Beschäftigt die AfD im Bundestag Verfassungsfeinde?
15. März 2024Was die Recherche von Journalisten des öffentlich-rechtlichen "Bayerischen Rundfunks" (BR) zutage gefördert hat, ist brisant. Dass im Bundestag viele Menschen arbeiten, die offenbar in rechtsextremem Organisationen engagiert sind, selbst als rechtsextrem gelten oder vom Verfassungsschutz beobachtet werden, verunsichert Abgeordnete und Mitarbeiter im Deutschen Bundestag.
Die Journalisten berichten etwa, dass der Name Frank Pasemann auf einem Türschild in einem Gebäude des Bundestags in Berlin stehe, in dem die Büros von Abgeordneten untergebracht sind.
Pasemann war im letzten Bundestag selbst Abgeordneter der "Alternative für Deutschland" (AfD), er wurde aber 2020 aus Partei und Fraktion ausgeschlossen. Sie warfen ihm parteischädigendes Verhalten und Antisemitismus vor.
Für eine wichtige offizielle Position schien er nicht mehr tragbar, als Mitarbeiter offenbar wohl. Laut dem Türschild, so berichtet der BR, arbeite er jetzt für den AfD-Abgeordneten Jürgen Pohl. Pasemann und Pohl hätten sich auf Anfrage nicht dazu geäußert.
Über 100 verfassungsfeindliche Mitarbeiter
Die BR-Recherche geht noch deutlich weiter. Unter Berufung auf interne Namenslisten und Mitarbeiter-Verzeichnisse meldete der öffentlich-rechtliche Sender aus Bayern, die AfD im Parlament habe mehr als 100 Personen angestellt, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden.
Die AfD wies den Bericht zurück, die Partei -und Fraktionschefin Alice Weidel sagte am Dienstag: "Das ist so lächerlich, an den Haaren herbeigezogen." Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) will trotzdem prüfen, ob schärfere Sicherheitsbestimmungen notwendig sind, "um Schutz und Sicherheit im Inneren des Parlaments zu gewähren". Die grüne Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer Gefahr für die parlamentarische Demokratie.
Wer darf im Parlament arbeiten?
Wer im Bundestag arbeiten will, braucht einen Hausausweis. Um den zu bekommen, gleichen die zuständigen Stellen die Namen der Bewerber im Rahmen einer "Zuverlässigkeitsprüfung" mit Einträgen in Polizei-Datenbanken ab. Seit vergangenen Jahr muss diese Prozedur einmal im Jahr wiederholt werden.
Auch ein sogenanntes Führungszeugnis der Polizei ist erforderlich. Finden sich dort Einträge, wird allerdings nur der direkte Arbeitgeber informiert, also die Fraktion der jeweiligen Partei im Parlament. Parlaments-Vizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) schlug nun vor: "Ziel muss es ein, vom Verfassungsschutz beobachtete Mitarbeiter aus dem Bundestag draußen zu halten. Der Bundestag muss beispielsweise im Verdachtsfall beim Verfassungsschutz nachfragen können."
Vom Nazi-Aufmarsch ins Bundestagsbüro?
Die Personen, um die es geht, arbeiten entweder direkt im Bundestag oder in den Wahlkreisbüros der AfD-Abgeordneten im ganzen Land. Und unter ihnen sind nicht wenige, so der BR, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden und solche, die Führungspositionen in beobachteten Organisationen bekleiden. Der BR ist in der Mitarbeiterschaft der AfD auf Teilnehmer an Neonazi-Aufmärschen in Chemnitz, Dortmund, Dresden, Magdeburg und Zwickau gestoßen. Auch treten einige der Personen im Zusammenhang mit Reichsbürger-Gruppierungen auf, die den deutschen Staat nicht anerkennen.
Das Fazit der Recherche: Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten beschäftigen Personen, die in Organisationen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Darunter sind nach dem Bericht auch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.
CDU-Politiker: AfD-Reden erinnern an Kreml-Sprecher
Eines der Merkmale vieler rechtsextremer und verfassungsfeindlicher Gruppen ist die Nähe zur Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der CDU-Außenexperte Jürgen Hardt sagte der DW: "Einige der Formulierungen von AfD-Politikern hier im Bundestag klingen genauso wie das, was wir von Kreml-Sprechern hören. Diese Reden werden von Menschen geschrieben, die sehr nah dran sind an rechtsradikalen Vertretern und genauso an Milieus, die Putins Ideen hier in Deutschland verbreiten wollen."
Für die Grünen und deren Fraktionschefin Britta Haßelmann ist der Fall des Ex-Abgeordneten und offenbar heutigen Mitarbeiters Pasemann besonders gefährlich: "Die Recherche ist alarmierend im Hinblick darauf, dass die AfD einerseits Leute aus ihrem Parteispektrum entlässt und gleichzeitig aber dann offensichtlich als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier im Deutschen Bundestag beschäftigt."
2020: AfD-Abgeordnete laden Störer in den Bundestag
Die Recherche des BR weckt Erinnerungen an einem Zwischenfall vom November 2020. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie wurden Politiker mitten im Bundestag von Besuchern bedrängt, gefilmt und beleidigt. Zu ihnen zählte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Störer filmten, wie sie vor einem Fahrstuhl Altmaier bedrängten und stellten das Video ins Internet.
Aus einem Sicherheitsbericht der Bundestagspolizei ging hervor, dass vier aggressive Besucher von drei AfD-Abgeordneten eingeladen worden waren. Alice Weidel, schon damals AfD-Fraktionschefin, sagte, sie bedaure den Zwischenfall. Gegen drei der Störer wurden befristete Hausverbote verhängt und Bußgelder bis zu 800 Euro.