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Automobilzulieferer unter Druck

Thomas Kohlmann
3. August 2019

Die Automobilzulieferer stehen vor harten Zeiten: Die Absatzzahlen gehen zurück, der Umstieg auf die E-Mobilität kostet Milliarden. Die Folgen: Sparprogramme, Werksschließungen, Jobabbau. Aber es gibt auch Gewinner.

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Deutschland | Continental-Leistungselektronik für Hybrid- und Elektrofahrzeuge
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

"Wir haben einige super Jahre erlebt, aber die Feierlaune ist jetzt vorbei." So lautet das knappe Fazit des Branchen-Experten Peter Fuß von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) über die aktuelle Situation der Autobauer und ihrer Zulieferer.

Die wichtigsten Absatzmärkte Europa, USA und China treten auf der Stelle oder sind bereits deutlich im Rückwärtsgang. Allein in den drei Weltregionen werden knapp 70 Prozent der weltweit produzierten Automobile verkauft. Besonders die Schwäche des wichtigsten Wachstumsmarktes China verhagelt jetzt den meisten Herstellern gewaltig die Bilanzen.

Das schwächelnde China-Geschäft hat die Branche auf dem falschen Fuß erwischt, sagt Elmar Kades vom Beratungsunternehmen AlixPartners im Interview mit der DW: "2017 waren es noch 28 Millionen Autos, die für den chinesischen Markt produziert wurden und für 2019 rechnet man damit, dass es nur noch 25 Millionen sind. Diesen Rückgang hat es so in den letzten 20 Jahren nicht gegeben."

Deutschland | Automobilzuliefere ZF | Getriebe
Bald schon ein Auslaufmodell? Sechsgang-Getriebe von ZF FriedrichshafenBild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Dominoeffekt

Und für jedes Auto, das für die schwächelnden Märkte in den USA und China nicht gebaut wird, werden auch von den Zulieferern keine Komponenten gebraucht. Sie produzieren und verkaufen also weniger, als in den zurückliegenden Boomjahren der Autobranche.

Es vergeht zur Zeit kaum eine Woche ohne Gewinnwarnungen, Ankündigungen von Sparprogrammen und Jobabbau bei den deutschen Zulieferern. Nicht nur die großen, börsennotierten Branchenschwergewichte Continental (Artikelbild) und Schaeffler haben ihre Erwartungen für das laufende Jahr deutlich zurückgeschraubt. Auch beim Technologiespezialisten Bosch stellt man sich auf magere Zeiten ein, vor allem im einst so florierenden Diesel-Bereich - Stellenstreichungen werden immer wahrscheinlicher.

Anbieter von Komponenten für den Verbrennungsmotor sind besonders stark unter Druck: Die Stuttgarter Mahle GmbH, einer der 20 größten Automobil-Zulieferer weltweit, der als Spezialist für Kolben, Zylinder und Ventilsteuerungen gilt, streicht Stellen und macht eines seiner Werke dicht. Ebenfalls Negativschlagzeilen kamen Ende Juli aus Böblingen: Dort meldete der Anlagenbauer Eisenmann, Anbieter von Lackierereien für die Autobranche, Insolvenz an. Neben den Konjunkturproblemen der Branche hatte Eisenmann durch einige Großprojekte hohe Verluste eingefahren.

Hannover - Volkswagen Plattform eines Elektrofahrzeug
Alles auf eine Karte? Plattform eines E-Autos mit zentraler Batterie von Volkswagen Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

"Größter Wandel in der Geschichte der Automobilindustrie"

"Die Automobilindustrie steht vor dem größten Wandel ihrer Geschichte", sagt Stefan Wolf, Chef des Zulieferers ElringKlinger und Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. Sein Unternehmen bietet neben Lösungen für Verbrennungsmotoren auch Brennstoffzellen- und Batterietechnik für die Elektromobilität an. Dass Volkswagen künftig voll und ganz auf die Produktion von batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen steckt, hält Wolf, der ein überzeugter Verfechter der Brennstoffzelle ist, für "absolut falsch".

Die Herausforderungen sind gewaltig: Die aktuelle Absatzschwäche fällt mit massiven Investitionen der Fahrzeughersteller und -zulieferer von weltweit mindestens 200 Milliarden Euro zusammen. Diese Summe wird in den kommenden fünf Jahren fällig, um den Technologiewandel zum Elektroantrieb und die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von rund 300 geplanten neuen Elektroauto-Modellen zu meistern. Dazu kommen über 45 Milliarden Euro für die Entwicklung von Systemen für das autonome Fahren. Insgesamt, so rechnet die Studie "Global Automotive Outlook 2019" der Berater von AlixPartners vor, muss die Branche alleine in diese beiden Zukunftsbereiche von 2019 bis 2023 über 245 Milliarden Euro investieren.

Zu den Investitionen in die Elektrotechnologie und das autonome Fahren kommen noch die Kosten für die Vernetzung der Autos von morgen und die Entwicklung neuer Konzepte für die Mobilität der Zukunft wie Car-Sharing. Die Abkürzung C.A.S.E. steht dabei für die vier zentralen Zukunftsthemen, die von der Automobilindustrie in den nächsten Jahren gestemmt werden müssen: connected, autonomous, shared und electrified.

Deutschland | Autozulieferer ElringKlinger
Produktion von Zylinderkopfdichtungen für Verbrennungsmotoren beim Zulieferer ElringKlinger Bild: picture-alliance/dpa/Bildfunk/S. Schuldt

Dass der größte Umbruch in der Geschichte der Branche nur Verlierer kennt, glaubt Studienautor Elmar Kades allerdings nicht: " Zu den Gewinnern gehören natürlich die, die Batterien, Komponenten für Erfassungssysteme und Sensoren bauen, alle Anbieter von Elementen für die Elektrifizierung. Die werden ein zweistelliges Wachstum haben und schauen müssen, dass sie schnell genug Produkte auf den Markt bringen, die die Automobilhersteller dann kaufen."

Bei den reinen Anbietern von Verbrennungstechnik unter den Zulieferern werde das Geschäft allerdings kontinuierlich zurückgehen. Trotzdem, so Kades, haben die Zulieferer gegenüber anderen Technologiebranchen einen Vorteil: "Die Umstellung ist ein nicht so schneller Prozess wie z.B. in der Handy-Branche, wo sie innerhalb kürzester Zeit eine komplette Veränderung der Produkt-Landschaft haben können."