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Machtwechsel

11. Juni 2007

Nach dem Rechtsruck bei den Parlamentswahlen in Belgien ist die Regierung zurückgetreten. Allerdings dürfte die Koalitionsbildung noch Wochen in Anspruch nehmen.

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Yves Leterme feiert seinen Sieg, Quelle: AP
Yves Leterme feiert seinen SiegBild: AP
Guy Verhofstadt gestand seine Niederlage ein, Quelle: AP
Guy Verhofstadt gestand seine Niederlage einBild: AP

Nach der Niederlage seiner Regierungskoalition bei der Parlamentswahl in Belgien ist Ministerpräsident Guy Verhofstadt zurückgetreten. Verhofstadt reichte den Rücktritt der Regierung am Montagmorgen (11.6.07) bei einem Treffen mit König Albert II. ein. Bis eine neue Regierung steht, soll er die Amtsgeschäfte weiterführen. In beiden Kammern wurden die flämischen Christdemokraten unter Yves Leterme stärkste Kraft.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag wurde die christdemokratische Partei CDV des Ministerpräsidenten von Flandern, Yves Leterme, nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis mit 30 von 150 Mandaten (plus 8) stärkste Kraft in der Kammer, dem Unterhaus des belgischen Parlaments. Ihre wallonische Schwesterpartei cdh gewann zwei Sitze hinzu und entsendet künftig 10 Abgeordnete.

Niederlage eingeräumt

Leterme selbst, bislang Regierungschef der niederländischsprachigen Region Flandern, erhielt bei der Wahl zum Oberhaus, dem Senat, nach offiziellen Angaben 796.521 Stimmen. Er liegt damit weit vor dem amtierenden belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt mit 493.355 Stimmen.

Der Liberale Verhofstadt hatte bereits am Sonntagabend seine Niederlage eingeräumt. "Ich übernehme persönlich die Verantwortung für das Ergebnis", sagte Verhofstadt, der seit 1999 belgischer Regierungschef war, in Brüssel. "Das Ergebnis dieser Wahl ist deutlich. Die Wähler haben für eine andere Mehrheit gestimmt als die, die das Land in den vergangenen acht Jahren gelenkt hat."

Leterme kündigte eine "Staatsreform" an: "Mehr Sicherheit, mehr Justiz und eine moderne Staatsreform, das sind die Ziele unseres Programmes", sagte er vor Anhängern seiner Partei. Während des Wahlkampfes hatte er sich für eine Konföderation ausgesprochen, in der die Rechte der drei Provinzen Flandern, Wallonien und Brüssel nochmals verstärkt werden sollen.

Schwierige Regierungsbildung

Auch Kronprinz Philippe und seine Frau Mathilde folgten der Wahlpflicht, Quelle: AP
Auch Kronprinz Philippe und seine Frau Mathilde folgten der WahlpflichtBild: AP

Leterme steht nun vor der schwierigen Aufgabe der Regierungsbildung. Diese könnte angesichts der komplizierten Parteienlandschaft Belgiens mehrere Wochen dauern. Das Wahlergebnis eröffnet zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten: Neben einer Zusammenarbeit aller drei großen Parteifamilien - Christdemokraten, Liberale und Sozialisten - wäre eine "Jamaika"-Koalition aus Christdemokraten, Liberalen und Grünen denkbar. Ein Bündnis mit dem rechtsextremen Vlaams Belang, der im neuen Parlament mit 17 Abgeordneten vertreten sein wird, haben alle übrigen Parteien bislang stets abgelehnt

Zwar erhielten Verhofstadts Liberale landesweit fast ebenso viele Stimmen wie die Christdemokraten und dürften nach Stand von Montagmorgen in der Abgeordnetenkammer sogar einen Sitz mehr erhalten. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht Verhofstadts flämischen Liberalen, genannt Open VLD, zu verdanken, sondern dem überraschend guten Abschneiden der frankophonen Schwesterpartei Mouvement Réformateur (MR). Die MR konnte als einzige der bisherigen Regierungsparteien ihr Ergebnis gegenüber der letzten Parlamentswahl im Jahr 2003 steigern und kam landesweit auf 12,5 Prozent.

PS von Skandal geschwächt

Sie erhielt von den französischsprachigen Wählern in Wallonien und Brüssel erstmals mehr Stimmen als die seit Jahrzehnten führende Sozialistische Partei (PS). Die PS wurde im Wahlkampf von einem Skandal in ihrer Hochburg Charleroi erschüttert. Die flämischen Christdemokraten (CD&V) kamen auf einen Anteil von 18,51 Prozent.

Der zweitplatzierten MR erhält 23 Sitze. Zusammen mit ihrer gebeutelten Schwesterpartei Open VLB, die nach dem Verlust von sieben Mandaten künftig nur noch 18 Abgeordnete stellt, hätten die Liberalen demnach 41 Sitze.

Die siegreiche CD&V kommt zusammen mit ihrer deutlich kleineren wallonischen Schwesterpartei CDH auf 40. Als mit Abstand stärkste Kraft im bevölkerungsstärkeren Landesteil Flandern dürfte es dennoch die CD&V sein, die von König Albert mit ersten Sondierungsgesprächen für die Regierungsbildung beauftragt wird.

Zusammen mit den Liberalen kämen die Christdemokraten im Parlament auf eine absolute Mehrheit von 81 der 150 Sitze. CD&V-Chef Leterme strebt allerdings eine Verfassungsreform an, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten beider Sprachgemeinschaften notwendig ist. Diese wäre nur mit einer Drei-Parteien-Koalition erreichbar. (stu)