf, um sein Leben und seine Würde zu retten, erzählt der 36-Jährige.

Doch nun sitzt er in einem Café in einer Gasse, in der es nach Urin riecht und wartet auf seinen Asylbescheid. Das griechische Parlament ist nur eine Viertelstunde zu Fuß entfernt.

Flüchtlinge: die vergessenen Menschen?

"Wir haben viele Schwierigkeiten als Asylbewerber", sagt Adams. Als er ankam, habe ihm zum Beispiel niemand gesagt, welches seine Rechte und welches seine Pflichten seien - oder wie das Asylverfahren ablaufe. Es gebe keinen rechtlichen Beistand, keine Hilfe, keine Unterkünfte für Asylbewerber. Dennoch ist Adams voller Hoffnung – vielleicht weiß er aber auch nur nicht, dass Griechenland vergangenes Jahr nur einem einzigen Sudanesen Asyl gewährt hat.

Greek Parliament building, Athens, Greece, video still
Das griechische Parlament - nur wenige hundert Meter von den barackenartigen Behausungen der Asylbewerber entfernt.Bild: AP GraphicsBank

Angesichts der niedrigen Quoten - in den vergangenen Jahren hat Griechenland nur ein halbes Prozent aller eingereichten Anträge positiv beantwortet – sprechen Menschenrechtsorganisationen von einer de facto Abschaffung des Asylrechts in Griechenland. Schuld seien beispielsweise bürokratische Stolpersteine, so die Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou. "Die Rechte der Flüchtlinge, die die Genfer Flüchtlingskonvention eigentlich verbindlich regelt, werden ab dem Moment, da diese Menschen griechischen Boden betreten, missachtet", sagt sie. Und auch, wer es schaffe, Asyl zu beantragen, habe kaum eine Chance auf ein faires Verfahren. Oft werden die Antragsteller nicht einmal ordentlich angehört. So haben viele Illegale hier in Athen im Grunde genommen niemals die Möglichkeit, ihre Geschichte vorzutragen.

Ein Leben in Ungewissheit: positive Gedanken gegen die Angst

Zurück im Sudanesentreff genießt Adams seinen würzigen Tee. Er ist entschlossen, es zu schaffen. Sollte sein Antrag abgewiesen werden, wolle er in Berufung gehen. Afrika sei ein Spielball politischer Interessen – und Griechenland ist in den Jahren des Wartens zu seiner zweiten Heimat geworden. "Es gibt unter den Griechen ein Gemeinschaftsgefühl, das ist ähnlich wie bei uns im Sudan", erklärt er. Wenn man von der Polizei absehe, die sehr hart sei, haben die Menschen viel Mitgefühl. "Ich glaube, weil sie an Gott glauben."

Dann erzählt Adams von seinem Traum: einer Gesellschaft, geformt nach Platons Idealstaat. Während er spricht, laufen Kakerlaken über die Wände, eine Prostituierte kommt auf der Suche nach Wechselgeld herein – und draußen lallt ein Landsmann. Der, so hatte Adams zuvor erzählt, sei auf der Überfahrt verrückt geworden.