1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anne Frank-Musical

Marc Koch27. Februar 2008

Erstmals in Europa hat eine Theatergruppe es gewagt, das "Tagebuch der Anne Frank" als Musical zu inszenieren. Aber ist das zulässig, mit leichter Muse an das Leben eines Holocaust-Opfers zu erinnern?

https://p.dw.com/p/DE4l
Vom Tagebuch zum Musical
Vom Tagebuch zum MusicalBild: AP

Das tragische Schicksal Anne Franks bewegt noch immer. Ihr Tagebuch gilt als eines der wichtigsten Dokumente des Holocaust. Der spanische Regisseur Rafael Alvero hat es jetzt als Musical neu aufbereitet. 22 Lieder mit entsprechenden Tanzszenen erzählen die Tragik des Lebens und Sterbens des jüdischen Mädchens aus Frankfurt am Main, das sich nach ihrer Flucht aus Deutschland bis zur Deportation 1944 mit seiner Familie in einer Wohnung in Amsterdam vor den Nazis versteckte. Bei der ersten Aufführung im Calderón-Theater in der spanischen Hauptstadt Madrid am 21. Februar gab es viel Beifall für die Darsteller und Musiker. Anne Franks Cousin Bernhard "Buddy" Elias aber ist entsetzt.

Eine Hommage an das Leben

Ein internationales Ensemble besingt Anne Franks tragisches Schicksal
Ein internationales Ensemble besingt Anne Franks tragisches SchicksalBild: AP

Trauer hätte Anne Frank nicht gewollt, davon ist Regisseur Alvaro fest überzeugt. "Wir müssen nach vorne schauen, und sei es nur, um ihr Andenken zu wahren", fordert er. Nun ist die Bühne frei, um Anne Franks kurzes Leben als Musical darzustellen. Damit ein zentrales Dokument des Holocaust als Sing- und Tanzspiel auf die Bühne kommen konnte, hat sich Regisseur Alvero entschieden: keine Politik, keine Religion und kein Geschichtsunterricht. Stattdessen versteht er das Tagebuch als "Lied an das Leben".

"Das Musical ist ganz klar eine Hommage an ein junges Mädchen voller Lebensfreude, voller Energie, Optimismus und Vorstellungskraft, das durch sein Tagebuch zu einer bewunderten Ikone für Generationen geworden ist." Diese Sicht hat dann auch die Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam dazu verleitet, dem Projekt nach jahrelangem Überlegen zuzustimmen.

Wie amüsant dürfen Erinnerungen an die Nazi-Zeit sein?

Anne, geboren am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main, starb im März 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen
Anne, geboren am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main, starb im März 1945 im Konzentrationslager Bergen-BelsenBild: APTN

Auch, weil sich die Produktion vom üblichen Musical-Getöse absetzt. Der große Star ist die 13-jährige Isabella Castillo. "Liebes Radio, ich habe es satt, eingesperrt zu sein. Ich möchte ein Vogel sein, um zu fliegen und nicht mehr zurückzukehren", singt die junge Schauspielerin. Zusammen mit dem kompletten Ensemble war sie am Originalschauplatz in Amsterdam, dem Haus, in dem sich das Anne Frank jahrelang vor den Nazis verborgen hatte. Dieser Besuch trug dazu bei, zu verhindern, dass das Stück zu einer reinen Spaßveranstaltung wurde. Immer wieder stellte sich Isabella bei ihrem Rundgang die Szenen vor, von denen das Tagebuch erzählt. "Das waren sehr spezielle Gefühle", erinnert sie sich.

'Buddy' Elias (rechts) übergab dem Anne Frank-Haus im Sommer 2007 25.000 Briefe, Fotos und andere Dokumente
'Buddy' Elias (rechts) übergab dem Anne Frank-Haus im Sommer 2007 25.000 Briefe, Fotos und andere DokumenteBild: AP

Für das Musical wurde nicht der Originaltext von Anne Frank benutzt. Das Libretto ist frei erfunden. Die Lieder sind populär, bleiben der Figur von Anne Frank aber in jedem Moment treu, behauptet Regisseur Alvero. Dafür sorgen auch Elemente aus der jüdischen Klezmer-Musik.

(K)ein Musical-Stoff für ein junges Zielpublikum?

Die Musical-Macher glauben, dass diese Mischung vor allem ein jüngeres Publikum mehr bewegen wird als ein Buch oder eine Ausstellung. Auf zusätzliches Merchandising wollen sie aber verzichten. Statt Tassen und T-Shirts wird es ein Begleitprogramm geben, das die historischen Hintergründe erklären soll.

Der 83-jährige Buddy Elias, einziger noch lebender Verwandter Anne Franks, möchte trotzdem nicht, dass das Tagebuch als unterhaltsames Tanzstück aufgeführt wird. Die Einladung zur Premiere lehnte er ab. Seiner Ansicht nach ist der Holocaust keinesfalls ein Thema, aus dem man ein Musical machen sollte. (yak)