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Bremen hadert mit dem Videobeweis

Pascal Jochem
25. April 2019

Ein dramatisches Pokal-Halbfinale kulminiert in einer Szene. Elfmeter oder nicht? Während die geschlagenen Bremer die Welt nicht mehr verstehen, feiert Bayern-Trainer Niko Kovac seinen dritten Finaleinzug in Folge.

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DFB-Pokal 2018/19 Halbfinale | Werder Bremen vs. FC Bayern München | Daniel Siebert
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Meissner

Noch Minuten nach dem Schlusspfiff geht es hoch her. Max Kruse und Jerome Boateng werfen sich weniger nett gemeinte Wortfetzen an den Kopf und müssen auseinandergehalten werden. Von der Tribüne fliegen Bierbecher in Richtung Bayern-Spieler. Gäste-Trainer Niko Kovac wird mit gellenden Pfiffen in die Katakomben begleitet. Bremens Spieler und Trainer Florian Kohfeldt reden derweil am Mittelkreis auf Schiedsrichter Daniel Siebert ein.

Alles wegen eines Pfiffs. Ein Elfmeterpfiff, der aus einer ohnehin schon dramatischen Partie für die Werder-Fans eine schwer begreifbare Tragödie macht. Tatort Bremer Strafraum, 78. Spielminute: Kingsley Coman geht nach einem leichten Rempler von Abwehrspieler Theo Gebre Selassie zu Boden. Siebert entscheidet auf Elfmeter. Robert Lewandowski verwandelt unbeeindruckt zum 3:2-Sieg für die Bayern, die das Ergebnis über die Zeit bringen und ins Pokalfinale einziehen. Was folgt sind gegensätzliche Bewertungen nach dem Spiel auf beiden Seiten, die seit Jahrzehnten den Fußball begleiten und wohl auch nie ganz verstummen werden, trotz oder nun vielleicht sogar gerade wegen des (ausgebliebenen) Videobeweises.

DFB-Pokal 2018/19 Halbfinale | Werder Bremen vs. FC Bayern München
Aus diesem Blickwinkel scheint Theodor Gebre Selassie Bayerns Kingsley Coman zu umarmenBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Eggestein: „Einfach unfair"

"Für mich war es kein Foul. Das ist schwer zu begreifen und einfach unfair", haderte Bremens Maximilian Eggestein. "Das tut richtig weh." Kapitän Max Kruse, völlig außer sich, ging noch einen Schritt weiter: "Lächerlich! Das ist so ein leichter Kontakt. Wozu haben wir den Videobeweis?"

Auch Bremens Sportdirektor und Ex-Spieler Frank Baumann hätte sich gewünscht, dass man sich "die Szene, gerade weil sie so schwer zu sehen war, nochmal ansieht." Der Ruf nach dem viel gescholtenen Videobeweis. Der kommt seit dieser Saison tatsächlich auch im DFB-Pokal zum Einsatz, ab dem Viertelfinale. Doch bei dieser speziellen Szene hielt sich der VAR, der Video-Assistant-Referee, der Szenen nochmals anhand von Videobildern überprüfen kann, regelkonform zurück - offenbar weil Schiedsrichter Siebert auf dem Platz keine "absolute Fehlentscheidung" getroffen hatte.

"Es ist eine harte Entscheidung. Manche pfeifen sowas, manche nicht", brachte es Bayern-Coach Kovac auf den Punkt. "Der Kingsley fällt nicht ohne Grund." Präsident Uli Hoeneß diktierte den Reportern sogar, er habe seinen Flügelstürmer zur Brust genommen und der habe das ihm nochmals genau so versichert. "Ein klarer Elfmeter." Für Bremens Trainer Kohfeldt dagegen war der Pfiff "brutal", "in neun von zehn anderen Fällen pfeift er den nicht." Eine Schiedsrichter-Schelte wollte er dennoch aktiv unterbinden. "Lasst uns dieses tolle Spiel nicht auf diese eine Entscheidung reduzieren. Und erst recht nicht auf irgendeinen Bayern-Dusel", meinte Kohfeldt. Er bedankte sich mit viel Pathos bei seiner Mannschaft für den "Mut, Eifer und Enthusiasmus gegen die stärkste Mannschaft Deutschlands".

DFB-Pokal 2018/19 Halbfinale | Werder Bremen vs. FC Bayern München | Niko Kovac
Niko Kovac: "Der Kingsley fällt nicht ohne Grund"Bild: Getty Images/Bongarts/S. Franklin

Packende Partie im Weserstadion

Aber er hatte nicht ganz unrecht. Eine selten gesehene Intensität in den Zweikämpfen, Giftpfeile zwischen Trainern und Spielern an der Seitenlinie und ein Bremer Comeback nach 0:2-Rückstand mit zwei Toren innerhalb von zwei Minuten (Osako 74., Rashica 75.). Dieser Pokalabend hatte noch viel mehr zu bieten als diesen umstrittenen Foulelfmeter, und daran waren die Bremer nicht ganz unbeteiligt. "Das Spiel war eigentlich schon durch, und dann kommen wir nochmal auf 2:2 ran. Wahnsinn", meinte Bremens Kevin Möhwald. "Das war ziemlich laut im Stadion nach dem Ausgleich", meinte Mittelfeldpartner Eggestein. "Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, wenn es den Elfmeter nicht gegeben hätte."

DFB-Pokal 2018/19 Halbfinale | Werder Bremen vs. FC Bayern München | Tor Bremen
Yuya Osako schießt das erste Tor für die Bremer aus elf Metern flach ins rechte EckBild: Reuters/F. Bimmer

Doch Lewandowski behielt nach seinem ersten Treffer (36. Minute) auch vom Punkt die Nerven und kegelte Werder aus dem Wettbewerb. Der Finaleinzug hätte für Bremen die vorzeitige Qualifikation für die Europa League bedeutet - das ausgegebene Saisonziel. Nun muss Werder wieder mit der Bundesliga vorlieb nehmen. Das Restprogramm mit Partien gegen Düsseldorf, Dortmund, Hoffenheim und Leipzig hat es allerdings in sich.

Auch für die Bayern und Niko Kovac biegt die Saison auf die Zielgerade ein. Nach dem Aus in der Champions League gegen Liverpool können die Münchner eine fast schon verkorkst geglaubte Saison noch retten - mit zwei möglichen Titeln in der Meisterschaft und im DFB-Pokal. Für Kovac ist es sogar das dritte Pokalendspiel in Folge. Zuvor hatte er zweimal Eintracht Frankfurt ins Finale geführt, im vergangenen Jahr sogar völlig überraschend seinen jetzigen Arbeitgeber besiegt und den Pokal geholt. "Es war etwas glücklich, aber wir sind verdient weiter gekommen, weil wir die besseren Chancen hatten", meinte Kovac. Das Wort Dusel kam ihm nicht über die Lippen.