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Brasilien Biosprit

2. April 2011

Während der deutsche Biosprit E10 von hiesigen Autofahrern verschmäht wird, scheuen die Brasilianer kein Ethanol im Tank. Davon konnte sich der deutsche Verkehrsminister Raumsauer vor Ort überzeugen.

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In der Tanköffnung eines Pkw steckt eine Sonnenblume (Foto: dpa)
Nicht den Tiger, sondern die Sonnenblume im TankBild: picture-alliance/ZB

Ethanol im Tank – das ist für brasilianische Autofahrer längst Gewohnheit. Da mögen sich deutsche Politiker verwundert die Augen reiben. So sagte Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Mitglied der Delegation, im Interview mit DW-WORLD.DE: "Wir wollen vom brasilianischen Beispiel lernen, wie neue Motoren produziert und wie Autos mit einer größeren Menge Ethanol betrieben werden können".

Die Regierungen beider Länder haben sich vertraglich darauf geeinigt den Erfahrungsaustausch stärker voranzutreiben und die Zusammenarbeit zu vertiefen. "Das Thema Bioethanol drängt nun in verschiedenen deutschen Ministerien auf die Agenda und wird künftig verstärkt diskutiert", bestätigte Bomba.

Vor 35 Jahren wurde in Brasilien das Projekt Proálcool ins Leben gerufen. Ziel war, die nationale Produktion von Treibstoff aus Zuckerrohr anzukurbeln – der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Brasilianische Expertise, deutsche Marke

Eine Zapfpistole für Bio-Ethanol (Foto: dpa)
Kein Erfolg in Deutschland: Biosprit E 10Bild: picture alliance/dpa

Ein Meilenstein war 2003 das erste Auto, das sowohl mit Benzin als auch mit Ethanol betrieben werden konnte. Auf den brasilianischen Markt gebracht wurde es – welche Ironie – vom deutschen Autobauer Volkswagen! Übrigens: Die Motortechnologie dafür wurde von Bosch entwickelt. Inzwischen enthält in Brasilien jeder Tropfen Benzin mindestens 20 Prozent Ethanol – also glatt das Doppelte wie das in Deutschland so umstrittene E10. Angst, dass der Biotreibstoff dem Motor schadet, haben die Brasilianer nicht: Laut brasilianischem Autoverband Anfavea ist das brasilianische Ethanol von hoher Qualität. Es soll sogar die Leistungsfähigkeit des Motors um mehr als 10% steigern, ohne ihn übermässig zu verschleißen.

86% aller 2010 in Brasilien verkauften Autos verfügen über die sogenannte Flex-Fuel-Technologie, das heißt, sie passen sich der Treibstoffart – Bio oder konventionell – an. Laut Branchenverband Anfavea werden in drei Jahren rund zwei Drittel aller Autos auf Brasiliens Straßen über Flex-Fuel-Technologie verfügen.

Brasilien weit vorne in Sachen Biosprit

Verkehrsminister Ramsauer und sein brasilianischer Kollege Nascimento (Foto: Transportministerium Brasilien/DW)
Verkehrsminister Ramsauer (2. v. li) in der Rolle des ZuhörersBild: Ministerio dos Transportes do Brasil

Volkswagen Brasilien hat die Technologie und will auch gerne helfen. "Deutschland profitiert von dem Know-how, das wir in den letzten Jahren gesammelt haben. Für uns ist diese Technologie nicht neu. Eigentlich sind unsere Ingenieure in dem Bereich der Flexible-Fuel-Motoren das Zentrum der Entwicklung", erklärt Thomas Schmall, Chef von VW- Brasilien. Die Mischung unterschiedlicher Treibstoffe in verschiedenen Mengen funktioniere in Brasilien sehr gut. "Allerdings ist das nicht überall möglich, weil jedes Land seine speziellen Bedürfnisse hat", so Schmall.

Sollte Deutschland das brasilianische Modell übernehmen, gäbe es allerdings einen Wemutstropfen. Denn Deutschland müsste Ethanol importieren, weil es hierzulande nicht genug Anbauflächen gibt. "Es gibt in Deutschland nicht genug Platz, um Zuckerrohr anzubauen", sagt Thomas Schmall von VW-Brasilien. Doch auch der Import hat einen Haken: "Die Europäische Union besteuert Ethanol wie ein Agrarprodukt, selbst wenn es als Treibstoff genutzt wird", gibt Ingo Plöger von der Beratungsfirma IP Desenvolvimento Empresarial e Institucional in São Paulo zu Bedenken.

Staatssekretär Rainer Bomba glaubt indes an Ethanol aus Zuckerrohr. Die Schwierigkeiten sind ihm dabei wohl bewusst. Doch angesichts der steigenden Benzinpreise und der Ölknappheit ist sein Credo: "Unsere Aufgabe ist es einen umweltverträglichen Treibstoff anzubieten. Daher ist das brasilianische Ethanol sehr wichtig."

Bereit für den nächsten Schritt

Benzinkanister und Rapsfeld (Foto: Günter Menzl Fotolia 2008)
Sieht schön aus, wirft aber viele Fragen auf: BiospritBild: Fotolia/Günter Menzl

Während in Deutschland für die Akzeptanz des Biosprits geworben werden muss, geht Brasilien schon den nächsten Schritt: Ingenieure entwickeln eine neue Motorengeneration – wieder ist es eine deutsche Traditionsfirma. Mercedes-Benz do Brasil tüftelt am ersten, mit Zuckerrohrkraftstoff betriebenen LKW. Im Januar 2012 soll es soweit sein. Dann kommt der Accelo mit neuem Motor exklusiv auf den brasilianischen Markt. "Der Fahrer kann dann Diesel und Diesel aus Zuckerrohr tanken", erklärt Gilberto Gomes Leal, der an der Entwicklung des Motors beteiligt ist. "Diesel aus Zuckerrohr wird bereits getestet und kommt auch 2012 auf den Markt", fügt Leal hinzu. Allerdings nicht in Deutschland. Denn der von deutschen Ingenieuren mitentwickelte Motor ist ein exklusiv brasilianisches Projekt.

Autorin: Nádia Pontes / Anna Pellacini
Redaktion: Birgit Görtz