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Angst und Misstrauen auf der Krim

Mikhail Bushuev28. Februar 2014

Das geplante Referendum über den Status der Krim sorgt für Spannungen zwischen Russen, Ukrainern und Krimtataren. Aber die meisten von ihnen glauben, dass sie nur Marionetten in einem großen politischen Spiel sind.

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Demonstranten vor dem Parlament in Simferopol (Foto: DW)
Bild: DW/M.Bushuev

Die Analogie ist nicht zu übersehen: Wie die Abgeordneten des Parlaments in Kiew, das von selbsternannten "Beschützern des Euromaidan" bewacht wird, sollen auch die Volksvertreter der Halbinsel Krim ihre Entscheidungen unter einer besonderen Bewachung treffen. Das haben sich die bewaffneten uniformierten Männer der "Russischen Selbstschutzeinheiten der Krim" wohl gedacht, als sie am Donnerstag (27.02.2014) die Gebäude des Parlaments und Ministerrats in Simferopol stürmten.

Und zur großen Zufriedenheit der prorussischen Demonstranten in der Hauptstadt der Krim fassten dann die Abgeordneten des Regionalparlaments noch am selben Tag den Beschluss, zeitgleich mit den ukrainischen Präsidentschaftswahlen am 25. Mai ein Referendum über den Status der Krim abzuhalten. Später in der Nacht besetzten bewaffnete Männer mit russischen Fahnen die Flughäfen in Simferopol und Sewastopol.

Ängste der Russen

Prorussische Demonstranten in Simferopol (Foto: DW)
Prorussische Demonstranten in SimferopolBild: DW/M.Bushuev

Russen stellen auf der Krim die Bevölkerungsmehrheit. Viele von ihnen sprechen nach dem Machtwechsel in Kiew von einer Verschwörung des Westens gegen den Osten. Sie müssten ihre "russische Zivilisation" jetzt vor ukrainischen Nationalisten schützen, glaubt Alexej, ein uniformierter Aktivist, Anfang 50. Vor allem in der ukrainischen Gruppierung "Rechter Sektor", die auf dem Maidan in Kiew aktiv war, sieht er eine Gefahr. "Sie sagen doch, uns Russen und Juden müsse man bekämpfen. Sollen wir da etwa tatenlos zusehen?", behauptet der Aktivist.

Viele Russen auf dem Platz vor dem Krim-Parlament fürchten vor allem um ihre Rechte und ihre Sprache, die der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch vor kurzem erst zur Regionalsprache aufgewertet hatte. "Ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen, meine Sprache ist Russisch", sagt Dmitri, ein Mann Mitte 30. Er kritisiert, dass die neue Parlamentsmehrheit in Kiew das Sprachengesetz wieder gekippt hat.

Dmitri ist überzeugt, mit der neuen Regierung in Kiew könne man keinen gemeinsamen Weg gehen. "Sie bringen Nationalismus und Chaos hierher. Sie versuchen, einen Keil zwischen Menschen verschiedener Religionen zu treiben", glaubt er. Was sich auf der Krim abspiele, sei nur eine Schutzreaktion. "Angefangen haben doch alles die drei Dummköpfe Tjagnibok, Jazenjuk und dieser Boxer, Klitschko." Und damit meint Dmitri die Führungsköpfe der bisherigen Opposition und neuen Entscheidungsträger in Kiew.

Krimtataren gegen Separatismus

Einen Konflikt mit der Volksgruppe der Krimtataren gebe es nicht, beteuern die Aktivisten Dmitri und Alexej. Doch die Schlägereien zwischen Russen und Krimtataren vor dem Parlament am Vortag, deren Bilder über alle TV-Kanäle gingen, zeigen das Gegenteil.

Einst von Stalin nach Zentralasien deportiert, stellen die Krimtataren heute etwa 14 Prozent der Bevölkerung auf der Krim. Sie allein seien die Stammbevölkerung der Halbinsel, sagt Leyla Muslimowa, Vertreterin des Medschlis, einer politischen Vereinigung der Krimtataren, vor ausländischen Journalisten. In dem geplanten Referendum über den Status der Halbinsel sehen die Krimtataren eine russische Verschwörung. Sie kritisieren, im Parlament von Simferopol werde offener Separatismus betrieben und die Regierung in Kiew sage kein Wort dazu.

Ukrainer unterstützen "Euromaidan“

Portrait von Andrej Schekun (Foto: DW)
Andrej Schekun: Ängste der Russen auf der Krim sind unbegründetBild: DW/M. Bushuev

Wer sich gut miteinander zu verstehen scheint, sind hingegen Krimtataren und Ukrainer. Die beiden Volksgruppen wollen im Gegensatz zu den Russen, die offen zum Separatismus aufrufen, dass die Halbinsel ein Bestandteil der Ukraine bleibt. Die Ukrainer sind auf der Krim gegenüber den Russen in der Minderheit. Viele von ihnen haben die Protestbewegung in Kiew unterstützt. Einer von ihnen ist Andrej Schekun, Koordinator der Bewegung "Euromaidan Krim". Von Anfang an habe seine Bewegung die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew unterstützt.

Er bedauert, dass prorussische Gruppen seiner Bewegung immer wieder Steine in den Weg legen. "Wir wurden Verräter der Krim genannt. Es gab verleumderische Videos über uns, die sogar in städtischen Einrichtungen und in Bussen gezeigt wurden", erzählt er im Gespräch mit der DW. Schekun hält die Angst der russischen Bevölkerung, die neue Macht in Kiew könne der Krim den autonomen Status wegnehmen, für unbegründet. Er glaubt, dass Moskau hinter den Unruhen auf der Krim steckt. Und die prorussischen Kräfte auf der Krim ließen sich vom Kreml instrumentalisieren.

Furcht vor weiterer Eskalation

Angesichts der Unruhen der letzten Tage fürchten manche Krimbewohner inzwischen, es könnte zu einem bewaffneten Konflikt kommen. Und doch sind die meisten Menschen ruhig in Simferopol. "Einen Krieg kann ich zwar nicht ausschließen, aber nicht wegen der Proteste hier. Das ist alles nur ein Deckmantel. Hier geht es um ganz große militärische und wirtschaftliche Interessen", meint der russischsprachige Anwalt Iwan.

"Keine Angst. es wird hier keinen Krieg geben und keine Abspaltung", versichert indessen eine Unternehmerin. Sie kommt aus Kiew und schaut auf den von unbekannten russischen Militärs besetzten Flughafen in Simferopol. "Moskau will sich mit diesen billigen KGB-Tricks einfach seinen Militärstützpunkt am Schwarzen Meer sichern. Man hat die Krim als Geisel genommen, damit Kiew schön brav bleibt."