Balaton statt Ballermann
20. August 2002Wirtschaftskrise und Teuro verschonen auch die Reisebranche nicht. Schon jetzt steht fest, dass die Deutschen sich bei Urlaubsreisen dieses Jahr zurückhalten. Viele Anbieter verzeichnen Buchungsrückgänge. Selbst deutsche "Urlaubskolonien" wie Mallorca oder Teneriffa sind davon betroffen.
Unberechenbares Urlaubsverhalten
Der Geschäftsführer des "Bundesverbandes Tourismuswirtschaft" nennt Konjunkturschwäche, die Angst um den Arbeitsplatz, sowie die allgemeine Kaufzurückhaltung als mögliche Gründe für die Zurückhaltung bei Urlaubsreisen.
Trotzdem möchte Ulrich Rüter die Situation nicht als "dramatisch" einstufen. "Die Reiselust der Deutschen hat sich generell nicht verändert." Die Planungen würden lediglich individueller, das Urlaubsverhalten der Deutschen immer unberechenbarer. "Wie und wohin gereist wird, entscheiden immer mehr Deutsche im letzten Moment", beschreibt Rüter den Trend zur kurzfristigen Reiseplanung.
Touristische Tigerstaaten im Osten
Unterdessen zeigen sich einige Newcomer unter den Reiseländern weniger betroffen von der neuen Zögerlichkeit deutscher Urlauber. Aufstrebende Urlaubsparadiese in Osteuropa machen den Klassikern Konkurrenz. Reiseveranstalter bestätigen: Länder wie Kroatien, Bulgarien, Slowenien, Rumänien und Ungarn sind sehr gut gebucht. Das Gleiche gilt für die Türkei. Den touristischen Aufschwung der Länder in Osteuropa führt Lothar Buss vom Touristikkonzern Thomas Cook vor allen Dingen auf das vergleichsweise niedrige Preisniveau zurück. "Nicht nur die Unterkünfte, sondern auch Nebenkosten wie Getränke oder Essen sind nach wie vor günstig."
Gleichzeitig habe sich die Qualität der Unterkünfte erheblich verbessert. Da ist es kein Wunder, dass selbst passionierter Mallorca-Urlauber aus Kostengründen Ersatzziele ausspähen. Sie lassen ihre Parties eben nicht mehr am Ballermann, sondern am Balaton steigen.
Ein weiterer, entscheidender Faktor für den aktuellen Boom: Der europäische Osten wird nun auch für die Bewohner der neuen Bundesländer wieder interessant. Mehr als zehn Jahre nach dem Fall der Mauer scheint der erste Durst nach einst verbotenen Reisezielen wie Mallorca oder den Kanaren gestillt zu sein.
Zu Hause ist es immer noch am schönsten
Trotz ihres rasanten touristischen Aufschwungs sind die neuen Trendländer wie Kroatien oder Bulgarien weit davon entfernt, das traditionelle Lieblingsziel der deutschen Urlauber zu überflügeln. Denn das ist immer noch die eigene Heimat. "Deutschland ist immer noch des Deutschen liebstes Reiseziel", meint Dirk Dunkelberg vom vom Deutschen Tourismusverband. Nach seinen Angaben buchen die Deutschen rund ein Drittel aller Reisen im Inland. Besonders bei Zweit- oder Drittreisen und Kurzurlauben würden die heimatlichen Gefilde bevorzugt. Dazu zählen die Ostsee- und die Nordseeküste sowie die Alpen, aber auch Mecklenburg-Vorpommern.
Mit dieser Urlaubsvorliebe sind die Deutschen nicht allein. Weltweit zählt Deutschland zusammen mit den USA, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien zu den attraktivsten Urlaubszielen. Am meisten Geld gaben die Niederländer in Deutschland aus, nämlich rund 13 Prozent der Tourismus-Einnahmen. Direkt danach folgen Schweizer, Österreicher, Briten, US-Amerikaner und Franzosen.