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Chávez wertet ab

11. Januar 2010

Erstmals seit Jahren hat Venezuela seine Währung massiv abgewertet, um einen Abfluss an Dollar-Kapital einzudämmen und etwas gegen das hohe Haushaltsdefizit zu unternehmen.

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Hamsterkäufe in einem Elektrogeschäft in Caracas am Wochenende, Foto: ap
Die Ankündigung zur Entwertung der Währung führte zu Panikkäufen im ganzen LandBild: AP

Die meisten Venezolaner saßen gerade zu Hause vor dem Fernseher und verfolgten die Übertragung eines Baseballspiels, als ihr Präsident Hugo Chávez überraschend verkündete, die einheimische Währung "Bolívar Fuerte" drastisch abzuwerten. Was folgte, war am Wochenende ein Sturm auf die Geschäfte - vor allem importierte Elektro-Artikel wie Fernseher oder Computer waren gefragt, bevor die Preise explodieren.

Hugo Chávez beim Besuch einer Erdölförderungsanlage, (Archiv) Foto: dpa
Venezuelas wichtigste Einnahmequelle: ErdölBild: Picture-Alliance /dpa

Seit diesem Montag (11.01.10) verdoppelt sich der für Industrie und Importe ausschlaggebenden Wechselkurs von bisher 2,15 auf 4,30 Bolivar je US-Dollar. Chávez kündigte zudem die Einführung eines "Doppel-Kurssystems" an. Danach wird der Kurs für "vorrangige Güter" "nur" auf 2,60 Bolivar angehoben. Je nach Wirtschaftssektor verliert der Bolivar somit im Verhältnis zum US-Dollar zwischen 17 und 50 Prozent.

Zu viel ausgegeben

In den vorrangigen Bereich fallen unter anderem Lebensmittel, Medikamente, Maschinen, technische Geräte und Bücher. Der ungünstigere Kurs wird unter anderem auf Autos, Telekommunikationsgeräte, Elektrogeräte, Tabak, Getränke, Chemikalien und petrochemische Produkte angewendet. Die Änderungen sollten die venezolanische Wirtschaft stärken, "nicht dringend notwendige Importe" bremsen und die Exporte ankurbeln, hieß es aus der Regierung.

Ausstellung bei der Einführung des 'Bolívar Fuerte', (Archiv, Foto: ap)
Der Bolívar Fuerte ist schon lange nicht mehr starkBild: AP

Als Grund sieht Professor Federico Foders die expansive Fiskalpolitik Venezuelas: Der Staat hatte sich in den vergangenen Jahren mit seinen Ausgaben übernommen, so dass das Haushaltsdefizit mittlerweile rund 7 Prozent des Bruttoinlands beträgt. "Das hat dazu geführt, dass die Inflation die höchste Lateinamerikas ist und wenn man am Wechselkurs festhält, dann kommt es zu einer Überbewertung und man muss abwerten", so der Lateinamerika-Experte am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.

Venezuela, Südamerikas größter Ölproduzent, war wegen der gesunkenen Ölpreise infolge der weltweiten Wirtschaftskrise vergangenes Jahr in eine Rezession geraten und hat mit einer Inflationsrate von 25 Prozent zu kämpfen. Durch die Abwertung dürften vor allem die öffentlichen Einnahmen Venezuelas aus den Ölexporten steigen, glaubt Foders: "Die Regierung bekommt nun pro Dollar für verkauftes Öl 4,30 US-Dollar, sie braucht aber nur 2,60 aufzuwenden, wenn sie etwas im Ausland kauft. Die Regierung steht sehr gut da, die Bevölkerung leider nicht mehr so gut", so sein Urteil.

"Schwarzer Freitag"

Chávez verteidigte die Maßnahme als "gerecht und notwendig": "Wir werden mehr Produkte konsumieren, die in Venezuela für Venezolaner hergestellt werden", versicherte Chávez; die Opposition hingegen sprach von einem "schwarzen Freitag". Sie warnte, die Abwertung gehe allein zulasten der Bevölkerung. Künftig müssten die Venezolaner für viele Produkte das Doppelte bezahlen, kritisierte der Oberbürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma. Die Abwertung werde zudem die hohe Inflation beschleunigen. "Ich kann nur hoffen, dass es die Ärmsten der Armen nicht noch schlimmer trifft", sagte auch der Erzbischof von Caracas, Roberto Lückert Leon der Zeitung "El Nacional" und sprach von einem harten Schlag. "Ich hoffe, dass wir diese Probleme lösen, ohne dass die Bedürftigen weitere größere Opfer bringen müssen."

Das Elendsviertel der venezulanischen Hauptstadt Caracas (Archiv, Foto: DW)
Die Regierung steht gut da, die Bevölkerung nicht.Bild: picture-alliance / dpa

Unterdessen warnte Chávez die Händler in seinem Land davor, die Abwertung des Bolívar für exzessive Preissteigerungen zu missbrauchen. Im Fall von Spekulationen könne er die Enteignung dieser Geschäfte anordnen, drohte er am Sonntag in seiner Sendung "Aló, Presidente". Zugleich rief er Militär und Polizei auf, auf die Straßen zu gehen und die Preisstabilität zu kontrollieren. "Es gibt keinen Grund für irgendwelche Preisanhebungen!", sagte er. Der Bevölkerung bringe das jedoch wenig, so der Wirtschaftswissenschaftler Foders: "Gemessen an Kriterien wie Arbeit, Versorgung und Bildung geht es den meisten Venezolanern jetzt schon schlechter als vor zehn Jahren und nach dieser Abwertung richten sich viele darauf ein, dass es noch schlimmer kommen könnte."

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Oliver Pieper