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Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Blogger

31. Juli 2015

Der Konflikt zwischen Politik und Medien über die Berichterstattung über die Arbeit der Geheimdienste hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Gegen zwei Journalisten wird wegen des Verdachts auf Landesverrat ermittelt.

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Der netzpolitische Aktivist Markus Beckedahl, Gründer von Netzpolitik.org (Foto: dpa(picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Wie die Behörde von Generalbundesanwalt Harald Range mitteilte, wird zwei Journalisten des investigativen Blogs "Netzpolitik.org" vorgeworfen, in Berichten über den Verfassungsschutz Staatsgeheimnisse verraten zu haben. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, habe Strafanzeige gestellt.

Interne Dokumente veröffentlicht

Das Internet-Portal hatte im Februar und April dieses Jahres über interne Pläne des Bundesamts für Verfassungsschutz zur nachrichtendienstlichen Auswertung von Internetkommunikation berichtet. Der Artikel vom 25. Februar trug den Titel "Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an Massenauswertung von Internetinhalten", der Artikel vom 15. April erschien unter der Überschrift "Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung". In den Berichten hatten die Blogger interne Dokumente des Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht.

Außer gegen die beiden Journalisten Markus Beckedahl (Artikelbild), den Gründer von Netzpolitik.org, und André Meister ermittelt die Bundesanwaltschaft auch die unbekannten Informanten der Blogger. Im Fall einer Anklage und Verurteilung drohen den Journalisten Haftstrafen von mindestens einem Jahr.

Hintergrund: NSA-Affäre

Das Vorgehen der Ermittler erfolgt vor dem Hintergrund einer monatelangen Auseinandersetzung zwischen Regierung, Opposition und Medien über die Berichterstattung zur Affäre um die Lauschaktivitäten des US-Nachrichtendiensts NSA. Das Kanzleramt hatte mehrmals mit Strafanzeigen gedroht - etwa im Zusammenhang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente.

Nach Ansicht Beckedahls will die Bundesregierung mit den Anzeigen die Wahrheit über die deutsche Verstrickung in den NSA-Skandal unterdrücken. Es werde zunehmend klar, dass die Bundesregierung "knietief im Sumpf von NSA und Co" stecke, sagte der Journalist im ARD-Fernsehen.

Generalbundesanwalt Harald Range (Foto: picture alliance/dpa)
Generalbundesanwalt Harald RangeBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Beckedahl: Machen weiter

"Wir haben jetzt den Verdacht, dass sie durch solche Strafanzeigen scharf schießen gegen diejenigen, die dazu beitragen wollen, diesen größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit mit aufdecken zu wollen", erklärte Beckedahl. "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen", betonte der Blogger. Netzpolitik.org werde seine Arbeit fortsetzen und begrüße "weitere Dokumente, die beweisen, wie unsere Geheimdienste, (...) ohne dass wir als Gesellschaft darüber diskutiert haben, das Internet zu einer globalen Totalüberwachungsmaschinerie mit anderen Geheimdiensten umgebaut hat."

Der NSA wird vorgeworfen, seit Jahren Telefongespräche führender Politiker in Berlin abzuhören. Auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der US-Geheimdienst offenkundig angezapft.

BND als Helfer

Überdies soll der Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Suchmerkmale, sogenannte Selektoren wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern. Die Oppositionsfraktionen Grüne und Linke fordern Einsicht in die Selektoren-Liste. Die Bundesregierung lehnt dies ab.

Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Die Blogger setzen sich für digitale Bürgerrechte ein. Sie berichten unter anderem in Echtzeit aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Der Deutsche Journalistenverband verurteilte die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft scharf. Das Vorgehen sei ein "unzulässiger Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen", sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Er forderte den Generalbundesanwalt auf, die Ermittlungen einzustellen.

wl/qu (dpa, afp, epd)