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Politik

Axt: "Die Chance für die Lösung des Namensstreites"

Elizabeta Milosevska- Fidanoska
19. Januar 2018

Eine baldige Beilegung des Namensstreits zwischen Mazedonien und Griechenland ist nicht zu erwarten, sagt der Südosteuropa-Experte, Heinz-Jürgen Axt . Eine Bewegung in der Sache ist aber ein positives Zeichen.

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Mazedonien | Proteste gegen den griechischen Außenminister 2014
Proteste in Skopje im Namensstreit zwischen Mazedonien und GriechenlandBild: Getty Images/R. Atnasovski

Deutsche Welle: Herr Axt, diplomatische Bemühungen um die Beilegung des Namensstreits intensivieren sich. Manche Beobachter glauben sogar, dass die Lösung bald erreicht werden konnte. Haben sie Recht?

Heinz-Jürgen Axt: Zunächst einmal muss positiv registriert werden, dass beide Seiten miteinander reden. Das war in der Vergangenheit ja nicht der Fall, weil oft Vorbedingungen für einen Dialog gestellt worden sind. Der Regierungswechsel in Skopje mag der Anlass dafür gewesen sind, dass es nunmehr zu Gesprächen gekommen ist. In Griechenland hat sich SYRIZA zu Zeiten der Opposition in der Namensfrage konzilianter gegeben, hat aber nach Regierungsantritt im Januar 2015 keine ernsthaften Schritte unternommen, zur Lösung der Namensfrage zu kommen. Wahrscheinlich hat sich der kleinere Koalitionspartner ANEL unter Herrn Kammenos dagegen ausgesprochen. Mit der neuen Regierung in Mazedonien hat sich die Situation gewandelt, weil diese nicht so sehr wie die Vorgängerregierung in der "Antikisierung der mazedonischen Identität" ihr eigenes Profil sucht. Die Konstellation bietet also durchaus Chancen.

Was könnte die größte Komplikation darstellen?

Leipziger Buchmesse Panel Endstation Kroatien? Heinz-Jürgen Axt
Balkan darf nicht von Europa "abdriften": Heinz-Jürgen Axt Bild: DW/N Rujevic

Der Bewegungsspielraum auf mazedonischer Seite ist durch die Anhänger der Partei VMRO begrenzt. Sie hat die Namensfrage zur existentiellen Frage erklärt. Von der heutigen Regierungspartei erwarten die Wähler wohl mehr als die Definition der nationalen Identität. Gefragt wird, wie die ökonomische und soziale Situation verbessert werden kann. Wenn hier die Bemühungen der Regierung Erfolge verzeichnen können, ist die mazedonische Seite auch eher kompromissbereit.

Auf griechischer Seite sollte eigentlich auch die Regierungspartei SYRIZA kompromissbereiter sein, weil sie das in der Vergangenheit deklariert hat. Widerstände sind hier aber nicht zu unterschätzen: Erstens haben jüngste Meinungsumfragen offenbart, dass 7 von 10 Griechen dagegen sind, dass ein Kompromiss in der Namensfrage auch den Begriff „Mazedonien" enthalten sollte. Ohne diesen Begriff wäre auch für die jetzige Regierung in Skopje ein Kompromissvorschlag kaum verhandelbar. Weiter: Bei den griechischen Bürgern bestätigt die Umfrage, dass Wähler der SYRIZA eher kompromissbereit sind. Hier sind es "nur" 54 Prozent, die den Begriff Mazedonien nicht verwendet sehen wollen. Anders bei den Wählern der Neuen Demokratie, die in der rechten Mitte zu verorten ist. Hier sind 67 Prozent gegen die Verwendung des Begriffs Mazedonien. Ähnlich dürfte die Stimmungslage bei dem Kooperationspartner ANEL sein. Nicht zu unterschätzen ist auch die orthodoxe Kirche in Griechenland. Erzbischof Ieronymos hat sich jüngst dezidiert nationalistisch geäußert, so dass sogar Ministerpräsident Tsipras einen Brief an ihn gerichtet hat, um zur moderaten Haltung aufzurufen.

Was unterscheidet den aktuellen Moment in den bilateralen Beziehungen und im internationalen Kontext von dem letzten Vierteljahrhundert in welchem man mal mehr, mal weniger intensive Gespräche geführt hat?

Zum einen sind die innenpolitischen Veränderungen in beiden Ländern zu nennen, auch wenn man von überzogenen Erwartungen warnen sollte. Zum anderen ist die Lage auf dem Balkan nicht unkompliziert. Alte Konflikte sind noch nicht gelöst, oder kommen wieder hoch wie beispielsweise auch zwischen den ethnischen Gruppen in Mazedonien. Eine schnelle Annäherung der Balkanstaaten an die EU ist nicht in Sicht. Der Wille zu durchgreifenden Reformen in den Staaten ist erlahmt. Innere Probleme wie Klientelismus oder Korruption hemmen die Entwicklung. Vielleicht entsteht in dieser Situation eine eigentlich paradox zu nennende Situation: Im Balkan erkennt man zumindest partiell, dass man selbst die Dinge anpacken muss, dass von außen keine Wunderdinge zu erwarten sind. Diese Ernüchterung könnte auch die Kompromissfindung in der Namensfrage beflügeln. Wie gezeigt, sind die Widerstände aber nicht zu unterschätzen.

Wer steht unter größerem Druck – Herr Tsipras oder Herr Zaev? Wer hat zurzeit größere Interesse an der Lösung des Problems?

Die mazedonische Seite hat auf jeden Fall mehr zu gewinnen. Das ist auch die Sichtweise in Griechenland, was natürlich auch einen hemmenden Faktor darstellt. Die griechische Seite kann internationale Reputation zurückgewinnen. Dass sich Athen bei etlichen Entscheidungen wie beispielsweise dem geplanten Beitritt Mazedoniens zur NATO nicht an die zweiseitige vertragliche Abmachung von 1995 gehalten hat, hat Griechenland aber auch nicht allzu sehr geschadet, weil die Staatengemeinschaft, die EU eingeschlossen, andere Fragen als vordringlicher angesehen hat. Von "großem Druck" kann man also wohl auf beiden Seiten kaum sprechen. Herr Zaev drängt offensichtlich mehr.

Wie schnell wird der Prozess sein?

Es würde angesichts der gemachten Erfahrungen wundern, wenn es schnell ginge. Schon die Frage, wie man den Disput organisatorisch behandeln möchte, ist stark taktisch aufgeladen. Beide Seiten werden allerdings kaum ihr Gesicht verlieren wollen, was immer ein Mindestmaß an Goodwill erfordert. Das eigentliche Problem besteht ja darin, dass man die Namensfrage aus innenpolitischen Gründen – Bindung von Wählern – so stark aufgeheizt hat und jetzt nach Wegen suchen muss, aus dieser Kalamität wieder herauszukommen. Das betrifft beide Seiten. Vielleicht hat die mazedonische Regierung einen kleinen Vorteil: Sie ist noch nicht so lange wie SYRIZA an der Regierung. Und die heiklen Fragen lassen sich, so einer Politik-Weisheit, am besten kurz nach Regierungsantritt angehen und lösen.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat das Jahr 2018 als Entscheidendes für den Balkan dargestellt. Welche regionalen Probleme sehen Sie am Ende des Jahres gelöst? Wird das Problem des Namens unter den gelösten Fragen?

Wissenschaftler eignen sich wenig für Prognosen. Im Nachhinein haben sie meist die stärkeren Argumente. Aber im Ernst: Angesichts der bisherigen Erfahrungen, würde es wundern, wenn am 31.12.2018 die Kontroverse gelöst wäre. Die Chance ist gegeben. Die Verantwortung liegt zuvörderst bei beiden unmittelbar beteiligten Seiten. Die EU dürfte sich vor allem darum kümmern, dass der Balkan nicht von Europa "abdriftet", und dass Reformkräfte nicht entmutigt werden.

Das Interview führte Elizabeta Milosevska Fidanoska.

Prof. em. Heinz-Jürgen Axt leitete bis 2012 den Lehrstuhl für Europäische Integration und Europapolitik der Universität Duisburg-Essen. Zu seinen Forschungschwerpunkten gehörten auch die Beziehungen Griechenlands zu seinen Nachbarn.