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Politik

Plant Merkel den noch härteren Lockdown?

14. Januar 2021

Binnen 24 Stunden sind weitere 1244 Menschen an oder mit dem Virus gestorben. Das Robert-Koch-Institut verliert allmählich die Geduld - und die Kanzlerin offenbar auch.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Schutzmaske
Maske allein reicht nicht mehr - Bundeskanzlerin Angela Merkel Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Bundeskanzlerin Angela Merkel will schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Das machte Merkel am Abend in einer Online-Sitzung des CDU-Präsidiums nach Informationen von mehreren Teilnehmern deutlich. Es gebe derzeit keinen Spielraum für Öffnungen. Einen Termin für die nächste Runde mit den Regierungschefs der Länder nannte Merkel demnach nicht.

Sorge wegen Virusvariante aus Großbritannien 

Die in Großbritannien aufgetauchte Variante des Coronavirus verbreite sich viel schneller als die ursprüngliche Form, Wissenschaftler seien in großer Sorge, sagte Merkel demnach weiter. Einen Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach im Kanzleramt über die Einstellung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs nachgedacht wird, wies sie nach Angaben der Teilnehmer zurück.  

Innerhalb der letzten 24 Stunden meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 1244 Todesfälle - ein neuer Rekordwert. Zudem meldeten die Gesundheitsämter bundesweit 25.164 Neuinfektionen. Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland ist nach Einschätzung von RKI-Präsident Lothar Wieler derzeit "wichtiger denn je". Es sei noch nicht abschätzbar, wie sich die auch in Deutschland aufgetretenen Mutationen des Coronavirus verbreiteten, sagte Wieler in Berlin. Deshalb appellierte er nochmals eindringlich zum Verzicht auf nicht notwendige Reisen.

"Deutschland zwei Wochen runterfahren"

Wieler rief auch dazu auf, dass mehr Menschen zum Schutz vor Ansteckungen im Homeoffice arbeiten sollten. "Jetzt schützt die Heimarbeit die Gesundheit von uns allen - dazu brauchen wir noch mehr verantwortungsvolle Arbeitgeber", sagte Wieler. 

"Es gibt immer noch zu viele Ausnahmen"

Der RKI-Präsident kritisierte die derzeit geltenden Einschränkungen als nicht ausreichend - "diese Maßnahmen, die wir jetzt machen - für mich ist das kein vollständiger Lockdown, es gibt immer noch zu viele Ausnahmen." Wieler befürwortete eine Verschärfung als "Option". RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann ergänzte, es sei eine "totale Konsensaussage" aller Modellberechnungen, dass die Lockdownmaßnahmen weiter verschärft werden müssten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen.

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, zeigt sich zuversichtlich bei der Dauer des Impfschutzes einer Corona-Impfung. "Ich glaube, dass der Impfschutz für einen längeren Zeitraum anhalten wird, aber wir müssen hierzu noch auf weitere Daten warten", sagte der Biochemiker der Deutschen Welle. Tests bei Affen hätten gezeigt, "dass schon ein niedriges Level von neutralisierenden Antikörpern ausreicht, um uns vor dem Virus zu schützen".

Das Paul-Ehrlich-Institut ist in Deutschland als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig. Es untersucht die Qualität von Impfstoff-Chargen und gibt sie frei.

Deutschland | Coronavirus | Klaus Cichutek
Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus CichutekBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig forderte vor dem Hintergrund der neuen Höchstwerte mehr Tempo beim Impfen. Es nutze nichts, wenn die Versorgung sich erst im zweiten Quartal bessere, sagte die SPD-Politikerin im ZDF. Allein in der Landeshauptstadt Schwerin brauche man 600 Impfdosen pro Tag, habe aber nur 600 pro Woche.

Landtagswahl in Thüringen wird verschoben 

Als Reaktion auf die dramatisch hohe Corona-Infektionszahlen wird die Wahl des Thüringer Landtags auf den 26. September verschoben. Darauf haben sich Linke, SPD, Grüne und CDU verständigt, wie ihre Spitzenpolitiker in Erfurt mitteilten. Das Parlament soll damit nicht wie bisher geplant Mitte Februar - und damit mitten in der Pandemie - aufgelöst werden, um vorgezogene Neuwahl am 25. April zu ermöglichen. Am 26. September wird auch der Bundestag, der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und das Abgeordnetenhaus in Berlin gewählt. Thüringens Linke-Fraktions- und Landesparteichefin Susanne Hennig-Wellsow sagte, dies sei angesichts der pandemischen Situation der frühestmögliche Zeitpunkt. In Thüringen regiert derzeit eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Sie ist auf eine Zusammenarbeit mit der oppositionellen CDU angewiesen. 

Lockdown bis Ostern?

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schließt eine Fortsetzung des aktuellen Lockdowns bis Ostern nicht aus. "Die Lage ist sehr ernst. Es wäre falsch, jetzt etwas auszuschließen", antwortete Laschet im "Kölner Stadt-Anzeiger" auf eine entsprechende Frage.

Susanne Johna ist die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund
Susanne Johna ist die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund Bild: Jürgen Heinrich/imago images

Angesichts anhaltend hoher Corona-Zahlen hält auch die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, eine Lockerung der Schutzmaßnahmen aktuell nicht für denkbar. Es schockiere sie als Ärztin, wie manche über Lockerungen diskutierten, so als ob es nur darum gehen müsste, die älteren Mitbürger richtig zu schützen und dann könne alles so weitergehen wie vor Corona, sagte Johna dem Radiosender SWR2. 

England verschiebt Corona-Testpflicht

Die Einführung einer Corona-Testpflicht für Reisen nach England ist um drei Tage aufgeschoben worden. Sie soll nun erst vom kommenden Montag an gelten. Der britische Verkehrsminister Grant Shapps begründete dies am Donnerstag auf Twitter, man wolle "internationalen Einreisenden Zeit geben, sich vorzubereiten". Künftig ist die Einreise in England dann nur noch mit einem negativen Corona-Test möglich. Die Regel soll am Montag um 4.00 Uhr Ortszeit in Kraft treten. Sie gilt auch für Briten.

Iberische Halbinsel im Krisenmodus

Portugal verhängt von diesem Freitag an einen neuen Lockdown. Dabei sei die Arbeit von zu Hause aus, wo immer möglich, Pflicht, sagt Ministerpräsident Antonio Costa. Schulen sollen geöffnet bleiben. "Die Regel ist ganz einfach: Wir sollten alle zu Hause bleiben." Die Pandemie habe ihre gefährlichste Phase erreicht. Bislang wurden in dem Land rund 507.000 Ansteckungs- und mehr als 8200 Todesfälle verzeichnet. Damit liegt Portugal bezogen auf die Bevölkerungszahl weltweit an sechster Stelle der Länder mit den höchsten Infektionsraten innerhalb der vergangenen sieben Tage.

Im benachbarten Spanien steigen die Infektionszahlen weiter rasant. Das Gesundheitsministerium meldete am Mittwoch mit 38.869 Neuinfektionen den höchsten Anstieg innerhalb eines Tages seit Ausbruch der Pandemie. Insgesamt wurden bislang 2,18 Millionen Ansteckungen bekannt. An oder mit dem Virus starben weitere 195 Menschen, insgesamt 52.878.

Italien Rom | Coronavirus | Passanten
In Italien gilt in einigen Regionen auch die Maskenpflicht im FreienBild: Cecilia Fabiano/Zuma/picture alliance

Italiens Regierung will im Kampf gegen die Corona-Pandemie weiterhin auf strenge Regeln setzen - mit einer möglichen Aussicht auf mehr Normalität. Bis zum 15. Februar seien Reisen zwischen den Regionen weiter untersagt, teilte die Regierung in der Nacht zu Donnerstag nach einer Sitzung des Ministerrates mit. Ausnahmen gelten wie zuvor etwa in Zusammenhang mit dem Beruf, der Gesundheit oder einem Notfall. Der Ministerrat beschloss zudem, den Corona-Notstand bis zum 30. April zu verlängern. Auch die nächtliche Ausgangssperre bleibt bestehen.

sti/nob/se (rki, rtr, dpa, afp)