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Cosco darf beim Hamburger Hafen einsteigen

11. Mai 2023

Nach langem Streit gibt es nun grünes Licht für den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Terminal Tollerort - aber eingeschränkt.

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Hamburger Hafen: Ein Containerschiff der Reederei COSCO wird am Terminal Tollerort abgefertigt
Ein Containerschiff der Reederei COSCO wird am Terminal Tollerort abgefertigtBild: intern + HHLA Presse/Thies Rätzke

Nach montagelangem Streit hat die Bundesregierung den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in ein Containerterminal der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) mit einem Anteil von unter 25 Prozent endgültig genehmigt. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwochabend mit. Allerdings gibt es Kritik aus dem Wirtschaftsministerium: "Es gab abweichende Einschätzungen bei der Beurteilung des Beteiligungserwerbs", sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters.

Cosco wollte ursprünglich 35 Prozent der Betriebsgesellschaft der Container Terminal Tollerort GmbH übernehmen. In der Bundesregierung war jedoch ein heftiger politischer Streit entbrannt über die Frage, ob eine chinesische Beteiligung zugelassen werden soll. Das Kabinett beschloss im vergangenen Oktober eine sogenannte Teiluntersagung, die nur einen Anteilserwerb von Cosco unter 25 Prozent zulässt. Ein weitergehender Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts wurde untersagt.

Nach der Einstufung des Terminals zur kritischen Infrastruktur

Im April dieses Jahres hatte das Bundeswirtschaftsministerium dann mitgeteilt, die geplante Transaktion wegen der Einstufung des Containerterminal Tollerort als kritische Infrastruktur erneut zu prüfen. Das Wirtschaftsministerium habe deshalb im Rahmen seiner Prüfung eine Absenkung der genehmigten Beteiligungsschwelle von 25 Prozent vorgeschlagen, hieß es in dem Ressort. Weil damit der Kabinettsbeschluss geändert werden müsste, wäre aber Einstimmigkeit in der Ampel-Regierung erforderlich gewesen. Diese Einstimmigkeit wurde aber nicht erreicht.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich für den Erwerb ausgesprochen. Das Außenministerium und andere Ressorts hatten in der Vergangenheit schwere Bedenken zur Entscheidung des Kabinetts geäußert. Zum Zeitpunkt der Investitionsprüfung durch das Wirtschaftsministerium im Herbst war das Terminal noch nicht als kritische Infrastruktur eingestuft. Dies geschah Anfang 2023, wie HHLA mitteilte.

Hamburg, Hafen | HHLA Logistics Container Terminal Tollerort am Hamburger Hafen
Anfang 2023 wurde der Containerterminal Tollerort (Bild) im Hamburger Hafen zur kritischen Infrastruktur erklärtBild: H. Blossey/picture-alliance

Uneinigkeit in der Politik

Schon im Oktober hatte sich etwa das Kanzleramt gegen die Kritik vor allem von Grünen- und FDP-geführten Ministerien durchgesetzt. Diese hatten vor einem zu großen Einfluss Chinas auf europäische Häfen gewarnt, weil Cosco bereits Minderheitsbeteiligungen an einer Reihe anderer Häfen besitzt. Der Fall Cosco wurde deshalb auch im Kontext der in der Regierung diskutierten neuen China-Strategie gesehen. Die Regierung will zwar keine Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von China, aber ein De-Risking, also eine Risikominimierung, wie Außenministerin Annalena Baerbock gerade erst wieder betonte.

Das Kanzleramt hatte wie die Stadt Hamburg und der Hafen aber darauf verwiesen, dass mit der Minderheitsbeteiligung von Cosco an einer Betreibergesellschaft etwa kein Grunderwerb im Hafen verbunden sei. Zudem wurde darauf verwiesen, dass es auch Beteiligungen europäischer Reedereien an chinesischen Häfen gebe. Cosco sei zudem bereits seit Jahrzehnten Kunde im Hamburger Hafen, es gebe eine harte Konkurrenz zwischen europäischen Häfen um das China-Geschäft.

"Die Bundesregierung bleibt dabei, dem chinesischen Staatsunternehmen Cosco den Erwerb eines Anteils des HHLA Containerterminal Tollerort GmbH (HHLA CTT) in Teilen zu untersagen", hieß es nun seitens des Regierungssprechers mit Blick auf die untersagte ursprüngliche 35-Prozent-Beteiligung und den nun genehmigte 24,99-Prozent-Einstieg. Die Bundesregierung habe am Mittwoch den Erwerbsparteien in, einem Schreiben mitgeteilt, dass die überarbeiteten Kaufverträge im Einklang mit den Bedingungen der Teiluntersagung stehen. Zudem wird betont, dass der Containerterminal Tollerort nun als Betreiber von kritischer Infrastruktur gemäß den gesetzlichen Vorgaben gelte.

Infografik COSCO Häfen Europa DE

Lob vom Hamburger Hafen und aus der Industrie

Der Logistikkonzern HHLA begrüßte die Entscheidung, Cosco die Beteiligung von 24,99 Prozent zu erlauben: "Die Entscheidung ermöglicht es, den CTT nun zu einem bevorzugten Umschlagpunkt des langjährigen HHLA-Kunden Cosco auszubauen, wo Ladungsströme zwischen Asien und Europa konzentriert werden."

Auch die deutsche Industrie begrüßt die Entscheidung bezüglich Cosco. Sie sei gut für den Investitionsstandort Deutschland, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbandes BDI, Tanja Gönner, am Donnerstag. "Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität Deutschlands und der EU erfordern die grundsätzliche Offenheit für ausländische Investitionen an unserem Standort, auch aus China." Die Volksrepublik sei der größte Handelspartner Deutschlands und des Hamburger Hafens, ergänzte Gönner. "Es ist vernünftig, die Wirtschaftsbeziehungen zu China auszubauen - selbst bei wachsenden geopolitischen Spannungen."

China ist nach HHLA-Angaben derzeit der größte Handelspartner Deutschlands und des Hamburger Hafens. Rund 30 Prozent der Waren, die im Hamburger Hafen umgeschlagen würden, kämen aus China oder ginge dorthin. Die Minderheitsbeteiligung von CSPL sichere Beschäftigung und stärke Hamburgs nationale und internationale Bedeutung als Logistikstandort sowie die Industrienation Deutschland. Rund 1,35 Millionen Arbeitsplätze hingen in Deutschland von den Häfen ab.

Mehr Schutz von kritischer Infrastruktur geplant

Mit der Frage, was zur kritischen Infrastruktur zählt, beschäftigt sich das Bundesinnenministerium. Die Frage, ob eine Investition ausländischer Unternehmen in bestimmte Einrichtungen genehmigt wird oder nicht, wird dem Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt. Dass die Bundesregierung Einrichtungen, die mit Verkehr, Kommunikation und Energieversorgung zusammenhängen, seit einigen Monaten noch einmal gründlicher auf ihre Widerstandsfähigkeit hin überprüft, hängt auch mit zwei Ereignissen aus dem vergangenen Jahr zusammen. Denn sowohl der Sprengstoffanschlag auf die Nord-Stream-Pipelines im September als auch der Sabotageangriff auf das Funknetz der Deutschen Bahn im Oktober haben den Verantwortlichen die bestehenden Risiken deutlich vor Augen geführt.

Hackerangriffe auf Krankenhäuser, Stadtverwaltungen und andere wichtige Einrichtungen, um die sich das BSI kümmert, hatte man zwar vorher auch schon auf dem Schirm, Angriffe in der analogen Welt, bei denen Pipelines oder Kabel zerstört werden, aber weniger. Voraussichtlich noch vor dem Herbst soll das Kabinett für einen besseren Schutz der kritischen Infrastruktur ein „Kritis-Dachgesetz" beschließen. In den dazu bereits vorgelegten Eckpunkten heißt es, der Staat solle eine größere Verantwortung beim Schutz kritischer Infrastrukturen übernehmen.

iw/hb (rtr, dpa, afp)