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Debatte um NPD-Verbot nimmt Fahrt auf

1. Dezember 2011

Die Verhaftung eines ehemaligen hochrangigen NPD-Funktionärs und mutmaßlichen Unterstützers der Neonazi-Terrorzelle aus Zwickau gibt der Debatte um ein Verbot der rechtsextremen Partei neuen Auftrieb.

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Mitglieder und Anhänger der NPD-Jugendorganisation, marschieren (Archivbild: dpa)
Mitglieder und Anhänger der NPD-Jugendorganisation marschierenBild: picture-alliance/dpa

Das Verbotsverfahren werde kommen, meint der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Nach der Diskussion der vergangenen Tage könne der Staat es sich kaum noch leisten, auf einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht, die NPD zu verbieten, zu verzichten, sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag (01.12.2011). Bislang stand Bosbach einem solchen Vorstoß eher ablehnend gegenüber. Auch andere CDU-Politiker sehen nach der Verhaftung des ehemaligen NPD-Vizevorsitzenden von Thüringen, Ralf Wohlleben, gestiegene Chancen für ein Verbot der NPD.

Spurensicherung nach dem mutmaßlichen Neonazi- Mord an einer Polizistin im April 2007 in Heilbronn (Foot: dpa)
Spurensicherung nach dem mutmaßlichen Neonazi-Mord an einer Polizistin im April 2007 in HeilbronnBild: picture alliance/dpa

Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, sagte im Deutschlandfunk, bei Verbindungen der Partei zu dem Zwickauer Neonazi-Trio sei ein Verbot "unumgänglich". "Eine Demokratie kann nicht dulden, dass eine Partei zur Umsetzung ihrer politischen Ziele sich des Terrors bedient."

Beratungen von Bund und Ländern

Am Mittwochabend tagte auf Initiative des CDU-Politikers erstmals eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Verbotsverfahren. Sie diskutiert in Magdeburg laut Stahlknecht, ob die V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD außer Dienst genommen werden sollen.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Archivbild: dpa)
Das Bundesverfassungsgericht in KarlsruheBild: picture-alliance/ dpa

An der unklaren Rolle von V-Leuten in der Partei war 2003 ein erster Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht gescheitert. Er halte die Verbindungsleute nicht für zwingend, sagte Stahlknecht. Natürlich werde es dadurch aber schwieriger, die Szene zu beobachten. "Auf der anderen Seite stellt sich natürlich schon die Frage: Was haben die V-Leute die letzten zehn Jahren bewirkt?", erklärte Stahlknecht.

SPD bekräftigt Verbotsforderung

Für die oppositionellen Sozialdemokraten bekräftigte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier die Forderung nach einem neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. Man müsse die rechtsextreme Partei neu in den Blick nehmen, sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagausgabe). Die Biografie der Täter zeige, dass die Trennung zwischen einer parlamentarisch aktiven NPD und einer gewaltbereiten Szene außerhalb von ihr künstlich gewesen sei. Steinmeier wörtlich: "Dort ist ein Netzwerk entstanden, in dem die Beteiligten mit verteilten Rollen spielen. Sie arbeiten aber gemeinschaftlich daran, die Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft zu zerstören."

Debatte um V-Leute hält an

Skeptisch werden die Chancen für ein NPD-Verbot hingegen vom früheren Generalbundesanwalt Kay Nehm beurteilt. In einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag) warf Nehm die Frage auf, aus welcher Quelle eine erfolgsversprechende Begründung für ein NPD-Verbot gespeist werden solle, wenn die V-Leute abgezogen seien.

Der Rechtsextremist Wohlleben flankiert von Polizisten 2007 während einer NPD-Demonstration (Foto: dpa)
Der Rechtsextremist Wohlleben flankiert von Polizisten 2007 während einer NPD-DemonstrationBild: picture-alliance/dpa

Nehm befürchtet zudem einen ausufernden Streit darüber, wie weit die abgeschalteten V-Leute "das Wollen und Tun der Partei dauerhaft kontaminiert haben".

Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, unter dessen Vorsitz der Zweite Gerichtssenat 2003 das Verbotsverfahren wegen der V-Leute-Problematik eingestellt hatte, sieht diese Entscheidung in der heutigen Debatte überinterpretiert. Sie bedeute nicht, alle V-Leute müssten auf jeden Fall aus dieser Partei entfernt werden, sagte Hassemer.

Bekannter Rechtsextremist

Ex-NPD-Mann Ralf Wohlleben sitzt seit Dienstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord vor. Unter anderem soll er der Zwickauer Terrorgruppe eine Schusswaffe und Munition besorgt haben. Das Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe wird für insgesamt zehn Morde, Sprengstoffanschläge und Überfälle auf Banken verantwortlich gemacht. Wohlleben soll seit 1995 in rechtsextremistischen Kreisen in Thüringen aktiv gewesen sein. Seit den 90er-Jahren soll er in engem Kontakt mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gestanden haben.

Autor: Michael Wehling (dpa, afp, dapd, rtr)
Redaktion: Manfred Schrader