1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bericht: Telegram sperrt 64 Kanäle

11. Februar 2022

Der massive Druck der Bundesregierung auf Telegram zeigt nun offenbar Wirkung: Im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet blockiert der Onlinedienst in Deutschland 64 Kanäle, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.

https://p.dw.com/p/46u8V
Instant-Messaging-Dienst | Telegram | Symbolfoto
Bild: Felix Schlikis/Lobeca/Imago Images

Die Tageszeitung aus München schreibt unter Berufung auf Sicherheitskreise, zu den betroffenen Accounts zählten auch die Kanäle des Verschwörungsideologen Attila Hildmann. Die Schließung sei auf Druck des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamts (BKA) zurückzuführen. Das BKA habe entsprechende Löschersuchen an Telegram versandt, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Bisher seien 64 berücksichtigt worden.

Am Donnerstag war es demnach zu einem zweiten Gespräch auf Arbeitsebene zwischen Regierung und Telegram gekommen. Die Regierung und das Unternehmen wollten "weiterhin in einem engen Austausch bleiben", hieß es dem Bericht zufolge nach den Gesprächen. Das habe Unternehmensgründer Pavel Durow bereits im ersten Gespräch zugesichert, an dem er teilgenommen habe.

Das Innenministerium fordert seit Längerem, dass Hass und Hetze bei Telegram geächtet und entfernt werden. Bislang kam das Unternehmen der gesetzlichen Verpflichtung zum Löschen jedoch nicht nach. In der Bundesregierung sorgte das zuletzt für wachsenden Ärger. Denn erste Verfahren blieben schon deshalb erfolglos, weil deutsche Behörden nicht einmal eine Adresse des Unternehmens ausfindig machen konnten, an die sie einen Bescheid hätte verschicken können. Telegram hat seinen Sitz in Dubai. Zuletzt drohte die Regierung dem Unternehmen dann offen mit massiven Bußgeldern von bis zu 55 Millionen Euro.

Faeser will durchgreifen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekräftigte, dass sie im Fall Telegram weiter hart durchgreifen will. "Telegram darf nicht länger ein Brandbeschleuniger für Rechtsextreme, Verschwörungsideologen und andere Hetzer sein", sagte die SPD-Politikerin der Zeitung. "Morddrohungen und andere gefährliche Hassposts müssen gelöscht werden und deutliche strafrechtliche Konsequenzen haben."

Bundesregierung Innenministerin Nancy Faeser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigt klare Kante gegen TelegramBild: CHRISTIAN MANG/REUTERS

Die erste größere Löschaktion des Unternehmens sieht Faeser als Erfolg des wochenlangen Drucks auf Telegram. "Das Bundeskriminalamt hat die Ermittlungen deutlich verstärkt", sagte sie. "Ich habe vom ersten Tag im Amt an deutlichen Druck aufgebaut, um Telegram zur Kooperation zu bringen. Dieser Druck wirkt."

Die Kanäle des Verschwörungsideologen Hildmann auf Telegram sind in Deutschland bereits seit Dienstag nicht mehr abrufbar. Nutzer, die darauf zugreifen wollen, erhalten die Benachrichtigung, dass der Kanal nicht angezeigt werden könne, "weil er gegen lokale Gesetze verstößt". Hildmann, der als veganer Koch bekannt geworden war, hatte dem Bericht zufolge via Telegram Corona-Verschwörungsmythen und Hetze an etwa 100.000 Nutzerinnen und Nutzer verschickt. Seit Februar 2021 wird der 40-Jährige von der Berliner Justiz mit Haftbefehl gesucht. 

Besonders populärer Messenger

Seit 2019 gehört der Dienst zu den weltweit beliebtesten Messengern. Nach Unternehmensangaben hatte Telegram zu Beginn des Jahres 2021 rund 500 Millionen aktive Nutzer, aktuelle Schätzungen gehen von rund 550 Millionen aus. Beliebt macht den Messenger die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der privaten Nachrichten, die eine Überwachung wesentlich erschwert.

Telegram - die WhatsApp-Alternative

Außerdem lehnen Durow und sein Unternehmen jede Zusammenarbeit mit Regierungen grundsätzlich ab, etwa wenn es um die Regulierung von Inhalten im Messenger geht. Auch deshalb wurde Telegram von Oppositionsbewegungen im Iran oder in Belarus zur Organisation von Protesten verwendet.

Telegram wird aber auch von radikalen Impfgegnern und Querdenkern genutzt, um sich für Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu vernetzen. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte zuletzt etwa beklagt, dort würden besonders viele konkrete Umsturzfantasien verbreitet. Die Plattform nutzten auch zahlreiche Rechtsextremisten. Im Dezember hatten Telegram-Nutzer in einem Chat darüber geschrieben, den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer wegen seiner Corona-Politik töten zu wollen.

kle/sti (afp, dpa, sueddeutsche.de)