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Bestandssicherung bei Bertelsmann

Martin Schrader30. November 2002

Bertelsmann-Chef Middelhoff wird Platz machen für Vorstandsmitglied Thielen. Der Wechsel symbolisiert nach Meinung von Ex-RTL-Boss Helmut Thoma die Niederlage eines New-Economy-Mannes gegen einen der Old Economy.

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Thomas Middelhoff: Abgang eines umstrittenen StarsBild: AP

Die Ankündigung von Thomas Middelhoffs Ablösung kam plötzlich. Für manchen Beobachter war sie dennoch nicht ganz unerwartet.

Middelhoff sprach gerne von einem "neuen Bertelsmann", plante die Integration des Mediums Internet in alle Stammgeschäfte des Konzerns und war überhaupt ein Freund der Neuen Medien.

Bertelsmann Zentrale
Bertelsmann-ZentraleBild: AP

Über diese Vorlieben herrschte in der Spitze des altehrwürdigen, mittlerweile weltweit operierenden Medien-Konzerns teilweise Unzufriedenheit, berichtet der ehemalige RTL-Boss und Bertelsmann-Kenner Helmut Thoma im Gespräch mit DW-WORLD. Die RTL-Gruppe gehört mehrheitlich zu Bertelsmann.

"Ich sehe das als Rückkehr zur Old Economy", lautet seine Interpretation der Trennung Bertelsmanns von Middelhoff. Dies schließe er auch aus der Wahl Thielens als Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden. Der 59-jährige Gunter Thielen, der am Samstag (4. August 2002) seinen 60. Geburtstag feiert, war bei Bertelsmann bisher Leiter der Druck- und Dienstleistungsgruppe Arvato.

Keine Übergangslösung

"Er hat mit seiner Sparte in der Vergangenheit immer gute Erfolge präsentiert", sagt der frühere RTL-Chef über Thielen, "und er genießt das Vertrauen in der Konzernspitze. Ich glaube deshalb nicht, dass er eine Übergangslösung ist, sondern durchaus drei bis fünf Jahre an der Unternehmensspitze stehen könnte." Jedenfalls sei der neue Vorstandschef kein Mann für ein paar Monate.

Thielen verantwortet seit 1986 den Bereich Druck- und Industriebetriebe bei Bertelsmann. Aus diesem ging 1999 die Arvato AG hervor. Ihr angeschlossener Supplementverlag liefert unter anderem die TV-Beilage "rtv". Sie wird an mehr als sieben Millionen Haushalte verteilt und ist damit Unternehmensangaben zufolge die größte Wochenpublikation Deutschlands. In den USA fertigt die Arvato-Tochter Offset Paperback Manufacturers etwa 40 Prozent aller Taschenbücher.

An Erfolg gewöhnt

Reinhard Mohn
Reinhard MohnBild: AP

Mehrheitseigentümer von Bertelsmann ist die Familie Reinhard Mohn. Sie hält teils direkt, teils über die von Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung drei Viertel der Bertelsmann-Anteile. Die Mohn-Familie scheint sich vom erfolgsverwöhnten Thielen eine Lösung der Probleme zu erhoffen, die sich unter Middelhoffs Führung anhäuften.

Nach Presseangaben gab es im Aufsichtsrat des Konzerns vor allem Kritik an Middelhoffs starrem Festhalten an seinem Plan, in zwei oder drei Jahren mit dem Unternehmen an die Börse zu gehen. Auch die wachsenden Verschuldungen und das kriselnde Stammgeschäft hätten Unmut hervorgerufen. Hauptkritiker seien Aufsichtsrats-Chef Gerd Schulte-Hillen und Thielen gewesen, der auch Vorsitzender der Bertelsmann-Stiftung ist.

Börsenpläne vorerst vom Tisch

Der Plan vom Börsengang passte zu Middelhoffs Pech freilich nicht in die derzeitige Börsenlandschaft. In den vergangenen Wochen hat eine gigantische Börsenflaute weltweit wichtige Aktien-Indizes dramatisch nach unten gedrückt. Die betroffenen Unternehmen büßten mehrere Milliarden Euro an Börsenwert ein. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, meint Thoma, der derzeit auch als offizieller Medienberater des Landes Nordrhein-Westfalen arbeitet: "Eine völlige Absage an einen Börsengang muss das nicht bedeuten."

Die Wahl des neuen Chefs, der am 1. August sein Amt antreten soll, zeigt nach Einschätzung Thomas das Bemühen der Familie Mohn um Bestandswahrung. Thielen stehe für Kontinuität.

Spekulationen um berufliche Zukunft Middelhoffs

Die berufliche Zukunft Middelhoffs ist ungewiss. Medienberichten zufolge wird er als ein Nachfolger Ron Sommers als Vorstandschef der Deutschen Telekom gehandelt. Ein Unternehmenssprecher bezeichnete dies jedoch auf Anfrage von DW-WORLD als pure Spekulation. Daran wolle man sich nicht beteiligen. Auch das Gerücht, Middelhoff werde wohl zu AOL Time Warner wechseln, machte bereits die Runde.