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PolitikAsien

Decoding China: EU-China-Gipfel vor großen Hindernissen

Dang Yuan
30. November 2023

Wie sollen EU und China zusammenkommen, wenn sie sich gleichzeitig als Rivalen definineren? Diese Frage soll der EU-China-Gipfel am 7. Dezember beantworten.

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PK EU-China-Gipfel | Ursula von der Leyen
(Archiv) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim EU-China-Gipfel 2022Bild: Kenzo Triboulliard/AFP

Die spannungsreiche Ausgangslage vor dem EU-China-Gipfel am 7. Dezember in Peking lässt sich am Beispiel der E-Mobilität illustrieren: Was vor 20 Jahren Kühlschränke, Haartrockner und Waschmaschinen aus China waren, sind heute E-Autos. Sie fahren heute auf allen Kontinenten. Dabei wurde die Autoindustrie Jahrzehnte lang von europäischen, japanischen und amerikanischen Herstellern dominiert. Heute betont China gerne, der größte E-Auto-Hersteller der Welt zu sein und der ehemaligen Konkurrenz davonzufahren. Nach chinesischer Statistik wurden in der ersten Hälfte 2023 mehr als eine halbe Million E-Autos exportiert. Das entspricht einem Wachstum von 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Wie die Haushaltsgeräte damals sind Chinas Exportschlager heute vor allem eins: preiswert. Zu preiswert, glaubt die EU-Kommission. "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Das verzerrt unseren Markt." Die Weltmärkte würden derzeit von "billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt". Im September kündigte sie die Einleitung der Ermittlung wegen Subventionen an.

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Hohe Attraktivität des EU-Binnenmarkts

Ursula von der Leyen reist am 7. Dezember nach Peking. Dort findet der EU-China-Gipfel statt. EU-Ratspräsident Charles Michel wird sie begleiten. Zum ersten Mal seit vier Jahren sitzen Spitzenpolitiker der EU und Chinas wieder an einem Tisch, um direkt miteinander zu sprechen. Die 65-Jährige wird dort wahrscheinlich ihre Entscheidung über die Ermittlung gegen die E-Autos aus China verteidigen müssen, denn sie hat großen Unmut in der chinesischen Führung ausgelöst.

Chinas Handelsministerium bezeichnete den Schritt im September als "Protektionismus pur". Die Ankündigung störe und verzerre die globalen Lieferketten der Automobilindustrie erheblich. China setze trotzdem auf grüne Mobilität und unterstütze Europa im Kampf gegen den Klimawandel, hieß es weiter.

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Große Marktoffensive

"Derzeit planen 26 chinesische E-Autohersteller den Markteintritt in Deutschland bis 2025", sagt Bernd Diepenseifen von der Beratungsgesellschaft KPMG. "Diese Anzahl macht schon deutlich, was demnächst passiert. Auch wenn die Stückzahlen noch niedrig sind, würde das bedeuten, dass der Anteil der deutschen Hersteller sinken wird und muss. Das ist mathematisch bedingt."

Der Schlüssel für den rasanten Einzug von E-Autos liegt in der Batterietechnik, so Diepenseifen weiter. Auf dem Ranking von Bloomberg New Energy Finance (NEF) über die Wettbewerbsfähigkeit der globalen Lieferkette für Lithium-Ionen-Batterien steht China auf Platz eins. Die größten Batteriehersteller der Welt sind alle chinesisch. "China hat Zugang zu Rohstoffen und verfügt über die größten Produktionskapazitäten und Absatzmärkte."

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Fairer Wettbewerb

Doch Chinas aktuelle Poleposition im Rennen um die Elektro-Mobilität ist hart umkämpft. Dabei geht es nicht nur um Handel und Ingenieurskunst, sondern auch um politische Fragen. Xiao Feng, Professor an der Chinesisch-Deutschen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (CDHAW) der Tongji Universität in Shanghai wies schon im Coronajahr 2022 auf den geopolitischen Faktor in der E-Mobilität hin. "Systemwettbewerb und Differenz der Wertvorstellung" seien die größten Herausforderungen für die Autoindustrie. "China und Europa sind die treibenden Kräfte im Bereich der Elektroautos", sagte Feng im Oktober 2022 auf einem chinesisch-deutschen Autosymposium in China, "aber auch Konkurrenten".

Die Ankündigung der Untersuchung durch die EU ist nur ein Ausdruck des Systemwettbewerbs zwischen Brüssel und Peking. Die EU führte schon 2020 einen Prüfmechanismus für ausländische Direktinvestitionen ein, das sogenannte Screening. Damit können Investitionen, die ein Risiko für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellen, verhindert werden. So soll vor allem chinesischen Investoren der Einstieg in die kritische Infrastruktur der EU-Länder erschwert werden.

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Ferner warb Kommissionspräsidentin von der Leyen in diesem Frühjahr für ein Screening für europäische Investition in China. Die EU müsse verhindern, dass Kapital und Expertise europäischer Unternehmen dazu beitragen, "die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu verbessern, die auch Systemkonkurrenten sind", sagte von der Leyen.

Große Handelspartner, aber kein fairer Wettbewerb

Die EU ist vor den USA der größte Handelspartner Chinas. In den etwa drei Minuten, die seit Beginn der Lektüre dieses Beitrags bisher verstrichen sind, wurden rein rechnerisch Waren und Dienstleistungen im Wert von etwa fünf Millionen US-Dollar zwischen Europa und China abgewickelt. Die Handelsbilanz betrug 2022 fast 850 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Bilanz zwischen China und den USA belief sich auf 690 Milliarden Dollar.

Protektionismus schadet deutscher Exportwirtschaft

Schon 2019 definierte die EU, lange bevor die deutsche Bundesregierung ihre China-Strategie in diesem Sommer vorstellte, China als "Kooperationspartner", "wirtschaftlichen Konkurrenten" und "Systemrivalen".

Die Bundesregierung habe diesen Dreiklang von der EU übernommen, erklärte Martin Thümmel, Beauftragter für Ostasien, Südostasien und Pazifik des Auswärtigen Amts. "Wer gegen diesen Dreiklang polemisiert, polemisiert nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen die EU. Das charakterisiert sehr deutlich die komplexen Beziehungen, die wir zu China unterhalten, die sich eben nicht mit einem schwarzen oder weißen Bild vereinfachen lassen, sondern von vielen Grautönen gekennzeichnet sind."

EU auch "Großmacht"

"China betrachtet Europa als Museum und Shoppingmall, wo der Widerstand gegen die repressive chinesische Innen- und Außenpolitik eher beschränkt ist und chinesische Firmen alles käuflich erwerben können", sagt Axel Berkofsky, Politikprofessor an der italienischen Universität Pavia im Interview mit der DW.

"China wird sich nun darauf einstellen müssen, Europa nicht nur als eine schwache mittelgroße Macht anzuerkennen, die dann doch einen Kotau machen wird, weil es mehr Autos und Maschinen nach China verkaufen will", sagt Berkofsky im DW-Interview, der auch das Asien-Programm am italienischen Institute for International Political Studies in Mailand leitet. "Zwar hat keiner etwas gegen den Ausbau von Handelsbeziehungen. Aber es geht um Reziprozität."

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Das neue europäische Selbstbewusstsein deutet sich mit dem Vorgehen gegen etwaige chinesische Subventionen an. "Die Europäische Union ist nicht unbedingt der geopolitisch stärkte Akteur. Handelspolitisch und investitionspolitisch hat die EU-Kommission aber schon Gewicht und kann sich als Großmacht verstehen."

Diplomatische Eiszeit

So legte die EU-Kommission die Ratifizierung des Investitionsabkommens (EU-China Comprehensive Agreement on Investment, kurz CAI) vorerst auf Eis. Auslöser waren diplomatische Zerwürfnisse 2021, nachdem die systematische Unterdrückung von Uiguren in der Autonomen Region Xinjiang bekannt geworden waren. Brüssel und Peking verhängten gegenseitig Sanktionen gegen Politiker und Institutionen.

Während des Treffens in Peking ist Winter. Der EU-China-Gipfel fällt in eine Eiszeit der bilateralen Beziehungen. Ob es gelingt, für Tauwetter zu sorgen, bleibt abzuwarten. China verlegte sich im Vorfeld auf diplomatische Floskeln. Anlässlich der Feier zu 20 Jahren umfassende strategische Zusammenarbeit zwischen EU und China am Dienstag sagte Vizeaußenminister Sun Weidong beim Treffen mit Enrique Mora, Vizegeneralsekretär vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD): "China und Europa sehen gleichzeitig Chancen und Herausforderungen. Wir müssen die Kerninteressen des Partners verstehen."

Dabei ist offensichtlich, dass die Kerninteressen beider Seiten in einem Spannungsverhältnis stehen, da Handel und Politik keine voneinander getrennten Sphären sind.

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.