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Chodorkowski: Kein Engagement in Russland

22. Dezember 2013

Der von Kremlchef Putin begnadigte Ex-Öl-Milliardär Chodorkowski will sich politisch in Russland nicht einmischen - und auch nicht um sein altes Vermögen kämpfen. Das sagte er auf einer Pressekonferenz in Berlin.

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Michail Chodorkowski gibt Pressekonferenz in Berlin (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Chodorkowski: Keine Rückkehr nach Russland

Der russische Regierungsgegner Michail Chodorkowski will nach seiner Begnadigung durch Kremlchef Wladimir Putin auf einen Machtkampf in Russland verzichten. "Ich verstehe besser als die Oppositionellen, wie gefährlich das vor allem für sie in erster Linie wäre", sagte der nach zehn Jahren Lagerhaft freigelassene Chodorkowski auf einer Pressekonferenz im Mauermuseum am Checkpoint Charlie in Berlin. Zudem verzichte er auf einen neuen Rechtsstreit um den inzwischen zerschlagenen Ölkonzern Yukos. "Ich werde nicht um meine Yukos-Anteile kämpfen", so Chodorkowski.

Als Chef des größten russischen Ölkonzerns Yukos war der Unternehmer einst zum reichsten Mann Russlands geworden. Nach öffentlicher Kritik an Putin und der Unterstützung der Opposition fiel er in Ungnade und kam 2003 in Haft. Nun sagte er, dass er anders als zu Zeiten von Yukos heute nicht mehr in der Lage sei, als Sponsor aufzutreten. "Ich habe diese finanziellen Möglichkeiten nicht, wirklich nicht."

Chodorkowski betrachtet sich weiter als unschuldig

Zur Rolle der Opposition sagte er: "Die Opposition hat derzeit keine starken Perspektiven, aber sie sind viel besser als noch vor zehn Jahren." Chodorkowski gilt immer noch als Multimillionär. "Ich kenne meine finanziellen Verhältnisse derzeit nicht. Das Geld reicht mir zum Leben. Fußballvereine werde ich nicht kaufen", sagte er. "Ich werde nicht Politik betreiben, das heißt, um die politische Macht kämpfen", sagte der 50-Jährige.

Chodorkowski: Keine Rückkehr nach Russland

Putin hatte seinen Gegner am Freitag aus humanitären Gründen begnadigt. Seine Freilassung nach zehn Jahren Haft sei aber "kein Symbol für grundlegende Veränderung im Land", betonte Chodorkowski. Trotz seines Gnadengesuches an Putin sieht er sich weiterhin als unschuldig an. "Die Macht wollte immer von mir ein Schuldbekenntnis, doch das war unannehmbar für mich." Das Gesuch habe er ohne schriftliches Schuldeingeständnis unterzeichnet.

Vorerst keine Rückkehr in die Heimat

In zwei international umstrittenen Verfahren wurde er unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls verurteilt. Regulär wäre seine mehrfach reduzierte Haftzeit im August 2014 zu Ende gewesen. Er kritisierte die Urteile erneut als Ergebnisse von politischer Willkürjustiz. Zu seiner Klage gegen Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sagte er, dass die Arbeit fortgesetzt werde.

Zudem hatte der einst berühmteste politische Gefangene Russlands deutlich gemacht, dass er sich weiter einsetzen wolle dafür, dass auch andere inhaftierte frühere Yukos-Mitarbeiter wieder auf freien Fuß kommen. Auf die Frage, ob er dem russischen Präsidenten dankbar sei, sagte er nur: "Ich freue mich über seine Entscheidung."

Zuvor hatte Chodorkowski in einem Interview der kremlkritischen Zeitschrift "The New Times" erklärt, vorerst nicht nach Russland zurückzukehren. "Wenn ich zurückkehre, könnten sie mich ein zweites Mal schon nicht mehr rauslassen, weil es formell viele Gründe gibt, für die man mich festhalten kann", sagte er. Er glaube, dass sich Putin mit der Begnadigung auch deshalb leichtgetan habe, weil er direkt nach Deutschland ausgereist sei.

Chodorkowski gibt eine Pressekonferenz in Berlin vor zahlreichen Journalisten (Foto: picture-alliance/dpa)
So viel Presse-Auftrieb war lange nicht mehr in der BundeshauptstadtBild: picture-alliance/dpa

Dank an Genscher und Merkel

Ausdrücklich dankte Chodorkowski dem ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Hilfe bei seiner Freilassung. Ohne die "Anstrengungen" Genschers wäre er nicht in Freiheit. Für die entsprechenden Verhandlungen sei jemand nötig gewesen, der sowohl für Putin vertrauenswürdig sei als auch für ihn selbst, sagte Chodorkowski. "Ich war mit Herrn Genscher bekannt und habe gesagt, dass ich bereit bin, ihm in dieser Frage zu vertrauen."

Die Begnadigung durch Putin sei letztlich mit Blick auf seine familiäre Situation erfolgt. Chodorkowski ließ zugleich offen, wie lange er in Deutschland bleiben wird. Er habe noch keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Familie darüber zu sprechen. Sein Visum für die Bundesrepublik gelte für ein Jahr. Zusammen mit seiner Frau Inna hat der Ex-Milliardär drei Kinder. Aus erster Ehe hat Chodorkoswki einen weiteren Sohn. Auch zu seinen weiteren Plänen erklärte der ehemalige Ölmagnat, er habe noch keine Entscheidung getroffen. Über seine Zukunft wolle er mit Freunden sprechen.

Für Timoschenkos Freilassung, gegen Olympia-Boykott

Angesichts der prowestlichen Massenproteste in der Ukraine forderte der Kremlgegner die Freilassung der dort inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Er hoffe, dass der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch die frühere Regierungschefin in die Freiheit entlasse. Das Schicksal der schon mehrere Wochen lang von proeuropäischen Protesten erschütterten Ex-Sowjetrepublik lasse ihn nicht gleichgültig, weil er auch viele Verwandte in der Ukraine habe.

Chodorkowski sprach sich schließlich gegen einen Boykott der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi im Februar aus. Die Winterspiele seien ein "Fest des Sportes, ein Fest für viele Millionen Menschen". Man sollte dieses Fest nicht verderben, aber man sollte es auch nicht gerade zu einem persönlichen Fest für Putin machen.

sti/haz (afp, dpa, rtr)