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Politik

Globalisierungskritiker sind nicht gemeinnützig

26. Februar 2019

Attac wurde 1998 in Frankreich als "Verein zur Besteuerung von Finanztransaktionen" gegründet. In mehr als 50 Ländern ist die NGO aktiv. In Deutschland aber wird es mit der Finanzierung schwierig.

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Hauptversammlung Deutsche Bank Attac
Bild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Die globalisierungskritische Organisation Attac ist in Deutschland nicht gemeinnützig. Nach jahrelangem Rechtsstreit hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, das Netzwerk betreibe tagespolitischen Aktivismus. Die von Attac Deutschland geführten Kampagnen seien deshalb keine gemeinnützige politische Bildungsarbeit, urteilt das höchste deutsche Finanzgericht (Az. V R 60/17).

Die Folgen für den Attac-Trägerverein sind erheblich: Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt vor allem dazu, dass keine Spendenbescheinigungen ausgestellt werden dürfen. Wer Attac finanziell unterstützen möchte, kann seine Spenden nicht von der Steuer absetzen.

Zu wenig "geistige Offenheit"

Der juristische Streit um die Gemeinnützigkeit dauert schon seit 2014. Damals hatte das zuständige Finanzamt dem Attac-Trägerverein die Gemeinnützigkeit entzogen. Das Finanzamt begründete das mit der allgemeinen politischen Tätigkeit, die nicht als gemeinnützig gelte. Attac zog vor das Hessische Finanzgericht - und bekam Recht: Die politischen Aktionen von Attac trügen zur "Volksbildung" bei, entschieden die Richter. Dieses Urteil wurde nun von der höchsten Instanz kassiert.

Hamburg Protest gegen G20
Attac-Protest zum G20-Gipfel in Hamburg: "Volksbildung" oder "politischer Aktionismus"?Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Die Abgabenordnung, so der BFH, weise 25 gemeinnützige Zwecke auf, wie etwa den Verbraucherschutz, den Tierschutz, Umwelt, Sport - und die politische Bildung, zu der auch die Volksbildung gehört. Die Volksbildung müsse aber eigenständig und in "geistiger Offenheit" betrieben werden. Das sei bei Attac nicht der Fall, erklären die höchsten Finanzrichter. Der Trägerverein habe vielmehr ganz konkrete Lösungsvorschläge zu bestimmten allgemeinpolitischen Themen durchsetzen wollen, etwa zum Sparpaket der Bundesregierung, der Bekämpfung der Steuerflucht oder zum bedingungslosen Grundeinkommen.

Interessengruppen und ähnlichen Organisationen sei es grundsätzlich erlaubt, politisch Stellung zu beziehen, wenn es um ihre Anliegen - etwa den Umweltschutz - gehe, sagte der Vorsitzende des 5. BFH-Senats, Bernd Heuermann. Attac aber betreibe "politischen Aktionismus, der weit über diese Zwecke hinausgeht". Wörtlich sagte der Richter Heuermann: "Attac geht es nicht um politische Bildung, sondern um die Durchsetzung eigener Vorstellungen allgemeinpolitischer Art."

"Verheerendes Signal"

In einer ersten Reaktion warf Attac dem BFH vor, den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen einzuengen. Insbesondere die Förderung der Bildung und des demokratischen Staatswesens werde deutlich eingeschränkt. Dirk Friedrichs, Vorstand im Attac-Trägerverein, sprach von einem "verheerenden Signal für die gesamte kritische Zivilgesellschaft in Deutschland."  

Auch Linken-Chef Bernd Riexinger wertet die Entscheidung als "Angriff auf das demokratische Grundverständnis in Deutschland". Forderungen von Attac etwa nach einer Finanztransaktionssteuer oder einer Vermögensabgabe seien im Sinne des Allgemeinwohls. Von einem "schwarzen Tag für die Demokratie" sprach auch der zu den Mitbegründern von Attac gehörende Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold.

rb/uh (afp, dpa, epd, rtr)