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Das Auto der Zukunft: VW, BMW und Daimler jagen Tesla

Klaus Ulrich
5. März 2021

Die Autoindustrie ist mitten im Umbruch. Experten sind sich einig: Softwaregetriebene Unternehmen werden künftig die Branche beherrschen. Platzhirsche wie VW, Daimler und BMW könnten das Nachsehen haben.

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Konzept Selbstfahrendes Fahrzeug
Bild: Colourbox/Neirfy

Wer sich heute ein Auto kauft, fährt es üblicherweise fünf bis sieben Jahre bis zur Anschaffung eines Fahrzeugs einer neuen Modellreihe. "In Zukunft wird sich das Auto alle drei Monate ändern", sagt Claus Gruber, Experte für Automotive Software der Unternehmensberatung Strategy& im Gespräch mit der DW. "Sie werden durch Software-Updates neue Funktionen und natürlich auch Sicherheits-Features bekommen, ähnlich wie wir das heute von Smartphones und Laptops gewohnt sind."

Der promovierte Ingenieur ist Mitautor einer Studie, die die Voraussetzungen für den Wandel zur softwaregetriebenen Autoindustrie beschreibt. Danach werden sich die Entwicklungskosten für die Software neuer Modellreihen in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Autonome Fahrfunktionen sind dabei mit einem Anteil von 45 Prozent die größten Kostentreiber.

Das Auto der Zukunft wird elektrisch angetrieben, vernetzt und "intelligent" im Hinblick auf automatisiertes Fahren. Hinzu kommt ein digitales Bord-Entertainment. Unterschiedliche Share-Mobility-Plattformen erfordern weitere Software-Funktionen.

Volkswagen Abgasskandal Symbolbild
In Zukunft "Over the Air": Software-Update für das Steuergerät Motorelektronik Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Zentralcomputer werden Kontrolle übernehmen

In heutigen Autos herrscht ein wahrer Flickenteppich mit Dutzenden elektronischen Steuergeräten, etwa für den Motor, die Klimaanlage oder die Fensterheber. In Zukunft werden diese einzelnen Steuergeräte zusammengefasst in wenigen leistungsfähigen Computern, den sogenannten Domain-Controllern. "Diese Zentralcomputer sind das Gehirn des Autos und steuern dann alle Funktionen", erklärt Gruber.

Die Software wird über einen verbauten Mobilfunkchip via 5G-Netz "Over the Air" regelmäßig aus der Cloud upgedated, wie bei Smartphones bekannt. Werkstattbesuche sind dafür nicht notwendig.

Software wird entscheidender Qualitätsfaktor

Für die Autoindustrie erfordert diese Entwicklung eine Neuausrichtung der Unternehmenskultur. Es reiche nicht mehr, hochqualitative Fahrzeuge zu bauen, sagt Gruber. "Wir werden die Funktionen mehr und mehr in Software realisieren. Dementsprechend muss sich auch ein Automobilunternehmen ändern in der Kultur, in der Art und Weise wie das Produkt entsteht, hin zu einem Software-Unternehmen."

Funktioniert eine Smartphone-App mal nicht so, wie sie soll, ist das nicht weiter schlimm. Im Auto kann so eine Fehlfunktion schlimme Folgen haben. Die Software für Fahrzeuge, in denen Passagiere befördert werden, muss besonders sicher und robust gegenüber Störungen sein.

Deutschland Claus Gruber
Claus Gruber, Director bei PwC Strategy&, DeutschlandBild: Strategy & Deutschland

Da aber die Softwareindustrie ihre Probleme noch nicht hundertprozentig gelöst hat, wie jeder PC-Nutzer aus schmerzlicher Erfahrung weiß, fordert Unternehmensberater Gruber neue Kooperationen. "Die Autoindustrie und ihre Zulieferer müssen mit der Technologieindustrie zusammenarbeiten, um gemeinsam diese neuen Funktionen in wirklich guter Qualität und Sicherheit liefern zu können."

Zusammenarbeit ist Trumpf

Der Experte geht davon aus, dass sich letztendlich zwei bis drei neuentwickelte Betriebssysteme, sogenannte Operating Systems (OS) für die automobile Software der Zukunft herauskristallisieren werden.

Apple-Logo im Seitenspiegel
Technologieriesen wie Apple suchen ihre Chance in der AutomobilbrancheBild: picture-alliance/dpa/J. G. Mabanglo

"Wir kennen das von unseren Rechnern, auf denen hauptsächlich eines der drei gängigen Betriebssysteme läuft", so Gruber, "oder von unseren Smartphones, wo wir im Wesentlichen die Auswahl zwischen zwei Betriebssystemen haben."

Warum Tesla mehr wert ist als VW, BMW und Daimler zusammen

Klar ist: Unternehmen, die diese Betriebssysteme entwickeln, winkt das große Geschäft. Genau wie den Software-Schmieden. Denn in der Softwarebranche sind Margen von 50 Prozent und mehr üblich.

Der Autobauer Tesla hat bereits angekündigt, seine Software für automatisiertes Fahren zu lizensieren und bei Bedarf auch an Konkurrenten zu verkaufen. Die Vormachtstellung in diesem Bereich erklärt vielleicht ein wenig, warum der US-Autobauer mit einer Marktkapitalisierung von rund 670 Milliarden Euro inzwischen mehr als dreimal so viel wert ist wie VW, Daimler und BMW zusammen.

Logos AUDI, Volkswagen, BMW, Mercedes Benz und Porsche
Logos deutscher AutoherstellerBild: picture-alliance/U. Baumgarten

"Was, wenn die Softwareriesen das stolze Autoland Deutschland künftig zur verlängerten Werkbank degradierten?", fragt die Wirtschaftswoche provokant. Schließlich wollen neben Tesla auch Tech-Giganten wie Apple oder Google in das Geschäft mit dem Auto der Zukunft einsteigen.

Deutsche Autobauer reagieren

Die deutschen Autobauer sind jedoch bereits dabei, hauseigene Betriebssysteme zu entwickeln, die teilweise schon verbaut werden. BMW ist da Vorreiter, das hauseigene Betriebssystem BMW OS 7 wird seit 2018 in den Neuwagen der Bayern installiert. Mercedes-Benz entwirft gerade für seine Autos die Plattform MB.OS. VW baut derzeit eine Car-Software-Organisation auf, deren Ziel ein hauseigenes Betriebssystem namens VW.OS ist und arbeitet zusammen mit Microsoft auch an einer Automotiven Cloud.  

Solche Kooperationen sind ganz im Sinne des Software-Experten Claus Gruber. Denn seiner Meinung nach muss die Transformation der Autoindustrie schnell gehen und sie wird relativ teuer sein. "Wir müssen die Ressourcen, die wir haben, und das digitale Talent bündeln. Meine Empfehlung an die Automobilindustrie ist, zukünftig noch mehr zusammenzuarbeiten, mehr das Gemeinsame zu wagen." Denn nur gemeinsam werde man die erforderliche Geschwindigkeit erreichen können. Für Einzelkämpfer seien die Risiken viel zu groß.