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Bundestag: Hitzige Debatte um Migrationspolitik

31. Januar 2025

Im Bundestag wird ein Gesetz zur Asyl-Verschärfung abgelehnt. Die Debatte darüber wühlt das Land auf. Denn die in Teilen rechtsextreme AfD hätte zum ersten Mal entscheidend für ein Gesetz sein können.

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Deutschland Berlin 2025 | Bundestag debattiert über Migrationspolitik | CDU-Chef Merz nach Antragserfolg
Stundenlange Pausen im Bundestag, heftige Debatten: Friedrich Merz am Freitag im ParlamentBild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Ein aufgewühltes Land, wilde Wortgefechte im Bundestag: Von Verrat ist die Rede, von Tabubruch. Es gab lautstarke Demonstrationen vor der Parteizentrale der konservativen CDU in Berlin. Die Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel, ebenfalls CDU, meldet sich mahnend zu Wort. Schauspieler und Künstler, die sich in einem offenen Brief besorgt um die Demokratie zeigen. Der hochbetagte, 99 Jahre alte Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg, der erschüttert sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben will. Es sind außergewöhnliche Tagen und Stunden in Deutschland, nicht nur in Berlin.

Erneute Zustimmung der AfD zu Unions-Antrag

Am Freitag verfehlte eine Gesetzesänderung, die CDU und CSU beantragt hatten, dann knapp eine Mehrheit. Zuvor hatten neben der Union die in Teilen rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD), die FDP und das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) Zustimmung signalisiert. Stundenlang hatten die Parteien der demokratischen Mitte zu Beginn der Sitzung darum gerungen, ob über diesen Antrag abgestimmt werden sollte. Für die SPD warf Fraktionschef Rolf Mützenich dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz vor, keine wirkliche Einigung mit den Sozialdemokraten und den Grünen gesucht zu haben. Erregt rief er Merz zu: "Das Prinzip friss oder stirb muss für immer vorbei sein."

Merz nimmt Stimmen der AfD in Kauf

Am Mittwoch dieser Woche hatte Merz erstmals mit den Stimmen der AfD einen rechtlich nicht bindenden Antrag im Bundestag zum Thema Asyl durchgebracht. Und das dreieinhalb Wochen vor den Neuwahlen am 23. Februar. Merz hat große Chancen, nächster Bundeskanzler des Landes zu werden. In den Umfragen führt seine Partei mit rund 30 Prozent. Am Freitag beteuerte er im Bundestag erneut, auch in Zukunft nicht mit der AfD zusammen arbeiten zu wollen.

Deutschland Berlin 2025 | Bundestag nach CDU-Antrag zur Migrationspolitik | Kanzler Scholz auf dem Weg zur Sitzung
Droht eine Entwicklung wie in Österreich? Bundeskanzler Olaf Scholz betritt den Bundestag und würdigt die AfD-Fraktion neben ihm mit keinem BlickBild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Scholz warnt vor Entwicklung wie Österreich

Verlässt die Union von CDU und CSU jetzt die politische Mitte, wie Kritiker ihr vorwerfen? Sucht sie in Zukunft Mehrheiten doch mit den in Teilen Rechtsextremen? Bundeskanzler Olaf Scholz regiert das Land zurzeit in einer Minderheitsregierung mit den Grünen. Jetzt warnte er vor Geschehnissen in Deutschland wie in Österreich, die noch vor kurzem undenkbar gewesen wären. Dort hätten, so Scholz zur Wochenzeitung "Die Zeit", die Parteien der Mitte zunächst versprochen, nicht mit der Rechts-Populisten FPÖ zu koalieren, "… und am Ende kommt jetzt eben doch möglicherweise eine Koalition mit denen und sogar ein FPÖ-Kanzler." Eine Entwicklung, die jetzt gerade in Deutschland beginnt?

Merz: "Vorwürfe an den Haaren herbeigezogen"

Friedrich Merz hält vehement dagegen: In einer Sitzung seiner Fraktion im Bundestag sagte Merz am Freitagmorgen, es sei "an dem Haaren herbei gezogen", dass er es auf eine Zusammenarbeit mit den Rechts-Populisten abgesehen habe. Wiederholt hatte er zuvor angekündigt, er werbe nicht um die AfD-Stimmen, es sei ihm egal, wer am Ende zustimme.

Ganz anders bewertet das Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Die hatte am Donnerstag eine Erklärung veröffentlicht, in der sie schrieb, noch vor kurzem habe Merz versichert, Mehrheiten nur mit den Parteien der demokratischen Mitte zu suchen: "Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen." Möglich, dass daraufhin einige Unions-Politiker entschieden haben, der Abstimmung über das Gesetz fern zu bleiben.

Deutschland Berlin 2025 | Bundestag nach CDU-Antrag zur Migrationspolitik | AfD-Führungsduo im Parlament
Für die in Teilen rechtsextreme AfD sind diese Tage im Bundestag ein sichtbarer ErfolgBild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Merkel gegen Merz, Merz gegen Merkel

Merz wiederum sagte dazu im Bundestag am Freitag, in den letzten Jahren habe das Land eine grundfalsche Migrationspolitik verfolgt. Und ohne Merkel beim Namen zu nennen, sagte er: "Und dafür trägt auch meine Partei eine gehörige Verantwortung. Wenn wir das damals besser gemacht hätten, wäre die AfD 2017 nicht in den Bundestag gekommen. Und sie wäre auch 2021 nicht wieder in den Bundestag gekommen."

Merz und Merkel: Das ist eine hoch-komplizierte Beziehung. Merkel hatte Merz 2002 als Fraktionschef der Union im Bundestag abgelöst, wurde 2005 Kanzlerin und drängte den konservativen Merz in den Hintergrund. Sie führte die Partei weit in die politische Mitte und übernahm zahlreiche politische Positionen etwa der SPD. Merz zog sich entnervt in die Privatwirtschaft zurück, um nach dem Rückzug Merkels aus der Politik 2021 erst wieder Fraktionschef und dann Parteivorsitzender zu werden. Die Entfremdung der beiden ist immer geblieben. Und jetzt erneut aufgeflammt.

Deutschland 70. Geburtstag Merkel in Berlin
Merz gratuliert Merkel zum 70. Geburtstag im Juli vergangenen Jahres. Anders als das Bild aussagt, ist ihr Verhältnis frostigBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Zurückweisungen und Kontrollen an allen Grenzen

Das nun abgelehnte Gesetz sah vor, eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland zur Regel zu machen. Auch sollte der Familiennachzug von Geflüchteten wegfallen, die einen subsidiären Schutz genießen. Das betrifft beispielsweise viele Menschen aus Syrien.

Bei der Abstimmung über den Asyl-Antrag am Mittwoch hatte die AfD ihren Erfolg im Bundestag lautstark gefeiert. Applaus bekamen sie dafür auch von Ungarns umstrittenem Ministerpräsidenten Viktor Orban. Aber der Antrag hat nur Appell-Charakter und verpflichtet die Regierung zu keiner anderen Politik.

Bevölkerung will eine andere Migrationspolitik

Glaubt man dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend, einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap in diesen Tagen erstellt hat, dann billigt eine Mehrheit der Bevölkerung einer Verschärfung der Migrationspolitik. Aber eine große Mehrheit ist auch dagegen, dass die Parteien Koalitionen mit der AfD eingehen sollten. Hintergrund der heftigen Debatten in Deutschland sind mehrere schreckliche Mordtaten in den letzten Wochen und Monaten, die mutmaßlichen Täter sind in Deutschland lebende Asylsuchende.