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"Das Misstrauen wächst mit jedem Toten"

Max Borowski5. Oktober 2013

Nach dem Mord an muslimischen Geistlichen ist es in Kenia zu Ausschreitungen gegen Christen gekommen. Karsten Dümmel, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nairobi, beklagt eine Kultur der Gewalt im Land.

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Feuerwehrmänner bei Löscharbeiten nach dem Anschlag auf eine Kirche in Mombasa (Quelle: AP Photo)
Feuerwehrmänner bei den Löscharbeiten nach dem Anschlag auf eine Kirche in MombasaBild: picture-alliance/AP Photo

Deutsche Welle: In der kenianischen Hafenstadt Mombasa ist es nach dem Mord an mehreren muslimischen Geistlichen zu Ausschreitungen, unter anderem auch gegen christliche Einrichtungen, gekommen. Sind diese Ereignisse symptomatisch für die Situation in Kenia nach dem islamistischen Terroranschlag auf das "Westgate"-Einkaufszentrum in der Hauptstadt Nairobi im September?

Karsten Dümmel: Die Gewalttaten gegen Christen in Mombasa sind nicht symptomatisch für Kenia. Symptomatisch ist aber leider, dass man Gewalt einsetzt, um Probleme zu lösen.

Wie sehr haben sich die Stimmung im Land und das Verhältnis zwischen den Religionen seit dem Westgate-Anschlag geändert?

Man steht sich einerseits mit einem gewissen Misstrauen gegenüber. Auf der anderen Seite gibt es auf allen Seiten, bei den Christen genauso wie bei den Muslimen, demonstrative Schulterschlüsse. Man zeigt: Wir lassen uns nicht von Terroristen auseinandertreiben. Das machen beide Seiten vorbildlich. Inwieweit das bei der Bevölkerung verankert ist, ist aber schwer einzuschätzen. Da gibt es eben auch dieses Misstrauen, das mit jedem Anschlag und mit jedem Toten wächst.

Karsten Dümmel, Regionalleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nairobi (Foto: privat) Quelle: Wikipedia Description Deutsch: deutscher Schriftsteller Date 4 September 2012, 15:38:56 Source Own work Author Freseniust
Karsten Dümmel, Regionalleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in NairobiBild: cc-by-sa/Freseniust

Wer repräsentiert die Mehrheit der Muslime in Kenia, die Hassprediger, die es ja offenbar auch gibt, oder die Geistlichen, die sich so aktiv um den interreligiösen Dialog bemühen?

Es gibt auf jeden Fall beide. Es gibt die, die glaubhaft versuchen, aufeinander zuzugehen und zu versöhnen. Und es gibt auf der anderen Seite auch die Hassprediger, denen aber auch sehr oft von den Medien ein Mikrofon vor die Nase gehalten wird.

Inwieweit haben - vor allem gegen Muslime gerichtete - Sicherheitsmaßnahmen seit dem Westgate-Anschlag zu Misstrauen dieser Gruppe gegenüber dem Staat und der Polizei geführt?

Ich sehe das weniger als Konflikt zwischen Christen und Muslimen, sondern als generelles Problem in Kenia, dass man anderen ethnischen Gruppen misstraut. Wenn die Polizisten an einem Ort überwiegend zu einer bestimmten Gruppe gehören, dann misstrauen alle anderen diesen Polizisten. Man sagt nicht, das sind unsere Polizisten, sondern man sagt, das sind die Polizisten jener Gruppe. Solche Konflikte gibt es zwischen muslimischen und christlichen Bevölkerungsgruppen wie auch innerhalb der einzelnen Religionen.

Kenia hat eine traurige Geschichte ethnischer Gewalt. Nach den Wahlen 2007 starben bei einem der schlimmsten Gewaltausbrüche zwischen Volksgruppen im Land etwa 1000 Menschen. Was hat sich seitdem getan?

Bei der Aussöhnung hat sich viel getan. Es gibt viele Trainings, Schulungen und auch internationale Programme, um zu erklären, dass Gewalt kein langfristiger Weg für eine Konfliktlösung ist. Die Sensibilisierung dafür in den einzelnen ethnischen Gruppen hat sich verbessert. Aber in dem Moment, in dem wieder Unrecht geschieht gegen Leute einer ethnischen Gruppe, da brechen sich die Emotionen immer noch Bahn, dann setzt der Verstand aus.

Gibt es in Kenia derzeit Angst, dass Spannungen mit Muslimen das Ausmaß der Gewalt von 2007/08 erreichen könnten?

Natürlich gibt es immer Angst. Kenia ist generell ein Land, das stark von Gerüchten lebt. Aber ich spüre das derzeit nicht. Wenn ich in Mombasa bin, finden sich in unseren Workshops und Seminaren Muslime neben Christen - vom einfachen Bürger bis zum Politiker - wieder und arbeiten zusammen.

Könnte der furchtbare Anschlag auf das Westgate-Center am Ende zumindest in dem Sinne eine positive Wirkung haben, dass er Christen und Muslime im Angesicht der Gewalt zusammenschweißt?

Genau das hat schon stattgefunden. Während die Armee versuchte, die Geiseln in dem Center zu befreien, gab es Muslime - besonders somalische Kaufleute -, die Soldaten mit Wasser und Essen versorgten. Das ist von der Bevölkerung auch als Schulterschluss wahrgenommen worden. Wie lange der allerdings trägt, kann ich nicht einschätzen. Auf der anderen Seite gibt es eben auch die Nachrichten von Massenverhaftungen, vor allem unter somalischen Muslimen, mit Zahlen, bei denen mir schwindelig wird. Das schürt natürlich wiederum großes Misstrauen in dieser Gruppe gegenüber dem Staat und der restlichen Bevölkerung.

Karsten Dümmel ist Leiter des Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Das Gespräch führte Max Borowski.