Annecy Filmfestival: Von 2D und Stop-Motion bis VR
12. Juni 2023Für die Fans des Animationsfilms ist die französische Vor-Alpenstadt Annecy das, was Cannes für Kinofans ist. Jedes Jahr im Juni findet hier das berühmte Animationsfilmfestival statt. Es wurde 1960 gegründet und hat sich schnell zu einem der wichtigsten Festivals weltweit entwickelt. Hunderte Animationsfilme laufen im Wettbewerb. Es gibt studentische Abschlussarbeiten genauso zu sehen wie Kurzfilme oder kostenintensive Studio-Produktionen.
Auf dem Programm 2023 stehen 468 Filme - von Premieren, Sneak Peeks, über Outdoor-Screenings jeden Abend, bis hin zu exklusiven Filmvorführungen und einem "Pride and Diversity"-Programm.Dieses Jahr wurde der Start des Festivals durch eine blutige Messerattacke auf Kinder überschattet. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich um eine Einzeltat handelte. In Absprache mit den Behörden und mit dem Bürgermeister von Annecy, sollte das Festival offiziell zwar am 11. Juni 2023 beginnen, doch die Organisatoren haben als Zeichen der Solidarität mit den Familien und den Opfern der Messerattacke beschlossen, den Beginn der Freiluftvorführungen auf Montag, den 12. Juni, zu verschieben. Im Pressecommuniqué heißt es: "Die Vorführungen des Festivals stehen im Zeichen der Werte, die wir immer verteidigt haben: Gemeinschaftssinn, Solidarität und Brüderlichkeit."
Weltweit mehr Animationsfilme
"Es werden immer mehr Filme produziert, deren Qualität immer höher und deren Herkunft immer vielfältiger wird," meint Marcel Jean, künstlerischer Leiter des Festivals, gegenüber der DW. Und das zeigt sich auch in der offiziellen Auswahl des diesjährigen Festivals. Es gibt Filme aus Kamerun, Jordanien, Dänemark, Ungarn, Japan, Kanada, China und vielen anderen Ländern zu sehen.
"Dieses Jahr steht beim Festival der mexikanische Animationsfilm im Mittelpunkt," führt Marcel Jean aus. "Jeder kennt Guillermo del Toro und Jorge R. Gutierrez, aber was weiß man wirklich über den mexikanischen Animationsfilm, der immer noch sehr wenig bekannt ist?" So ist es auf der Webseite des Festivals zu lesen. Deshalb wolle man den mexikanischen Filmen eine Plattform bieten, so Marcel Jean. Festivalbesucher können sich zahlreiche neue und alte mexikanische Filme anschauen. Guillermo del Toro wird auch zugegen sein.
Außerdem werden zwei Spielfilme in der Work-in-Progress-Kategorie gezeigt: "Frankelda y el príncipe de los sustos" und "Batman Azteca: choc de imperios". "Das ist für ein Land, das nicht sehr viele Filme produziert, sehr bedeutend," meint Marcel Jean.
Ein anderes Land, dass dieses Jahr mit einer größeren Filmauswahl vertreten ist: Ungarn. Gleich vier ungarische Filme gehen in den beiden Spielfilmkategorien ins Wettbewerbs-Rennen. "Darunter 'Toldi', ein Film des im letzten Jahr verstorbenen Marcell Jankovics," führt Marcel Jean aus.
"3D bleibt die bevorzugte Technik der großen Studios"
"Ein kurzer Blick auf die 23 Spielfilme des offiziellen Wettbewerbs zeigt, dass die Mehrheit der Filme in 2D produziert ist und dass Stop-Motion gut vertreten ist," sagt Marcel Jean. "3D bleibt die bevorzugte Technik der großen Studios" (wie DreamWorks, Disney oder Pixar). Unabhängige Filmemacher, die mit kleineren Budgets arbeiten, würden weiterhin die 2D-Animation bevorzugen, die in Anbetracht der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zugänglich bleibe.
Ein Film im Programm sticht in dieser Hinsicht besonders heraus: der ukrainische 3D-Film "Mavka - Hüterin des Waldes". Er ist während des Krieges in der Ukraine entstanden und wurde in einem Bombenschutzbunker produziert. In seiner ukrainischen Heimat hat der Animationsfilm von Oleg Malamuzh und Oleksandra Ruban bereits über eine Million Zuschauer in die Kinos gelockt und ist dort der erfolgreichste ukrainische Film aller Zeiten. In Deutschland soll er im September in die Kinos kommen.
Die Zukunft des Animationsfilms
Neben den Vorführungen von verschiedenen Animationsfilmen und dem Wettbewerb ist das Filmfestival von Annecy auch der größte internationale Markt für Animationsfilme. Es finden dort deshalb auch Vorträge zu den Themen statt, die sich in den kommenden Jahren in der Animationsbranche rasant weiterentwickeln werden: darunter Echtzeit-Animation, KI und anderen neuen Technologien.
Auch der Einsatz von Virtual Reality wird beim Festival in Vortragsreihen und sogar in einer Wettbewerbssektion behandelt. Auf VR-Reisen können sich Zuschauer in die Psyche eines psychisch labilen Künstlers begeben, in den verwirrten Kopf einer Abtreibungsgegnerin, die ihr Kind abgetrieben hat, oder eines britischen Bombenfliegers, der ein Gestapo-Hauptquartier zerstören will.
Das Filmfestival in Annecy läuft noch bis zum 17. Juni 2023.