Delhi: Was tun gegen die Luftverschmutzung?
30. November 2024In dieser Woche konnten die Bürger Delhis im Wortsinn etwas aufatmen: Der Luftqualitätsindex in Indiens Hauptstadt lag auf einem Level zwischen 200 und 300. Dieser Wert gilt zwar immer noch als "ungesund". Doch in der Vorwoche lag er in einigen Stadtteilen bei über 1700. Damit gehört er zu den höchsten jemals gemessenen überhaupt.
Hinsichtlich der Umweltbelastung unterscheidet sich die Hauptstadtregion nicht von anderen Städten Indiens: Fabriken, Kohlekraftwerke, Dieselgeneratoren, Fahrzeuge, Bauarbeiten und Holzfeuer tragen wesentlich zur schlechten Luftqualität bei.
Saisonale Feldbrände in den Nachbarstaaten Punjab und Haryana verstärken die Luftverschmutzung in Delhi zusätzlich. Die Bauern räumen traditionell ihre Felder, indem sie Heu und Stoppeln verbrennen, doch damit erhöhen sie auch die Belastung der Luft. Auch die Lage Delhis in der tief liegenden Ganges-Ebene ist von Nachteil. Anders als das am Meer gelegene Mumbai verteilen die stabilen Windverhältnisse in Delhi die Schadstoffe nicht, sondern fangen sie im Gegenteil ein.
Dennoch gibt es noch Hoffnung für Indiens Hauptstadt. Experten sind sich einig, dass der politische Wille, Maßnahmen gegen chronische Luftverschmutzung zu ergreifen, auch in Delhi wieder für saubere Luft sorgen könnte.
Politische Maßnahmen unverzichtbar
Luftverschmutzung überschreitet regionale, politische und nationale Grenzen. Die Verwaltung des Lufteinzugsgebiets gewinnt bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung zunehmend an Bedeutung.
"Lufteinzugsgebietsmanagement würde bedeuten, die Datensätze der Schadstofffaktoren mit den meteorologischen Bedingungen der nächsten drei bis fünf Tage zu kombinieren und die Werte möglichst niedrig zu halten", sagt Sunil Dahiya, Gründer von Envirocatalysts, einer in Neu-Delhi ansässigen Interessengruppe für saubere Luft. "Langfristig müssen wir entweder auf sauberere Brennstoffe umsteigen oder über effizientere Technologien zur Schadstoffbekämpfung verfügen."
Das saisonale Verbrennen von Stoppeln in der Landwirtschaft ist im frühen Winter einer der größten Schadstoffproduzenten der Region. In diesem Jahr trägt es mit bis zu 16 Prozent zur Verschmutzung bei. Doch die Eindämmung der auf diese Weise verursachten Luftverschmutzung setzt eine regierungsübergreifende Koordination voraus.
Voraussetzung Emissionskontrolle
Auch die in und um die Hauptstadtregion gelegenen Industrien, etwa aus der Auto-, Chemie-, Kunststoffsparte, stoßen enorme Schadstoffe aus. "Es ist geradezu kriminell, die Entstehung einer großen umweltverschmutzenden Industrie in dieser Region so lange zu tolerieren, bis wir auf sauberere Kraftstoffe umsteigen oder die Emissionen reduzieren. Dabei sprechen wir nicht einmal über die zusätzliche Emissionsbelastung durch Transport, Energie, Industrie, Abfall und Bauwesen", so Dahiya. "Natürlich können wir die Meteorologie nicht kontrollieren; deshalb müssen wir die Emissionsbelastung reduzieren."
Besserer öffentlicher Nahverkehr
Neu-Delhi verfügt zwar über ein gut ausgebautes U-Bahn-System. Doch dessen Anbindung weist noch viele Lücken auf. Auch zahlreiche Busse verkehren noch. Die Stadt strebt an, 80 Prozent der Flotte künftig per Strom anzutreiben. Viele Rikschas sind bereits von Diesel auf Flüssiggas (LPG) umgestiegen. Allerdings hat dies nicht dazu beigetragen, die Zahl der Privatfahrzeuge auf den Straßen zu reduzieren.
Auch der Wohnungsbau stellt eine Belastung dar. Nach Regierungsangaben werden in Neu-Delhi, dessen Bevölkerungszahl im Jahr 2023 knapp 34 Millionen betrug, kontinuierlich neue Wohngebäude und Hochhäuser gebaut, insbesondere in Vororten und umliegenden Gebieten.
"Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die unterschiedlichen Transportmittel miteinander verbinden und für alle erschwinglich machen können", sagt Dahiya. "Wenn die Menschen von privaten auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, wird das bestehende System dem dann zu bewältigenden Aufkommen nicht mehr gewachsen sein. Darum müssen wir massiv in die Modernisierung der bestehenden öffentlichen Verkehrssysteme investieren. Zudem müssen wir eine bessere Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer schaffen." In den meisten Teilen Neu-Delhis gibt es weder Radwege noch nutzbare Gehwege für Fußgänger.
Verbesserte Abfallwirtschaft nötig
Einer Schätzung der Stadtverwaltung von Delhi zufolge produziert die Stadt täglich knapp 11.500 Tonnen Abfall. Doch nur ein Teil wird verarbeitet oder recycelt. Der Rest verrottet auf Mülldeponien und trägt zur Umweltverschmutzung bei.
"Es gibt bestimmte Bereiche, in denen der Abfall getrennt und sogar vor Ort kompostiert wird", sagt Dahiya. "Aber das muss in größerem Maßstab geschehen."
Transparente Datenerfassung
Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Delhi geraten oft in ein Gerangel zwischen der Zentral- und der Landesregierung. Beide Regierungen versuchen, die Verantwortung für die chronische Verschmutzung bei der jeweils anderen abzuladen. Dies erschwert es, einen gemeinsamen politischen Willen zu bilden und die Politik zwischen den Beteiligten zu koordinieren.
Das gilt auch mit Blick auf zuverlässige Luftqualitätsmaße. Indiens Messwerte gelten als weniger streng als die Standards der WHO.
"Lokale Regierungen müssen umfassende Daten zur Luftqualität melden", sagt Ashish Sharma, Programmmanager für Luftqualität am WRI India Ross Center for Sustainable Cities. "Dabei haben sie bisweilen allerdings Bedenken. So fürchten sie mögliche Reputationsrisiken oder Auswirkungen auf ihren Haushalt." Wolle man realistische Lösungen vorantreiben und die Öffentlichkeit effektiv in die Diskussion einbeziehen, sei eine transparente und präzise Datenerfassung darum unverzichtbar.
"Während Metropolen wie Delhi über relativ starke Kontrollsysteme verfügen, benötigen kleinere Städte in Nordindien dringend mehr Aufmerksamkeit. Viele Überwachungsstationen funktionieren entweder nicht oder es mangelt ihnen an effektiver Qualitätskontrolle. Das untergräbt die Bemühungen, aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, auf deren Grundlage sich Standards zur Luftqualität formulieren ließen."
Der Weg in die Zukunft
Bis vor Kurzem galten Delhi und Peking als die Städte mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit. Doch inzwischen steht Delhi allein an der Spitze. Peking konnte seine Luftverschmutzung durch eine stärkere Haushaltsplanung und einen Vorstoß in Richtung erneuerbarer Energien erheblich reduzieren.
Zwar stellen Emissionskontrolle, Stadtplanung und politische Zusammenarbeit eine gewaltige Herausforderung dar. Doch kann sich Delhi vom Beispiel anderer Städte inspirieren lassen.
"Um die 1950er Jahre hatten Städte wie London und Los Angeles mit schweren Luftverschmutzungskrisen zu kämpfen", sagt Sharma. "Sie ähnelten dem, was heute Delhi erlebt." Die Lösung habe nicht in einem einzigen, schnellen Schritt bestanden. "Vielmehr bestand diese aus einer Reihe strenger Richtlinien, technologischer Innovationen und langfristiger Strategien. London wandte sich von der kohlebasierten Energieerzeugung ab und reduzierte die Emissionen aus stark umweltbelastenden Industrien. In Los Angeles lag der Schwerpunkt zudem auf der Umgestaltung des Transportwesens."
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.