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Beendet Corona den Boom bei Büroimmobilien?

Insa Wrede
16. Juni 2020

Niedrige Zinsen und eine wachsende Wirtschaft haben die Nachfrage nach Büroimmobilien kräftig angeheizt. Dann zwang das Coronavirus viele vom Büro ins Homeoffice. Das könnte auch in der Nach-Corona-Zeit Folgen haben.

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Einer ist im Büro, der Rest im Homeoffice? Blick in ein Bürohaus
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Mit dem Coronavirus kam für viele Arbeitnehmer der Wechsel des Arbeitsplatzes. Statt ins Büro zu pilgern, schalteten sie zu Hause den Computer an. Nach einer Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Anfang April haben mehr als ein Drittel der Befragten teilweise oder vollständig von zu Hause aus gearbeitet. Vor der Pandemie waren es nur rund 12 Prozent.

Und in Zukunft? In den großen Tech-Unternehmen der USA, wo man viel Geld für riesige, repräsentative Bürokomplexe ausgegeben hat, scheint man nun umzudenken. Facebook-Chef Mark Zuckerberg rechnet damit, dass in zehn Jahren rund jeder zweite Beschäftigte des Online-Netzwerks von zu Hause aus arbeiten werde. Der Kurznachrichtendienst Twitter will seinen Mitarbeitern dauerhaft grünes Licht fürs Homeoffice geben. Auch der französische Autobauer PSA erwägt, die Telearbeit für Mitarbeiter, die nicht in der Produktion tätig sind, zur neuen "Referenz" zu erklären. Davon wären dann zehntausende Angestellte betroffen.

Dass das keine Einzelfälle sind, zeigt eine Umfrage des Immobilienriesen Cushman & Wakefield, für die im April 300 Unternehmen weltweit befragt wurden. 89 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich der Trend zum Homeoffice auch nach dem Ende der Corona-Pandemie fortsetzen wird.

Das Potential dafür ist auch in Deutschland groß. Jeder dritte Erwerbstätige arbeitet derzeit im Büro, bestätigt der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA - der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft), die Umfrageergebnisse des DIW. Zudem werde die Anzahl der Bürobeschäftigten künftig weiter steigen.

Infografik Anteil der Bevölkerung die von zuhause aus arbeitet

Mehr Homeoffice, weniger Bürofläche?

Auch nach der Corona-Krise werden künftig mehr Menschen zu Hause arbeiten, prognostiziert man beim ZIA. Dementsprechend werde die Nachfrage nach Bürofläche in Deutschland um zehn bis 20 Prozent zurückgehen. Das wird sich auch auf die Mieten auswirken, die seit zehn Jahren nur gestiegen sind.   

Infografik Büroimmobilien Mietindex
Büroflächen sind für Unternehmen ein großer Kostenfaktor

Es werde auch mehr Leerstand bei Büroflächen geben, heißt es vom ZIA. Da sei allerdings nicht schlimm, sagt Andreas Wende vom ZIA. "In letzter Zeit gab es in den großen Städten kaum Leerstände." Sogar geplante Projekte in großen Städten seien zum großen Teil für die nächsten zwei, drei Jahre vorvermietet worden, so Wende.

Seit 2010 gab es immer weniger leere Büros. Vor der Corona-Krise lag der Leerstand in Deutschland bei 2,9 Prozent. Zu wenig, meinen Experten. Erst bei einem Leerstand von fünf Prozent haben Unternehmen genug Spielraum, um zu expandieren oder beispielsweise umzuziehen. 

"Die jetzige Entwicklung wird dazu führen, dass wir wieder einen gesunden Leerstand von fünf bis sieben Prozent haben", schätzt Wende. Kritisch werde die Situation in Deutschland nicht werden. "Dafür  ist die deutsche Wirtschaft viel zu breit aufgestellt."

Anforderungen an Arbeitsplätze gestiegen

Auch der Immobilienexperte Günter Vornholz geht davon aus, dass in Deutschland auch in Zukunft mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten werden. Allerdings rechnet er damit, dass die Zahl nur geringfügig ansteigen wird. Schon jetzt sei die Zahl der Menschen im Homeoffice wieder deutlich zurückgegangen, so Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. Zudem sei die Umsetzung von Heimarbeit auch nicht so einfach für Unternehmen. "Im Moment gibt es ja keine Überprüfung der Arbeitsplätze, aber es gibt seitenweise Vorschriften, wie ein Heimarbeitsplatz auszusehen hat," so Vornholz. "Die Arbeit am Küchentisch ist nach den Vorgaben der Berufsgenossenschaft überhaupt nicht erlaubt."

Wer zu Hause arbeitet, braucht einen ordentlichen Arbeitsplatz
Wer zu Hause arbeitet, braucht einen ordentlichen ArbeitsplatzBild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE/C. Beutler

Unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer am Ende wieder ins Büro kommen; auch die Anforderungen an Büroarbeitsplätze haben sich durch das Virus verändert. Jes Staley, Chef der britischen Bank Barclays, drückt das so aus: 7000 Menschen in ein Gebäude zu pferchen, könnte eine "Sache der Vergangenheit" sein. "Wir werden Wege finden, um für eine viel längere Zeit mit mehr Distanz zu arbeiten."

Entscheidend ist: Wie lange braucht die Wirtschaft, um sich zu erholen

Die Nachfrage nach Büroflächen werde nicht von heute auf morgen einbrechen, weil die Unternehmen nicht sofort Bürofläche aufgeben werden, meint Sven Carstensen vom Marktforscher Bulwiengesa. Es sei auch nicht sicher, ob jeder Mitarbeiter längerfristig im Homeoffice arbeiten kann und das auch will, so Carstensen. "Wir werden flexiblere Regelungen sehen - aber nicht, dass alle nur noch von zu Hause aus arbeiten."

Homeoffice kann Mitarbeiter vor ganz neue Herausforderungen stellen
Homeoffice kann Mitarbeiter vor ganz neue Herausforderungen stellenBild: Imago/U. Grabowsky

Nach seiner Ansicht hängt die Entwicklung auf dem Markt für Büroimmobilien vielmehr davon ab, wie schnell sich die Konjunktur erholt. "Stellen die Unternehmen ein oder entlassen sie? Danach richtet sich die Nachfrage nach Büroflächen", glaubt Carstensen.

Insgesamt aber rechnet die Bulwiengesa AG, auf deren Daten etwa die Bundesbank zurückgreift, in diesem Jahr mit einem deutlichen Einbruch bei der Vermietung von Büroflächen. "Unternehmen überlegen, ob sie geplante Umzugsentscheidungen nicht besser verschieben", betont Carstensen. "In wirtschaftlich unsicheren Zeiten investiert man nicht gerne. Es wird deshalb kein gutes Jahr werden für den Büroflächenmarkt, insbesondere was die Vermietungen angeht." Auch dürften Projekte zurückgestellt werden.

Vornholz meint, die wirtschaftliche Entwicklung und der Trend zu immer mehr Büroarbeitsplätzen mehr Auswirkungen haben auf den Markt der Büroimmobilien als das Arbeiten von zu Hause. Rund ein Drittel der Büroangestellten in Deutschland hätten Einzelbüros und das werde im Wesentlichen auch so bleiben, weil es in Deutschland ein wichtiges Statussymbol sei, glaubt Vornholz. "Wenn die Krise nicht allzu lange anhält und wenn weiterhin so gute politische Maßnahmen wie Kurzarbeit getätigt werden, dann glaube ich nicht, dass die Mieten von Büroflächen sich groß verändern werden", so Vornholz.

In Midtown Manhatten (New York) kostete vor der Corona-Krise Bürofläche bis zu 85 US Dollar pro Quadratfuß
In Midtown Manhatten (New York) kostete vor der Corona-Krise Bürofläche bis zu 85 US Dollar pro QuadratfußBild: Getty Images/AFP/T.A. Clary

Konjunkturelle Auswirkungen in den USA

Dramatischer könnte sich die Situation in den USA entwickeln, wo die Wirtschaft und auch der Arbeitsmarkt sehr stark von der Corona-Krise getroffen sind. "Bei uns hat sich nicht viel getan," so Vornholz. "Wir haben sehr viel Kurzarbeit." In Amerika hätten Beschäftigte in ähnlichen Jobs dagegen meist ihre Stellen verloren. Die gesunkene Zahl der Mitarbeiter werde sich auch auf die Nachfrage nach Büroflächen auswirken, sagt Vornholz.

Die Ratingagentur Moody's rechnet damit, dass es in den USA bis 2021 zu Leerständen von 20 Prozent bei Büroimmobilien kommen kann. Die Büromietpreise könnten in einigen Märkten wie in New York um bis zu 25 Prozent fallen. Bereits im ersten Quartal 2020 ging die Mietaktivität bei Büroimmobilien in den USA im Vergleich zum Vorjahresquartal um 30 Prozent zurück. Würde allein die Bank Morgan Stanley beschließen, ihre Bürofläche in New York um ein Drittel zu reduzieren, würden eine Million Quadratmeter frei werden.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion