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Lagern und Liefern bei extremer Kälte

Ashutosh Pandey
26. August 2020

Corona-Impfstoffe müssen, wenn es sie denn gibt, weit reisen, bis sie bei den Patienten ankommen. Dabei passieren sie die kältesten Räume, die es auf der Erde gibt. Die Lieferanten bereiten sich schon einmal darauf vor.

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Niederlande | Gefrieranlagen von UPS
Bild: DW/A. Pandey

Lange, verwirrend gleichförmige, parallel verlaufende Gänge, flankiert von rund zwei Meter hohen Kühlschränken, in denen es jeweils  80 Grad Celsius kalt ist: Hier sollen COVID-19-Impfdosen zwischengelagert werden, bis sie ausgeliefert werden können.

Die Anlage, die etwa die Größe eines Fußballfeldes hat, ist eines von zwei Kühlhäusern, die das US-amerikanische Logistikunternehmen UPS baut, um darin mehrere Millionen Impfeinheiten zur Bekämpfung de Coronavirus lagern und um die gesamte Welt liefern zu können.

Diese Kühlhäuser sind Teil einer globalen Anstrengung, bei der Regierungen, internationale Organisationen, Pharmaunternehmen und Speditionsfirmen Milliarden von Dollar investieren, damit sie schnellstmöglich auf die Massenproduktion eines hoffentlich einmal zugelassenen Impfstoffes reagieren können. Sie bauen ihre Distributionsketten aus, um nicht im Fall, dass es einen Impfstoff gibt, unvorbereitet dazustehen.

Niederlande | Gefrieranlagen von UPS
In diesem "Extrem-Tiefkühlschränken" klettert das Thermometer nie über minus 80 Grad CelsiusBild: DW/A. Pandey

Auf alles vorbereitet

Gegenwärtig, so Anouk Hesen, Chefin von UPS Healthcare in den Niederlanden zur DW, würde das Unternehmen seine Erfahrungen und sein Fachwissen einsetzen, "damit wir einen Gang hochschalten können, um die Pharmaindustrie in ihrem Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen."

In den Kühlhäusern, die in der Nähe der Luftverkehrsdrehkreuze von UPS in den USA und Deutschland errichtet werden, werden 600 Kühleinheiten stehen, in denen jeweils 48.000 Impfdosen gelagert werden können. Die Tiefkühlschränke sollen die empfindlicheren Impfstoffe aufnehmen, darunter solche, die auf der sogenannten Messenger-RNA (mRNA) basieren: Sie sollen im menschlichen Körper Proteine produzieren können.

Hesen teilte nicht mit, ob ihre Firma bereits Kunden für die Kühlhäuser akquiriert hat. Sie sprach der DW gegenüber lediglich von "führenden Pharmaunternehmen", ohne Namen zu nennen. An Medikamenten auf mRNA-Basis arbeiten derzeit die US-Firmen Moderna, Pfizer und BioNTech sowie Curevac aus Deutschland und ein weiteres deutsche BioTech-Unternehmen.

Die Reise eines Impfstoffes

Sobald sie fertig wären, würden die Impfstoffe die Labore in speziellen, sehr gut isolierten Kisten, die mit Trockeneis oder gefrorenem Kohlendioxid gekühlt werden, verlassen. Diese Kisten würden in eines der Kühlhäuser gebracht, wo sie vorsichtig geöffnet und ihr Inhalt in den Kühlschränken eingelagert würden.

"Sie könnten in diesen Kühlhäusern nicht ohne Schutzkleidung (Personal Protective Equipment [PPE]) arbeiten. Daher rüsten wir unsere Mitarbeiter entsprechend aus, zum Beispiel mit Spezialhandschuhen und Schutzbrillen, damit sie mit den Produkten arbeiten können", so Hesen. "Räume mit solchen Temperaturen könnten sie sonst nicht betreten."

Auf Kundenwunsch würden die Impfdosen wieder in die Trockeneiskisten verpackt, die ihren Inhalt 96 Stunden auf Idealtemperatur halten können. Je nach Anforderung würde die Wiederverpackung in Räumen mit Temperaturen von minus 20 Grad oder bei "Kühlschranktemperaturen" zwischen minus 2 und minus 8 Grad Celsius erfolgen.

Die Impfstoffe würden dann per Luftfracht weiterbefördert, damit ein stabiler Zustand gewährleistet werde könnte. UPS gibt an, für eine "Über-Nacht-Zustellung" zu fast jedem Ort des Planeten sorgen zu können - Dank der Nähe der Kühlhäuser in Louisville (US-Bundesstaat Kentucky) und in der Venlo-Roermond-Region (im Osten der Niederlande, an der Grenze zur Bundesrepublik) und ihrer jeweiligen Flughäfen. Daneben wird die Firma auch an anderen Orten Kühllager errichten, darunter in Frankfurt am Main und im Vereinigten Königreich.

Niederlande | Gefrieranlagen von UPS
Der "Kühlschrank" im niederländischen Roermond - hier herrschen Temperaturen von knapp unter null Grad CelsiusBild: DW/A. Pandey

Atypische Umstände

Während die Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen in bislang beispiellosem Tempo erfolgt, gibt es überhaupt keine Daten oder Erfahrungswerte in Bezug auf ihre Empfindlichkeit oder Stabilität. UPS will nun mit Impfstoffforschern und US-Behörden herausfinden, wie eine Versorgungskette aussehen könnte.

Einige Experten erwarten, dass die ersten Dosen unter "Impfstoff-atypischen" Umständen transportiert werden müssten, und zwar bei minus 20 oder sogar bei  minus 80 Grad Celsius - eine echte Herausforderung für jedes Logistikunternehmen.

Forschung unterstützen

UPS sammelt wichtige praktische Erfahrungen: Eine ihrer Einheiten liefert Anti-COVID-19-Seren für klinische Untersuchungen unter strengen Auflagen. Die Firma aus Atlanta im US-Bundesstaat Georgia war bereits daran beteiligt, größere Mengen von Schutzkleidung für Krankenhauspersonal, Corona-Tests und Ausrüstungen für Intensivstationen zu liefern.

Zurzeit gib es fast 170 Impfstoffentwicklungen, 30 von ihnen werden bereits klinisch erprobt, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Nicht alle dieser möglichen Impfstoffe müssten bei -80 Grad gelagert werden, die robusteren könnten ihre Wirksamkeit auch bei höheren Temperaturen behalten.

UPS erweitert seine Kapazitäten auch für diese Stoffe, wie man an den Reihen leerer gelber Regale im Kühlhaus in Roermond erkennen kann, das für Temperaturen von -2 bis -8 Grad Celsius ausgelegt ist.

Anouk Hese verrät nicht, wie viel ihre Firma in ihre COVID-19-Impfstoff-Bemühungen investiert hat, sagt aber, dass die Kühlhäuser Teil des Ausbaus der Health-Care-Sparte von UPS sind. Die Firma geht davon aus, dass sie auch nach dem Ende der Pandemie noch gebraucht werden.

Adaption aus dem Englischen von Dirk Kaufmann