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Politik

Ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus

30. Oktober 2019

Was tun gegen Angriffe auf Synagogen und Moscheen oder Hasstiraden im Internet? Die Bundesregierung reagiert mit einem Neun-Punkte-Plan. Manches ist neu, vieles schon älter.

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Berlin | Bundespressekonferenz | Aktionsplan gegen Rechtsextremismus
Geben sich entschlossen: Familienministerin Giffey, Justizministerin Lambrecht, Innenminister Seehofer (v.l.)Bild: Imago Images/J. Heinrich

So entschlussfreudig wie am Mittwoch in Berlin wirkt die oft zerstrittene Bundesregierung aus Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) selten. Aber im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität will sich niemand vorwerfen lassen, untätig geblieben zu sein. Also präsentieren gleich drei Minister aus Angela Merkels Kabinett ein als "Maßnahmenpaket" bezeichnetes Papier: Innenminister Horst Seehofer (CSU), Justizministerin Christine Lambrecht und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD).

Neun Punkte erläuteren sie den Journalisten aus dem In- und Ausland. Und sie machen gemeinsam deutlich, warum sie "zutiefst betroffen" sind: vor allem wegen des Anschlags auf die Synagoge in Halle, aber auch wegen einer "Reihe von besorgniserregenden Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit". Als konkretes Beispiel nennen sie die Ermordung des Kommunalpolitikers Walter Lübcke durch einen mutmaßlichen Rechtsextremisten im Juni 2019. Und ganz allgemein geht es ihnen um Hetze und Beleidigungen im Internet.

Unter den aufgelisteten Maßnahmen gibt es einige, die zumindest nicht taufrisch sind. Etwa wenn es heißt, die Bunderegierung unterstütze ausdrücklich eine "Stärkung der Ressourcenausstattung der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden" im Kampf gegen Rechtsextremismus. Erheblich mehr Personal und Geld erhalten insbesondere die Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schon seit Jahren. Auslöser war der Schock, den die Mordserie der 2011 enttarnten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ausgelöst hatte.

Geplant: Meldepflicht bei Morddrohungen und Volksverhetzung

Auch die zahlreichen Präventions- und Bildungsprogramme im Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus gibt es schon länger. Im Maßnahmenkatalog ist dann auch davon die Rede, "bewährte Ansätze im Sinne der Sensibilisierung" fortführen und ausweiten zu wollen.

Deutschland Gedenken an NSU-Anschlag auf Kölner Keupstraße
Mehr Schutz vor Rechtsextremismus fordert auch die Zivilgesellschaft immer wieder - wie hier im am 9. Juni in Köln, wo der NSU 2004 einen Bombenanschlag verübte Bild: picture-alliance/dpa/R. Pfeil

Tatsächlich neue Akzente will die Bundesregierung bei der Verfolgung und Bestrafung von Hasskriminalität im Internet setzen. Geplant ist eine Meldepflicht für Dienstanbieter, also vor allem sogenannte soziale Netzwerke wie "Facebook" oder "Twitter". Die Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, den Behörden ohne Aufforderung vor allem Morddrohungen und Volksverhetzung auf ihren Plattformen mitzuteilen.

Seehofer kündigt verschärft Waffenrecht an

Justizministerin Lambrecht will Beleidigungen im öffentlichen Raum besonders unter Strafe stellen. Weil es eine andere Qualität habe, "ob sie in der Kneipe beleidigt werden", wo man selbst und ein paar andere Personen das mitbekommen, oder ob es Internet geschehe. Im Netz bekomme jeder diese Beleidigung mit und andere würden aufgestachelt, "sich an dieser Beleidigung zu beteiligen".

Sprengstoff und Waffen von Reichsbürgern
Diese Gewehre eines mutmaßlich rechtsextremistischen Waffenhändlers in Rheinland-Pfalz wurden im März 2019 sichergestellt Bild: Harald Tittel/dpa/picture alliance

Innenminister Seehofer liegt eine Verschärfung des Waffenrechts sehr am Herzen. Ihm sei die Botschaft besonders wichtig, "dass wir alles tun müssen, damit Waffen nicht in die Hände von Extremisten kommen". Dort, wo das der Fall sei, müssten sie entzogen werden können. Und er halte es für richtig, "bei der Erteilung von Waffenscheinen eine Regelanfrage an den Verfassungsschutz" zu richten. So will Seehofer verhindern, dass mutmaßliche Rechtsextremisten einen Waffenschein bekommen und sich damit legal aufrüsten könnten. 

Der Bundestag wird die Pläne wohl unterstützen

Kaum mehr als Appellcharakter hat hingegen die Ankündigung, die Bearbeitung des Rechtsextremismus innerhalb der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu intensivieren. Auch das wurde nach der NSU-Mordserie schon umgesetzt. Um die Kommunikation zwischen den zahlreichen Behörden zu verbessern, ist das Bundesamt in der Bekämpfung des Rechtsextremismus federführend. Vorher gab es weder zentrale Dateien noch die Pflicht, Verdachtsfälle zu melden.

Ein Leben in Angst

Um die neuen Maßnahmen umsetzen zu können, müssen in einigen Fällen bestehende Gesetze verändert werden. Die dafür nötige Mehrheit sollte die Bundesregierung bekommen. Durchaus möglich, dass auch oppositionelle Abgeordnete der einen oder anderen Gesetzesverschärfung zustimmen. So werfen die Grünen der Bundesregierung zwar vor, "viel Symbolik" präsentiert zu haben. Sie räumen aber auch ein, die geplante Einrichtung einer Zentralstelle für Analyse und Bekämpfung von Hasskriminalität sei ein "positives Signal".