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PolitikAsien

Chinesin singt prorussisches Lied im besetzten Mariupol

Mu Cui
12. September 2023

Eine chinesische Künstlerin hat vergangene Woche im besetzten Mariupol das russische patriotische Lied Katjuscha aus der Sowjetzeit gesungen. Kritik daran kam auch aus China selbst.

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Ukraine: Prorussisches Militärfahrzeug vor einem zerstörten Theater in Mariupol
Ort einer zweifelhaften Aufführung: Das zerstörte Theater in MariupolBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Über diesen Auftritt haben selbst die chinesischen Staatsmedien nicht berichtet. Wang Fang, eine eigentlich nicht besonders berühmte Musikerin in China, steht im zerstörten Theaterhaus der besetzten Hafenstadt Mariupol in der Ukraine und sing das patriotische Lied Katjuscha aus der Sowjetzeit.

Doch die chinesischen Sozialmediaplattformen wie Weibo sorgten für weitreichende Aufmerksamkeit. Das Video über den Auftritt, das am 7. September ursprünglich von russischen Propagandamedien Sputnik veröffentlicht wurde, erreichte millionenfache Re-Posts.

Wütend verurteilte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, den Auftritt als "Beispiel für völligen moralischen Verfall". Er forderte von der chinesischen Seite eine Erklärung zu dem Auftritt. Das chinesische Außenministerium schweigt allerdings wie bisher auch die Staatsmedien zu diesem Vorfall.

Dagegen meldet sich der Ehemann der Opernsängerin zu Wort. Zhou Xiaoping ist ein bekannter patriotischer Blogger und Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz Chinas. In den sozialen Medien verteidigt er den Auftritt seiner Frau in der Ruine des Mariupoler Theaterhauses mit lobenden Worten. Wang Fang sei "die Rose des Schlachtfelds”. Er räumte aber gleichzeitig ein, dass er selbst nicht nach Mariupol gereist sei, "um unnötigen Ärger zu vermeiden", weil er ein politisches Amt bekleide.

Warum ist dieser Auftritt so umstritten?

Nach übereinstimmenden russischen Medienberichten reiste Opernsängerin Wang Fang nicht allein nach Mariupol in der besetzten ukrainischen Region Donezk, sondern mit einer "inoffiziellen" Delegation mehrerer "patriotischer" Künstlerinnen und Bloggerinnen. Sie sei "auf Einladung" hingereist, ergänzt der Ehemann. Es bleibt unklar, wer sie eingeladen hat. Die Delegation wurde aber offiziell empfangen. Gleich nach Wang Fangs Auftritt hat sie sich mit Denis Wladimirowitsch Puschilin, dem Chef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, getroffen.

Außenministerin Baerbock in Kiew

Viele chinesische Internetnutzer kritisieren, dass Wang Fang ausgerechnet das Lied Katjuscha gesungen hat. Denn es handelt sich um ein Stück, das im Zweiten Weltkrieg unter sowjetischen Soldaten populär wurde, als sie gegen Nazi-Deutschland in den Kampf zogen. Die russische Propaganda behauptet unter anderem, die Ukraine sei von Nazis unterwandert. "Abgesehen davon, ob man als Chinese pro- oder antirussisch sein soll, gibt es jedoch zahlreiche andere russische Lieder wie 'Moskauer Nächte', die ideologisch nicht so aufgeladen sind," so ein Weibo-Nutzer. Ein anderer kritisiert, Katjuscha in der Ruine des Mariupoler Theaterhauses sei "eine Prise Salz auf die offene Wunde des ukrainischen Volkes".

Das Theatergebäude hat nämlich eine brisante Geschichte: Im März 2022, wenige Wochen nach dem Beginn des Angriffskriegs, wurde das Theaterhaus vom russischen Militär bombardiert. Dabei sollte bekannt gewesen sein, dass zahlreiche Zivilisten in dem Gebäude Schutz suchten. Mehr als 600 Menschen sind in und im Umkreis des Gebäudes ums Leben gekommen. Der Nachrichtenagentur AP zufolge sei dies einer der schwersten russischen Bombenangriffe auf Zivilisten in der Ukraine gewesen.

"Das ist nicht, was China braucht", kritisiert selbst Hu Xijin, der ehemalige Chefredakteur der nationalistischen staatlichen Zeitung "Global Times". Dem Auftritt Wang Fangs stimme er "persönlich nicht zu".

Ehemann der Sängerin: Theaterruine Symbol gegen ukrainische "Nato-Söldner"

Doch Ehemann Zhou Xiaoping möchte offenbar nicht nachgeben. Auf Weibo behauptete er, dass das Theaterhaus eigentlich von ukrainischen "Nazis" bombardiert worden sei. Die Ruine des Theaterhauses sei ein Symbol des Kampfgeistes der lokalen Bevölkerung gegen "ukrainische Soldaten und NATO-Söldner". Und weiter: "Wenn sie im Februar letzten Jahres nicht um Hilfe von Putin gebeten hätten, hätten die Ukrainer längst einen Genozid durchgeführt." Daher seien die "Tapferkeit und Entschlossenheit" seiner Frau nur zu loben.

Ex-Chefredakteur Hu Xijin stellte klar, dass das nur persönliche Meinungsäußerungen von Wang Fang und Zhou Xiaoping seien. Sie hätten mit der neutralen Haltung des chinesischen Staates nichts zu tun. "Denn das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine, nicht Chinas Krieg. Er dürfte keinesfalls Chinas Krieg werden", so der ehemalige Chef der Staatszeitung.

Inzwischen haben die chinesischen Behörden offenbar auf die heißen Diskussionen reagiert, allerdings nicht in Form einer öffentlichen Stellungnahme, sondern mit einer großen Löschaktion: In den chinesischen in sozialen Medien wie Weibo oder WeChat sind fast sämtliche Berichterstattung und Diskussionen um diesen Vorfall zensiert worden, auch die Posts auf der offiziellen Weibo-Seite von Sputnik oder auf persönlichen von Zhou Xiaoping und Hu Xijin.