Cheerleading - mehr als Puscheln und Posen
30. September 2019Junge Frauen, die in kurzen Röckchen und mit Puscheln ein bisschen herumtanzen, um die Pausen von Basketball- oder Footballspielen unterhaltsamer zu gestalten - so ist in Deutschland oftmals die klischeehafte Wahrnehmung von Cheerleading. Während viele die seit 2016 auch vom Internationalem Olympischen Komitee (IOC) anerkannte Sportart nur belächeln, ist sie anderen gar ein Dorn im Auge, weil sie Gender-Stereotype verfestige.
Prinzip "Jungs machen's und Mädchen jubeln" ist veraltet
Die Debatte wurde neu entfacht, als Ende letzter Woche Basketball-Bundesligist Alba Berlin mitteilte, künftig auf die Auftritte seiner Cheerleaderinnen zu verzichten. Zur Begründung erklärte Geschäftsführer Marco Baldi: "Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt." Bei den Heimspielen von Alba Berlin sei der Eindruck entstanden, dass Frauen vor allem für die tanzende Pausenunterhaltung zuständig seien, während Männer Basketball spielten, hieß es weiter. Deshalb trenne man sich von den Alba Dancers und wolle stattdessen "zukünftig noch stärker fördern, dass Frauen im Basketball als Spielerinnen sichtbar und zu Vorbildern werden".
Die Cheerleaderinnen zeigten sich darüber enttäuscht, dass die Zusammenarbeit nach 25 Jahren nun vorbei ist. Trainerin Valesca Stix sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich kann verstehen, wenn man sich umorientieren möchte, aber die Begründung finde ich persönlich falsch." Auch viele andere Stimmen aus dem Sport meldeten sich mit eher kritischen Reaktionen zu Wort. Der Cheerleading und Cheerperformance Verband Deutschlands (CCVD), der rund 20.000 Mitglieder umfasst, betonte den Charakter des "Cheerleadings als eigene Wettkampfsportart", in der sowohl Weltmeister- als auch Europameistertitel vergeben werden.
In den sozialen Netzwerken sprachen Nutzer unter dem Hashtag #deeplychauvinistic unter anderem von "falsch verstandener Political Correctness" und davon, dass "Männer meinen, Frauen vorschreiben zu können, welche Art von Emanzipation diese gefälligst zu leben haben - Nichts verstanden!".
Als Gehopse verkannter Leistungssport
Auch Ilse Hartmann-Tews, Leiterin des Instituts für Soziologie und Genderforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, kann die Entscheidung von Alba Berlin nicht nachvollziehen: "Die Argumentation hat mich schon sehr überrascht, weil Cheerleading mittlerweile eine hochprofessionelle Sportart ist." Oft gezogene Vergleiche von Cheerleadern etwa mit "Grid Girls", die im Motorsport knapp bekleidet Startnummern hochhalten oder Pokale übergeben, weist Hartmann-Tews zurück. "Das ist wirklich eine völlig andere Kategorie." In der Tat erschöpft sich Cheerleading mitnichten darin schmückendes Beiwerk zu sein oder in Anfeuerungsrufen und dem Winken mit bunten Puscheln. Vielmehr sind auch komplexe Tanzchoreographien, akrobatische Hebefiguren und Elemente des Bodenturnens Teil der Sportart. Dafür trainieren Cheerleader oft viele Stunden pro Woche.
So auch Miriam Krusy vom SC Unterbach in Düsseldorf, dessen Teams schon mehrfach bei der Deutschen Meisterschaft gewonnen haben und auch bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft in Japan dabei sind. Die Vorurteile gegen die von ihr seit acht Jahren praktizierte Sportart machen die 20-Jährige traurig: "Viele haben keine Ahnung, was Cheerleading eigentlich ist. Es geht nicht darum, Männer zu unterhalten, sondern es steckt viel mehr dahinter und ich würde mir wünschen, dass das anerkannt wird." Übrigens seien Auftritte bei Sportveranstaltungen, Messen, Stadtfesten und ähnlichen Events für viele Teams wichtig, um die Kosten für Wettkämpfe und Trainingslager zu finanzieren.
Mehr gemischte Mannschaften gegen Stereotype?
Zudem gebe es mittlerweile auch viele gemischte Mannschaften - so wie ihre eigene: "Wir haben zwei Jungs im Team, die bei den Wettkämpfen auch immer mit dabei sind." Bei anderen Auftritten seien allerdings meist nur die Mädchen beziehungsweise Frauen zu sehen. Auf die Frage, ob eine verstärkte Sichtbarkeit männlicher Cheerleader auch bei Pausenauftritten nicht vielleicht Vorurteile abbauen könnte, antwortet Krusy zustimmend.
So ähnlich lautete denn auch der Vorschlag von Horst Seehofer. Wenn "die Besetzung nur mit Frauen als nicht mehr zeitgemäß" empfunden werde, könne man gemischte Tänzergruppen bilden, so der für Sport zuständige Innenminister gegenüber der "Bild am Sonntag". "Das würde auch viel stärker unsere Gesellschaft und die Zusammensetzung der Fans abbilden."
Hartmann-Tews fügt im DW-Gespräch hinzu, dass die sexistische Anmutung, die manche Cheerleader-Auftritte haben könnten, auch eine Frage der Anmoderation sei: "Wenn man das als Sportart ankündigt und deutlich macht, was dahinter steckt, kriegt die Darbietung der Cheerleader auch gleich eine ganz andere Konnotation."
Es hätte also für Alba Berlin durchaus andere Möglichkeiten gegeben, dem Image der Cheerleader als "attraktive Pausenfüller" entgegenzuwirken, anstatt die Zusammenarbeit mit den Alba Dancers komplett aufzugeben. Die haben sich mittlerweile aufgelöst. "Die jüngeren Mitglieder sind bei befreundeten Teams oder im Friedrichstadtpalast untergekommen. Die älteren suchen sich einen neuen Sport", so Trainerin Stix.