Ein großes internationales Team von 140 Forschenden, unterstützt vom Global Research on Antimicrobial Resistence Project (GRAM) hat an diesem Mittwoch (19.01.2022) eine umfassende Bestandsaufnahme der weltweiten Gefahr durch Antibiotika-resistente Keime vorgelegt.
Die Forschenden haben errechnet, dass es weltweit im Jahr 2019 etwa 4,95 Millionen Todesfälle in Verbindung mit Infektionen mit resistenten Bakterien gegeben hat. Diese Zahl ist allerdings ein mathematischer Durchschnittswert in einem statistischen Modell. Präzise Daten gibt es nicht, weil nicht über alle Länder der Welt verlässliche Zahlen dazu vorliegen. Es könnten zwischen 3,62 und 6,57 Millionen Verstorbene gewesen sein, schreiben die Forschenden in dem Fachjournal "The Lancet". Darunter waren 1,27 Millionen Fälle, die eindeutig und direkt auf die Infektion mit resistenten Keimen zurückgingen.
Antibiotika-resistente Keime müssen bei gesunden Menschen nicht zwangsläufig eine Erkrankung herbeiführen. Aber bei Kleinkindern, Alten oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Infektion tödlich verlaufen, weil Ärzte keine Gegenmittel mehr zur Hand haben.
Subsahara-Länder am stärksten betroffen
Am schwersten war Subsahara-Afrika betroffen. Dort starben etwa 27,3 von 100.000 Einwohnern an Infektionen mit resistenten Keimen. Am häufigsten starben Kinder unter fünf Jahren an dadurch ausgelösten bakteriellen Infektionskrankheiten. Am wenigsten war die Region Australasien (Australien, Neuseeland, Neuguinea und Melanesien) betroffen, wo 6,5 von 100.000 Einwohnern daran starben.
Der größte Anteil der tödlich verlaufenden Infektionen begann in den tieferen Atemwegen. Solche bakteriellen Lungenentzündungen waren mit 1,5 Millionen Opfern die gefährlichste Infektionskrankheit überhaupt.
Die sechs gefährlichsten bakteriellen Erreger
Sechs resistente Keime listen die Forschenden als Hauptverursacher der tödlichen Erkrankungen auf. Diese können für etwa 3,57 Millionen der durchschnittlich errechneten Todeszahlen verantwortlich gemacht werden:
- Das Kolibakterium (Echerichia coli) ist ein Darmbakterium, das bei allen Menschen vorkommt. Die meisten Stämme dieses Bakteriums sind nicht krankheitserregend, aber einige pathogene Stämme sind hochgefährlich, darunter zum Beispiel das Enterohämorrhagische E. coli (EHEC), dass 2011 auf kontaminierten Bockshornklee-Keimlingen aus Ägypten gefunden wurde und zu zahlreichen Todesfällen geführt hatte.
- Staphylococcus aureus lebt bei uns auf der Haut. Der als Krankenhauskeim bekannte Methillicin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) verbreitet sich rapide in der Landwirtschaft, etwa in der Schweinezucht, wo häufig Antibiotika eingesetzt werden. MRSA machen die Forschenden für etwa 100.000 Todesfälle im Jahr 2019 verantwortlich.
- Das Darmbakterium Klebsiella pneumoniae ist von Natur aus gegen eine ganze Reihe Antibiotika resistent. Seit dem 21. Jahrhundert wurden auch Stämme gefunden, die resistent gegen Antibiotika vom Typ der Carbapeneme immun sind. Das Bakterium verursacht vor allem Lungenentzündungen aber auch Infektionen anderer Organe, insbesondere wenn es bei Operationen durch Wunden eindringt.
- Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) leben in den Schleimhäuten des Nasen-Rachenraumes. Erkrankungen sind meist Lungenentzündungen, die besonders Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder ältere Patienten betreffen. Geraten diese Keime in die Blutbahn, kann es zu einer lebensbedrohlichen Sepsis kommen. Die meisten Pneumokokken sind mit Penicillin gut zu bekämpfen, aber der Stamm der nicht-verkapselten Pneumokokken (NESp) bildet häufig Resistenzen aus. Gegen Pneumokokken gibt es eine Impfung.
- Ein weiterer gefährlicher Krankenhauskeim ist Acinetobacter baumannii. Der multiresistente Keim tritt weltweit oft auf Intensivstationen auf. Das Bakterium bildet Biofilme und hält sich auch bei Trockenheit über lange Zeit auf Oberflächen. Die Gefahr einer Schmierinfektion ist besonders groß.
- Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa fühlt sich in feuchten Millieus wohl, also etwa in Nasszellen und Küchen, aber auch in Lebensmitteln oder Dialysegeräten. Sogar in bestimmten Medikamenten und Desinfektionsmitteln kann er sich halten. Das Bakterium ist für etwa ein Zehntel aller Krankenhausinfektionen verantwortlich und verursacht etwa Harnwegsinfektionen, Darminfektionen oder Hirnhautentzündungen.
Es gibt, neben der Forschung an neuen Antibiotika auch verschiedene alternative Ansätze, um Erreger zu bekämpfen. Dazu gehören etwa Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien angreifen oder auch Endolysine bzw. Artilysine. Das sind maßgeschneiderte Enzyme, die Zellwände von Bakterien auflösen, ohne dass diese dagegen Resistenzen bilden können.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Klebsiella pneumoniae
Rund drei bis fünf Prozent der Bevölkerung tragen Klebsiella pneumoniae in sich, krank werden sie dank ihres Immunsystems nicht. Anders bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder akuten Infektionen. Die Folge: schwere Magen-Darm-Infektionen, Lungenentzündung, Blutvergiftung – je nachdem, wo sich das Bakterium einnistet. Klebsiella pneumoniae ist einer der gefährlichsten Krankenhauskeime.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Candida auris
Candida auris ist ein sich verbreitender Hefepilz. Gegen Fungizide, die bisher erfolgreich zur Bekämpfung von Candida Pilzen eingesetzt wurden, ist er bereits multiresistent. Er tauchte bisher auf fünf Kontinenten auf und war so schwer loszuwerden, dass einige Krankenhäuser schließen mussten, um ihn zu beseitigen.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Pseudomonas aeruginosa
Dieses hochresistente Bakterium wurde von der WHO als eine der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit eingestuft. Außerdem ist es eines der häufigsten Krankenhauskeime. Es ist insbesondere für immungeschwächte Menschen gefährlich, doch auch gesunde Menschen können Ohr- oder Hautinfektionen bekommen, wenn sie mit ihm in Kontakt kommen.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Neisseria gonorrhea
Gegen Tripper gibt es keinen Impfstoff, daher sind Antibiotika die einzige Option zur Behandlung der Infektion. Doch die sexuell übertragbare Krankheit ist zunehmend resistent gegen die Medikamente, die normalerweise bei der Therapie zum Einsatz kommen. Zwei Fälle von sogenannter Super-Gonorrhö wurden 2018 in Australien und zwei weitere Anfang 2019 in Großbritannien gemeldet.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Salmonellen
Eine Infektion mit Salmonellen kann verschiedene Erkrankungen auslösen, etwa Typhus, Paratyphus oder Darmentzündungen. In den letzten Jahrzehnten ist ein hochansteckender, antibiotikaresistenter Stamm entstanden. In Asien und Afrika gibt es zum Beispiel immer wieder Epidemien der medikamentenresistenten Bakterien, die sich durch kontaminierte Lebensmittel oder durchs Wasser verbreiten.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Acinetobacter baumannii
Dieser Erreger kommt häufig in Böden und Gewässern vor. Für gesunde Menschen ist er weitestgehend ungefährlich. Doch bei schwerkranken und schwachen Personen kann der Keim schwere Lungenentzündungen, Wundinfektionen und Blutvergiftungen (Sepsis) mit tödlichen Verläufen verursachen. Aus diesem Grund erleiden besonders Patienten auf Intensivstationen häufig Acinetobacter-Infektionen.
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Die gefährlichsten Super-Keime
Arzneimittelresistente Tuberkulose
Mycobacterium tuberculosis ist eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten mit mehr als 1,7 Millionen Todesfällen pro Jahr. Es wird geschätzt, dass bis zu sechs Prozent aller neuen Tuberkulose-Fälle weitgehend medikamentenresistent sind und nicht mehr auf die wirksamsten Behandlungsmethoden reagieren.
Autorin/Autor: Charli Shield (hf)