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Politik

Test-Chaos an deutsch-polnischer Grenze

Agnieszka Hreczuk
25. März 2021

Deutschland hat die Regeln für Einreisen aus Polen verschärft. Für Grenzgänger bedeutet dies stundenlanges Anstehen für Tests, zusätzliche Kosten und Ärger.

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Deutschland Polen l Coronavirus - Verkehrsaufkommen auf der Stadtbrücke, Slubice
Hohes Verkehrsaufkommen auf der Stadtbrücke Słubice - Frankfurt/OderBild: Agnieszka Hreczuk

Zum Glück, sagt Tomasz, sei das Wetter in Ordnung. Wenn es regnen würde, hätten sie zwar einen negativen Corona-Test gehabt. Dafür aber hätten sie sich wohl ziemlich sicher erkältet.

Die Grenzbrücke in Frankfurt/Oder zu Anfang dieser Woche. Eine lange Warteschlange erstreckt sich vor dem Corona-Testzentrum, sie reicht bis in die Siedlung auf polnischer Seite. Auch Tomasz steht an.

Er arbeitet zusammen mit seiner Schwester Joanna in einem Warenlager in Berlin und pendelt täglich zwischen der Bundeshauptstadt und Słubice an der Grenze. Genau wie rund 70.000 weitere Menschen im deutsch-polnischen Grenzgebiet.Ihr Leben wurde komplizierter, seitdem die Bundesregierung am vergangenen Sonntag Polen als Hochrisikogebiet eingestuft hat. Seitdem müssen auch Pendler einen negativen Corona-Test vorweisen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte diese Regelung schon Mitte März eingeführt und schon damals zwei Testzentren an den Grenzübergängen eingerichtet. Nun sollte Brandenburg nachziehen.

Deutschland Polen l Coronavirus - Warten vor Testzentrum in Slubice
Auf polnischer Seite: Warteschlange vor dem Testzentrum in SłubiceBild: Agnieszka Hreczuk

Die Einrichtung von sechs Reisetestzentren direkt an der Grenze sollte die Überfahrt erleichtern. Dann stellte sich heraus, dass nur drei davon tatsächlich am Montag öffneten: in Frankfurt/Oder, an der Autobahn A12 nahe des Grenzübergangs Świecko und in Guben. Das COVID-Testzentrum an der Grenzbrücke in Frankfurt/Oder begann mit seiner Arbeit am Montag früh um sieben Uhr. Pendler, die morgens über die Grenze wollten, säumten die Straßen schon ab fünf Uhr, in der Hoffnung, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.

Jeder zahlt erst einmal selbst

Tomasz rief seine Firma sofort an, nachdem er sich in der Schlange angestellt hatte. "Es war klar, dass wir keine Chance hatten, es rechtzeitig zu unserer Schicht zu schaffen", sagt er. Sein Chef zeigte Verständnis. Nur hatte Tomasz nicht hinzugefügt, dass dies künftig wohl öfter passieren könnte. Grenzgänger müssen in Brandenburg und Sachsen zweimal wöchentlich einen Test machen, in Mecklenburg alle 48 Stunden, in Berlin gibt es momentan keine Sonderregelung für Grenzgänger - und der Test, nicht älter als 48 Stunden, muss bei der Einreise vorliegen.

Deutschland Polen l Coronavirus - Tomasz hat Test gemacht
Tomasz (re. im Bild) hat das Testergebnis in der Hand: NegativBild: Agnieszka Hreczuk

"800 Złoty im Monat (umgerechnet 190 Euro, d.Red.) extra für Tests und niemand weiß, wie viele Stunden man in der Schlange steht", rechnet Tomasz verzweifelt. Die brandenburgische Landesregierung hat zwar angekündigt, die Kosten für die Tests zu übernehmen, aber bis zu diesem Zeitpunkt keine offizielle Zusage abgegeben. Jeder Testteilnehmer zahlte also am Montag erst einmal selbst: 100 Złoty, umgerechnet 23 Euro. Bar, an Ort und Stelle. "Vielleicht den Test auf dem Rückweg machen? Vielleicht sind die Warteschlangen dann kürzer?", fragt sich Tomasz.

"Die deutsche Seite hätte sich vorbereiten können"

Das Stichwort "L4", eine polnische Bezeichnung für Krankschreibung, ist am Montag oft in der Warteschlange zu hören. Nur wenige Menschen glauben, dass sie sich den Tests entziehen können. Ein paar Meter weiter, auf der Brücke, steht die Bundespolizei. Die Beamten kontrollieren die Reisenden in jedem Auto. Wer keinen Test hat, muss am Ortsschild "Frankfurt an der Oder" umkehren. Das sehen die Pendler, die in der Schlange auf den Test warten.

Deutschland Polen l Coronavirus - Polizeikontrolle
Auf deutscher Seite: Die Polizei kontrolliert jedes AutoBild: Agnieszka Hreczuk

Einige Zurückgewiesene parken auf der polnischen Seite und gehen dann zum Test. So wie Piotr und Marcin, die morgen zur Arbeit müssen, nahe der niederländischen Grenze. "Sie haben uns nicht reingelassen, obwohl wir einen Vertrag von unserem Arbeitgeber hatten", beschweren sie sich. Aber sie haben keine andere Wahl, als sich anzustellen.

Es herrscht Chaos und Unübersichtlichkeit. Das sieht auch Sören Böllmann so. Er leitet das Kooperationsbüro Frankfurt-Słubice, eine Organisation der Stadtverwaltung. "Diese Situation belastet die Stadt", sagt Böllmann. Täglich kommen allein nach Frankfurt mehr als 2000 polnische Arbeiter oder Studenten. Die Verschlechterung der epidemiologischen Situation in Polen sei keine Überraschung, sagt Böllmann. "Die deutsche Seite hätte sich besser vorbereiten können", fügt er hinzu. Man habe Zeit gehabt, sich Gedanken zu machen, wie man die Tests organisieren müsse, um lange Warteschlangen zu vermeiden, und zu klären, wer die Tests finanziere, so Böllmann. Doch bis jetzt sei all das unklar. "Es ist Sache des Staates, nicht der Stadt, die nichts dagegen tun kann, aber es ist die Stadt, die die Auswirkungen spürt."

Werden die Warteschlangen verschwinden?

Tomasz und seine Schwester machen schließlich, nach mehr als fünf Stunden, den Test. Nach 15 Minuten bekommen sie das Testergebnis, handschriftlich eingetragen, mit ihren persönlichen Daten. Das Ergebnis ist negativ. Für den nächsten Tag bedeutet das: Die beiden können sicher und pünktlich nach Berlin fahren. Wie es danach weitergeht, wissen sie nicht.

Deutschland Polen l Coronavirus - Soeren Boellmann
Sören Bölmann vom Kooperationsbüro Frankfurt/Oder - SłubiceBild: Agnieszka Hreczuk

Anfang der Woche bestätigte die brandenburgische Landesregierung, dass Grenzgänger, die im Land Brandenburg Sozialversicherungsbeiträge zahlen, mindestens einen Test pro Woche kostenlos machen können, und zwar in den Testzentren des Landes oder bei ihrem Arbeitgeber, wenn dieser eine solche Möglichkeit anbietet. Diejenigen, die in Berlin arbeiten, wie Tomasz, werden weiterhin selbst bezahlen müssen.

Weitere Testzentren sollen bald an der brandenburgischen Grenze eingerichtet werden: in Gubinek, Krajnik Dolny und Kostrzyn. Sören Böllmann hofft, dass die Warteschlangen dank der neuen Zentren und der Tatsache, dass auch in Brandenburg arbeitende Polen die Tests bei deutschen Zentren und Arbeitgebern ablegen dürfen, verschwinden werden. Und dass die Polen sich nicht krankschreiben lassen werden. Denn, so sagt er: "Das hätte fatale Folgen für die Region".