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Blauhelm-Skandal setzt UN unter Druck

Julia Hahn13. August 2015

Missbrauch, Vergewaltigung, Mord - die Liste der Vorwürfe gegen Blauhelmsoldaten in der Zentralafrikanischen Republik wird immer länger. Die UN ziehen erste Konsequenzen, aber reicht das?

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Zentralafrikanische Republik: UN-Sicherheitstruppen in Bangui (Foto: Anadolu Agency)
Bild: picture-alliance/AA/Stringer

Jetzt haben die UN-Blauhelme in der Zentralafrikanischen Republik einen neuen Chef: Der gabunische Diplomat Parfait Onanga-Anyanga leitet künftig die UN-Friedensmission Minusca. Das teilte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon jetzt mit. Die Ankündigung kommt drei Tage nach dem Rauswurf von Vorgänger Babacar Gaye. Die Vereinten Nationen stehen wegen neuer Missbrauchsvorwürfe gegen die Blauhelm-Truppen in dem Krisenstaat zunehmend unter Druck. Der Senegalese Gaye war offiziell verantwortlich für das Verhalten der etwa 10.000 Soldaten, Polizisten und Zivilisten, die mit UN-Mandat im Land sind, um den blutigen Konflikt zwischen Christen, Muslimen und der Regierung zu beenden.

"Diese Entlassung ist noch lange keine Lösung für die internen Probleme der Mission. Und dabei geht es nicht nur um Missbrauch", sagte Thierry Vircoulon von der International Crisis Group der DW. Jetzt müsse endlich mal genau überprüft werden, was alles schief läuft mit den Blauhelmen in der Zentralafrikanischen Republik. Der Skandal kratzt kräftig am Image der Vereinten Nationen, denn die Truppen sollen in Krisengebieten eigentlich Frieden stiften und Menschenleben schützen.

Immer neue Vorwürfe

57 Fälle, in denen UN-Soldaten schweres Fehlverhalten vorgeworfen wird, haben die Vereinten Nationen in dem zentralafrikanischen Land seit Beginn des Einsatzes 2014 dokumentiert, in 11 davon geht es um Kindesmissbrauch. Auch in dem Fall, der jetzt für die Entlassung von Minusca-Chef Gaye gesorgt hat. Die Menschrechtsorganisation Amnesty International berichtet von einem 12-jährigen Mädchen, das Anfang August von einem Blauhelm-Soldaten bei einer Hausdurchsuchung in der Hauptstadt Bangui vergewaltigt worden sein soll. Einen Tag später, nach Auseinandersetzungen mit Bewohnern, bei denen ein Soldat aus Kamerun ums Leben kam, hätten die Friedenstruppen in der Gegend "willkürlich um sich geschossen", schreibt Amnesty weiter auf seiner Webseite. Dabei seien zwei Zivilisten getötet worden. Die UN kündigten eine Untersuchung an.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon (Foto: Irene Hell/DW)
Muss für Aufklärung sorgen: UN-Generalsekretär BanBild: DW/I. Hell

Anfang August sorgte ein weiterer Fall für Schlagzeilen: Ein UN-Soldat aus Ruanda eröffnete in der Basis des ruandischen Kontingents der Minusca-Mission in Bangui das Feuer auf seine ruandischen Kameraden. Er tötete vier und verwundete acht, bis er seinerseits erschossen wurde.

Truppe außer Kontrolle?

Einige dieser Vorfälle führt Analyst Thierry Vircoulon auf die Struktur und Zusammensetzung der Mission zurück. Im Herbst 2014 löste die Minusca die von der Afrikanischen Union geführte Truppe Misca ab. Die UN übernahmen das Kommando, aber die Soldaten blieben größtenteils die gleichen. Sie kommen aus der ganzen Welt, vor allem aber aus Afrika: Burundi, Benin, Kamerun, Ruanda, Kongo. "Bis jetzt hat noch niemand ernsthaft überprüft, ob diese Soldaten wirklich tauglich sind und UN-Standards respektieren", kritisiert Vircoulon. Ähnlich sieht das Georges Kapiamba von der Menschenrechtsorganisation ASADHO in der Demokratischen Republik Kongo. Auch dort gab es in den vergangenen Jahren Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelmsoldaten. Inzwischen arbeiten die Menschenrechtler mit den UN zusammen. "Wir haben gemeinsame Büros, dort gibt es eine Abteilung, die die Militärs beraten. Und es gibt Kurse, wie man sich im Einsatz richtig verhält". Das könnte auch für das Nachbarland ein Vorbild sein.

Schon seit Monaten gibt es Hinweise und Belege, dass UN-Blauhelme, aber auch französische Soldaten außerhalb der Mission, in der Zentralafrikanischen Republik, Kinder missbraucht haben. Im Gegenzug hätten sie Lebensmittel angeboten. Im Frühjahr wurde ein vertraulicher UN-Bericht dazu öffentlich. Wirklich passiert ist damals nichts. Im Juli erst trat die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Flavia Pansieri, nach Kritik an ihrem Umgang mit dem Skandal zurück.

Französische Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik (Foto: AFP)
Auch gegen französische Soldaten wird wegen Missbrauchs ermitteltBild: AFP/Getty Images/M.Medina

Ex-Minusca-Chef Gaye hat in seinem offiziellen Rücktrittsgesuch erklärt, er habe Soldaten wegen Fehlverhaltens wieder zurück in ihre Heimatländer geschickt. Und genau da liege das nächste Problem, sagt auch Jonathan Pedneault, der in Bangui als Berater von Amnesty International arbeitet. Denn obwohl die UN mit den Staaten, die Truppen stellen, Abkommen haben, sei bekannt, "dass die meisten dieser Soldaten in ihren Heimatländern nicht verurteilt werden - sei es aus Mangel an Beweisen, aus Mangel an Zeugen, oder weil es nicht den nötigen politischen Willen gibt". Die Vereinten Nationen müssten Druck auf ihre Mitgliedsstaaten ausüben, damit Straftaten auch tatsächlich verfolgt werden, sagt auch Thierry Vircoulon. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass für die Blauhelme Straflosigkeit gilt."

Mitarbeit: Carole Assignon, Chrispin Mwakideu