Rechtsruck in Belgien
10. Juni 2007Im Landesteil Flandern wurden Hochrechnungen zufolge die oppositionellen Christdemokraten (CDV) mit über 30 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Kraft. CDV-Chef Yves Leterme wurde von seinen Parteianhängern am Sonntagabend (10.6.2007) bereits als künftiger Ministerpräsident gefeiert. "Ich bin sehr zufrieden. Es ist Zeit für den Wechsel", sagte Leterme.
Die liberale Partei VRT von Ministerpräsident Guy Verhofstadt landete in Flandern laut Hochrechnung mit 18,5 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz. Auf Platz zwei gelangte die rechtsextreme Partei Vlaams Belang mit 20 Prozent. Das Ergebnis in Flandern, wo 60 Prozent der Belgier leben, ist für den Wahlausgang ausschlaggebend.
Leterme plant Staatsreform
Leterme hat für den wahrscheinlichen Fall seiner Regierungsübernahme eine "Staatsreform" angekündigt. "Mehr Sicherheit, mehr Justiz und eine moderne Staatsreform, das sind die Ziele unseres Programmes, und ab morgen wird das unsere Richtschnur sein", sagte Leterme in Brüssel vor Anhängern seiner Partei.
Leterme, der auch flämischer Ministerpräsident ist, ging auf seine geplanten Reformen am Sonntagabend nicht genauer ein. Während des Wahlkampfes hatte er sich aber für eine Konföderation ausgesprochen, in der die Rechte der drei Provinzen Flandern, Wallonien und Brüssel nochmals verstärkt werden sollen.
Auch wenn vollständige Ergebnisse aus den größeren Städten noch fehlten, stand das Ende der Regierung von Premierminister Verhofstadt am frühen Abend praktisch fest. Die Koalition aus Liberalen und Sozialisten regiert Belgien seit 2003. Vier Jahre zuvor hatten diese Parteien mit Hilfe der Grünen eine lange Vorherrschaft der Christdemokraten beendet. Die Gemeinsamkeiten von Liberalen und Sozialisten schienen nach acht Jahren gemeinsamen Regierens weitgehend aufgebraucht.
Koalitionspartner noch offen
Vor allem im französischsprachigen Süden des Landes hatten die Liberalen einen heftigen Wahlkampf gegen die Sozialisten geführt. Dort ist die Sozialistische Partei (PS) in der Industriestadt Charleroi tief in eine Affäre um Vetternwirtschaft verstrickt. Auch ihre flämische Schwesterpartei sp.a war zuletzt auf Distanz zur PS gegangen. Flämische Sozialisten machten für ihre Verluste auch die Skandale der wallonischen Parteifreunde verantwortlich.
Mit wem Leterme eine neue Koalition bilden könnte, blieb am Wahlsonntag unklar. Keine Partei wird allein eine Mehrheit im Parlament erringen können. In der Regel gehören einem Regierungsbündnis die jeweiligen Schwesterparteien aus dem niederländischsprachigen Norden und dem französischsprachigen Süden des Landes an. Für die gut 7,7 Millionen Belgier herrschte Wahlpflicht. (mas)
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