Andreas Gursky: Nachdenken über die Welt
Die großformatigen Arbeiten des deutschen Künstlers Andreas Gursky zählen zu den teuersten der Welt. Eine Ausstellung in Baden-Baden zeigt digital perfekt bearbeitete Momentaufnahmen und malerische Fotografien.
Gruppenbild mit Kanzlerin
Kein historischer Schnappschuss, sondern ein Kunstprodukt: Die Köpfe der vier Bundeskanzler hat Gursky digital vor das Gemälde des Malers Barnett Newman montiert. Die Arbeit "Rückblick" entstand 2011 im Atelier: Bundeskanzlerin Angela Merkel, rechts daneben der "Kanzler der Einheit" Helmut Kohl, ganz links Gerhard Schröder und - zu erkennen am Zigarettenrauch - Helmut Schmidt.
Hilfe, ich bin ein Star...
Andreas Gursky ist als Künstler eher zurückhaltend und spricht ungern über seine Arbeiten. Bei der Pressekonferenz zu seiner aktuellen Ausstellung ist er ein vielgefragter Interviewpartner. In der Werkschau zeigt er 34 Arbeiten aus knapp 30 Jahren intensiver, fotografischer Beschäftigung mit dem Zustand der Welt - im Großformat. Nur ein kleines, analoges Bild (54x43) ist dabei.
Frankfurter Flughafen
Die über fünf Meter breite Fotoarbeit "Frankfurt" ist 2007 entstanden, mit erstaunlich aktuellen Bezügen, wie Ausstellungskurator Udo Kittelmann bei der Pressekonferenz einräumt: "Die Menschen auf diesem Bild sind erkennbar nicht aus Westeuropa, sondern aus dem arabischen Raum." Der Künstler will diese Arbeit aber nicht als Kommentar zu derzeitigen Flüchtlingsdebatte verstanden wissen.
Ästhetik der Warenwelt
Ob die dezent erleuchteten Regale des neu eröffneten Prada-Shops in Rosa/ Mintgrün oder die skulpturale Schuhpräsentation des Sportartikelherstellers Nike: Andreas Gursky reduziert die Ikonen der Konsumwelt gern auf ihre Struktur. Die ästhetische Schönheit seiner Fotografien setzt er subtil als Gesellschaftskritik ein. Der Titel einer seiner neuesten Arbeiten heißt schlicht "Lager" (2014).
Relikte einer untergegangenen Arbeitswelt
Nur selten tauchen Menschen auf den Fotografien von Gursky auf - und wenn meist im Hintergrund. Sie sind abwesend, aber trotzdem präsent. Die Arbeitswelt der Kumpel in "Hamm, Bergwerk Ost" steht für den Düsseldorfer Künstler für den kapitalistischen Strukturwandel: Die Alltagsklamotten der Bergarbeiter sind Relikte einer längst untergegangenen Industrie-Epoche.
Kathedralen der Kunst
Acht Quadratmeter Kunst: Diese extrem große Arbeit nennt Gursky schlicht "Kathedrale" (2007). Die Menschen verschwinden vor der monumentalen Kulisse der filigranen Kirchenfenster. Gerade dreht hier Wim Wenders, Gursky ist als Fotograf dabei. Das Bild ist von streng formalistischer Ästhetik und doch seltsamer Leere geprägt. Die Säulen dieser Düsseldorfer Kirche sind digital wegretuschiert.
Globale Wohnsilos
Monumentale, extrem breitformatige Arbeiten sind Gurskys Markenzeichen.der Fotograf hat soziale Ghettos und anonyme Wohnmaschinen auf allen Kontinenten abgelichtet. Hier eines seiner berühmten C-Prints: "Paris, Montparnasse" (1993), in zwei Teilen fotografiert und später digital zusammengesetzt. Erst bei näherer Betrachtung tauchen Menschen auf.
Malerische Qualitäten
Aus Asien hat Gursky viele fotografische Stillleben, wie hier "Bangkok VI" (2011), mitgebracht. Seit vielen Jahren reist er durch die Welt, um an gesellschaftlichen Brennpunkten seine fotografischen Studien zu betreiben. Für die digitale Nachbearbeitung nimmt er sich Monate oder sogar Jahre Zeit. Es entstehen Fotografien, die auf den ersten Blick wie gemalt aussehen.
Catwalk der Super-Models
Panoramabild aus der Welt der Haute Couture. Mode ist für Gursky auch ein industriell betriebener Geschäftszweig. Mannequins sind zur reinen Warenrepräsentation abgestellt - als Kleiderständer, austauschbar bis auf wenige Super-Models. Was ihn hier ("V&R"/2011) interessiert, ist die Gleichförmigkeit der Ästhetik: Gesichtsausdruck, Gang, Make up, alles ist gleichgeschaltet.
Der Künstler und sein Kurator
Mit Udo Kittelmann, dem Direktor der Nationalgalerie in Berlin, hat Gursky (li) zum ersten Mal 2007 für eine Ausstellung zusammengearbeitet. In der aktuellen Schau im Museum Frieder Burda zeigt Kittelmann einen politisch subversiven Gursky und einen Überblick über fast 30 Jahre Fotokunst des Düsseldorfer Becher-Schülers. Die Ausstellung ist noch bis zum 24.1.2016 in Baden-Baden zu sehen.